1.57 (str2p): Nr. 171 Vermerk Ministerialrat Kieps über einen die Ausrufung der autonomen Republik Pfalz betreffenden Anruf des Abgeordneten Zapf. 24. Oktober 1923, 10.45 Uhr

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Nr. 171
Vermerk Ministerialrat Kieps über einen die Ausrufung der autonomen Republik Pfalz betreffenden Anruf des Abgeordneten Zapf. 24. Oktober 1923, 10.45 Uhr

R 43 I /1840 , Bl. 1731

1

Der Vermerk trägt mit Rotstift die Notiz: „Sofort“; mit Grünstift ist gekennzeichnet, daß er dem RK vorgelegen hat.

Gestern Nachmittag haben die Mitglieder der sozialdemokratischen Partei

Reichstagsabgeordneter Johann Hoffmann aus Kaiserslautern

[705] Bürgermeister Löwe (?), Ludwigshaften2,

2

Es handelte sich tatsächlich um den 2. Bürgermeister von Ludwigshafen Kleefoot.

Rechtsanwalt Dr. Wagner, Ludwigshafen

dem französischen Befehlshaber in der Pfalz, General Delitta (?)3 folgende Erklärung überreicht:

3

Gemeint sein dürfte General de Metz, der bereits seit längerer Zeit auf eine autonome Pfalz hingearbeitet und am 21.10.23 das folgende Telegramm an Tirard gerichtet hatte: „J’ai l’honneur de vous rendre compte, à la suite des faits que j’ai signalés à votre agent de liaison, que j’ai fixé au mercredi 24 à 16 heures à Spire la réunion plenière officielle prévue par votre note confidentielle du 12 octobre. – La situation actuelle ne peut durer, il faut arriver à une solution négative ou positive mais enfin y voir clair sans plus tarder. […] Je déclanche tout cela avant que les événements de Bavière ne soient absolument décisifs, bien entendu mon attitude mercredi pourra être différente selon de ce qui se sera passé d’ici là à Munich. – Je vais donc faire de mon mieux, si j’échoue je pense que vous ne m’en jugerez pas plus mal, si je réussis je voudrais pouvoir compter sur votre venue à Spire Vendredi ou Samedi avec vos 2 adjoints financier et économique pour prendre acte de la déclaration officielle du Palatinat, et commencer immédiatement les négotiations économiques qui doivent amener des réalisations non moins immédiatement“ (Abschrift von O. Jung in BA: ZSg 105/15, Bl. 12/13). S. hierzu und zum folgenden den mit ausführlichen Exzerpten und Zitaten aus den Beständen R 43 I und Zsg 105 des BA verfaßten Aufsatz von P. Hüttenberger, Methoden und Ziele der frz. Besatzungspolitik nach dem 1. Weltkrieg in der Pfalz, passim.

„In Anbetracht der gegenwärtigen Verhältnisse in Bayern haben die Unterzeichneten beschlossen, aus der Pfalz unverzüglich einen selbständigen Staat im Rahmen des Reiches zu bilden unter Zusammenarbeit sämtlicher politischer Parteien der Pfalz.

Sie bitten den Herrn General als Vertreter der hohen Interalliierten Kommission, von der Gründung des neuen Staates wohlwollend Kenntnis zu nehmen.

Sie verpflichten sich, von nun an feierlichst und unbedingt, mit der hohen Kommission in vollstem Einvernehmen, für Gegenwart und Zukunft, in der Erfüllung aller im Rahmen der Versailler Vertrages hinsichtlich der Reparationen und der für Frankreich erforderlichen Sicherheiten enthaltenen Bestimmungen zusammenzuarbeiten.

Für den Fall eines Wechsels in der politischen Orientierung des Reiches, der sich gegen die Erfüllung der vorstehenden Verpflichtungen richten sollte, behält diese Verpflichtung ihren vollen Wert4.“ –

4

Nach einer Abschrift von O. Jung (BA: ZSg 105/15, Bl. 10) lautete der anscheinend von de Metz vorbereitete Text: „Die Unterzeichneten haben, in Anbetracht der heutigen Zustände in Bayern, den völligen Zusammenbruch der Mark, der ungeheuren Arbeitslosigkeit und des damit verbundenen Elends sich entschlossen, unverzüglich einen ‚Autonomen Staat Pfalz‘ mit der Mitwirkung aller politischen Parteien der Pfalz zu errichten. – Sie bitten den General de Metz als Vertreter der Hohen Interalliierten Commission von diesem neuen Staate, der vorläufig von einer provisorischen Regierung errichtet wird, wohlwollend Kenntnis zu nehmen. – Sie verpflichten sich sofort feierlich und unbedingt, für die Gegenwart und für die Zukunft gegenüber der Hohen Rheinlandkommission zur loyalen Mitarbeit bezüglich der Erfüllung aller Verpflichtungen des Friedensvertrages von Versailles, die die Reparationen und die nötige Sicherheit Frankreichs betreffen; sie verpflichten sich außerdem, alle Abmachungen anzuerkennen, die zwischen den Alliierten Mächten und dem Deutschen Reich anläßlich der Aufhebung des passiven Widerstandes getroffen werden. – Sollte eine Deutsche Reichsregierung den Versailler Friedensvertrag nicht mehr anerkennen, so behalten obige Verpflichtungen ihre volle Gültigkeit.“

Die genannten Unterzeichner dieser Erklärung beabsichtigen heute Nachmittag die Republik der Pfalz auszurufen. Es ist unrichtig, daß die übrigen politischen[706] Parteien diesem Schritte zugestimmt hätten. Sie denken nicht daran, und halten den Gedanken einer selbständigen Pfalz-Republik für absurd5. Insbesondere halte ich die am Schlusse der Erklärung übernommenen Verpflichtungen aus dem Versailler Vertrag für politisch unhaltbar.

5

S. hierzu auch die Ausführungen des Abg. Hermann Hofmann-Ludwigshafen (Z) während der Besprechung in Hagen vom 25.10.23 (Dok. Nr. 179).

Ich empfehle sofortige Fühlungnahme mit der Leitung der sozialdemokratischen Partei, damit eine entsprechende Einwirkung unverzüglich erfolgt6. Ich bin in Heidelberg unter No. 3080 telephonisch zu erreichen7.

6

Durch das Haupttelegrafenamt Berlin gelangte am 24.10.23 der Text des folgenden Telegramms in die Rkei, das J. Hoffmann an den SPD-Vorsitzenden Müller-Franken gerichtet hatte: „Unsere Geduld gegen München zu Ende. Separatistengefahr sehr groß. Gründen heute Pfalz-Republik im Reichsverband. Reichskanzler verständigen“ (R 43 I /1840 , Bl. 176). Darauf erwiderte Müller-Franken mit dem Telegramm: „Ersuche dringend, in Pfalzfrage Einvernehmen mit Koalitionsparteien herzustellen. Jegliche Maßnahme, die auch nur indirekt französische Rheinbundspläne unterstützt, ist unbedingt zu unterlassen“ (R 43 I /1838 , Bl. 435).

7

Zum Fortgang s. Dok. Nr. 180 und 181.

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