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Kaiserreich und Weimarer Republik

Ausländische Arbeitskräfte unter dem Nationalsozialismus

Nach Kriegsende: Displaced Persons und Repatriierte

Polen - der Beginn der militärischen Expansion

In den deutsch-polnischen Beziehungen hatte der Einsatz polnischer Saisonarbeiter in der Landwirtschaft traditionell eine andauernde Bedeutung. Seit 1936 gab es jährliche Verhandlungen mit der polnischen Regierung über Arbeitskräftekontingente für Deutschland, deren Umfang von Jahr zu Jahr sprunghaft zunahm. Als die polnische Regierung wegen der wachsenden Spannungen in den Beziehungen zum Deutschen Reich 1939 das zugesagte Kontingent von 90.000 Arbeitern zurückhielt, wurden polnische Staatsangehörige auch ohne Papiere ins Reich hereingelassen und von eigens für sie in Grenznähe eingerichteten Arbeitsamtsstellen registriert.

 
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Deutsches Reich (1.1.1941), hell: Generalgouvernement

Quelle: Bundesarchiv

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Durch den Kriegsbeginn am 1. September 1939 hatte die Anwerbung ausländischer Arbeitskräfte für den Einsatz im Reich eine neue Dimension erhalten. Die bisherigen Expansionsbestrebungen Deutschlands waren kaum mit einer Mobilmachung deutscher Arbeitnehmer verbunden, da weder die Einnahme Österreichs noch der Tschechei militärische Kampfeinsätze erforderten. Der Feldzug gegen Polen machte erstmals die Einberufung von Zivilisten und damit den Abzug von einheimischen Arbeitskräften aus dem Wirtschaftsleben nötig. Sie mussten durch ausländische Arbeiter ersetzt werden. Schon im Herbst 1939, wenige Wochen nach der Besetzung Polens, wurde deutlich, dass der so entstandene Mangel an Arbeitskräften im Reich weder durch freiwillige ausländische Arbeitskräfte noch durch die polnischen Kriegsgefangenen aufgefangen werden konnte. Zwangsmaßnahmen bei der Anwerbung von Arbeitskräften kamen als Folge davon zum systematischen Einsatz. Die in die Verwaltungsstrukturen des Deutschen Reichs eingegliederten polnischen Gebiete waren davon zunächst mehr betroffen als das so genannte "Generalgouvernement".

 
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Das P-Abzeichen kennzeichnete die besonders diskriminierte Gruppe der polnischen Arbeiter.

Quelle: DHM, Berlin, A 93/18

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Bis zur Ausweitung des Kriegs im Mai 1940 in den Westen war Polen das einzige neu erschlossene Reservoir ausländischer Arbeitskräfte. Die Arbeiter wurden mittels Konskriptionen nach Geburtsjahrgängen, mittels Gestellungsquoten, die den Kreis- und Gemeindeverwaltungen auferlegt wurden, und durch Razzien zwangsweise für den "Reichseinsatz" gewonnen. Die im März 1940 ergangenen Erlasse des Reichsführers SS (Heinrich Himmler) zur Behandlung der polnischen Arbeitskräfte ("Polenerlasse") setzten diese in diskriminierender Weise außerhalb der für Deutsche geltenden Rechtsordnung. Durch das "auf der rechten Brustseite jedes Kleidungsstückes" aufzunähende "P", dessen Gestaltung bis ins Detail dekretiert worden war, sollten die Arbeiter aus Polen gebrandmarkt und sofort für jedermann als rechtlich minderwertige Menschen erkennbar sein. Er ging dabei so weit, den Geschlechtsverkehr mit Deutschen nicht nur zu regeln, sondern für Verstöße dagegen sogar die Todesstrafe festzuschreiben. Das Verlassen des Einsatzortes war untersagt, der Besuch von Veranstaltungen, in denen sie mit Deutschen in Kontakt kommen konnten (Theater, Kino, Tanzveranstaltungen, Kirchen, öffentliche Verkehrsmittel) wurde stark eingeschränkt. Sie durften nur eigens ausgewiesene Gaststätten besuchen.

 
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Polnische Zwangsarbeiter bei der Einlieferung ins KZ Sachsenhausen

Quelle: BArch, Bild 183-78612-0009

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Lässiges Arbeiten und Aufmüpfigkeit hatte "Zwangsarbeit im Konzentrationslager" zur Folge. Bei Sabotage und "anderen schweren Verstößen gegen die Arbeitsdisziplin" drohte als Steigerung "eine mehrjährige Unterbringung in einem Arbeitserziehungslager". Und über all dem waren die polnischen Arbeiterinnen und Arbeiter angewiesen, "sich stets vor Augen zu halten, daß sie freiwillig zur Arbeit nach Deutschland gekommen sind."

Die Umsetzung der verordneten diskriminierenden Behandlung am Einsatzort ging in der Landwirtschaft langsamer vor sich als in der Industrie. Immer wieder kam es zu Bemängelungen der Sicherheitsorgane, die deutsche Landbevölkerung habe, z.B. durch die gemeinsame anstatt getrennte Einnahme der Mahlzeiten, zu engen Kontakt zu den Polen und sei ihnen gegenüber zu wohlwollend eingestellt, was sich negativ auf die deutsche Volksseele auswirke.

Anders war die Situation in der Industrie, wo im Zuge der Vorbereitungen auf den Rußlandfeldzug ab Sommer 1940 immer mehr Zwangsarbeiter für die Rüstungsproduktion benötigt wurden. Sie litten vielfach unter schlechter Ernährung, mangelnder medizinischer und hygienischer Versorgung, Diffamierungen und Misshandlungen seitens der deutschen Mitarbeiter und Vorgesetzten. Auf Grund solcher Mängel sahen sich viele Arbeiter gezwungen, gegen die Vorschriften zu verstoßen und beispielsweise das Lager zu verlassen, um zu versuchen, auf irgendeine Weise Nahrungsmittel zu erwerben. Viele, die so ihre Arbeitskraft zu erhalten suchten, wurden ergriffen und in Arbeitserziehungs- oder Konzentrationslager gebracht. Andere schafften es, in ihrem Betrieb einen florierenden Schwarzhandel mit organisierten Lebensmitteln unter den Ausländern zu etablieren.

Im Gesamtzeitraum 1939 bis 1945 leisteten insgesamt ca. 1,6 Mio polnische Zivilisten und ca. 300.000 polnische Kriegsgefangene in Deutschland Zwangsarbeit.