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Kaiserreich und Weimarer Republik

Ausländische Arbeitskräfte unter dem Nationalsozialismus

Nach Kriegsende: Displaced Persons und Repatriierte

Sowjetische Kriegsgefangene und "Ostarbeiter"

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Besetzung von Charkow (Ukraine) durch die deutsche Wehrmacht, Oktober 1941

Quelle: BArch, Bild 183-B13132; Foto: Mittelstaedt, Heinz

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Am 22. Juni 1941 eröffnete die deutsche Wehrmacht den Krieg gegen die Sowjetunion. Bis zum Dezember hatte sie in einem Blitzkrieg das Baltikum, Weißrussland und die Ukraine eingenommen. Die Front verlief bereits weiter im Osten, so daß in den neuen Reichskommissariaten Ostland und Ukraine bereits eine zivile Verwaltung errichtet worden war. In die nichtbaltischen Gebiete der Sowjetunion kamen die Deutschen mit bestialischen Plänen. Während Teile der Bevölkerung die deutschen Soldaten als Befreier vom Bolschewismus begrüßten und vorsichtige Hoffnungen auf die Besatzer setzten, beabsichtigte die Reichsregierung, im Zuge des Konzepts zur Gewinnung von "Lebensraum im Osten" die Gebiete wirtschaftlich zu ruinieren und die Bevölkerung auszuhungern, zu vertreiben oder in Zwangsarbeit zu bringen.

Kriegsgefangene

 
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Tausende sowjetischer Kriegsgefangener auf freiem Feld in den besetzten Ostgebieten, August 1942

Quelle: BArch, Bild 183-B21845; Foto: Wahner

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Als erste bekamen dies die sowjetischen Kriegsgefangenen zu spüren. Innerhalb weniger Monate starben zwei Mio der bis Ende 1941 gefangengesetzten 3,35 Mio Gefangenen an Auszehrung infolge ungenügender Essensrationen, mangelnder medizinischer Betreuung und fehlenden Schutzes vor Hitze und Kälte. Sowjetische Kriegsgefangene im Reich zur Arbeit einzusetzen, war zunächst nicht vorgesehen. Rasseideologische Gründe und Furcht vor der Verbreitung bolschewistischen Gedankenguts standen dem insbesondere seitens der Sicherheitsorgane und des Oberkommandos der Wehrmacht entgegen. Erst als sich durch den früh einbrechenden Winter 1941 und den dadurch ins Stocken geratenen Vormarsch abzeichnete, dass sich der Krieg im Osten in die Länge ziehen würde, und als Teile der deutschen Wirtschaft wegen des wieder stark zunehmenden Arbeitskräftemangels zu stagnieren drohten, wurden die Kriegsgefangenen für den Einsatz im Reich vorgesehen und mittels erhöhter Essensrationen dafür "aufgepäppelt", wie es in der Verwaltungssprache hieß. Die schlechte Behandlung auch im Reich und die Schwerstarbeiten besonders in der Rüstungsindustrie und im Bergbau, die von den sowjetischen Kriegsgefangenen von da an zu verrichten waren, sollten bis zum Kriegsende noch weitere 1,3 Mio Soldaten ihr Leben kosten.

Ostarbeiter

 
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Besucher einer Informationsveranstaltung in den besetzten Ostgebieten über den Arbeitseinsatz in Deutschland, Juli 1943

Quelle: BArch, Bild 183-J10842; Foto: Kurrasch

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Obwohl die zum Tod führenden Auszehrungen der sowjetischen Kriegsgefangenen in den ersten Monaten des Russlandfeldzugs bewusst vor den Augen der Zivilbevölkerung nicht verborgen wurden, waren anfangs die Zahlen derjenigen, die sich für den Reichseinsatz freiwillig meldeten, überraschend hoch. Viele ließen sich von der deutschen Propaganda täuschen, die ausländischen Arbeitskräften ein angenehmes Leben ohne Mangel in Deutschland vorgaukelte. Zugleich wurden die Lebensmittelrationen in den Ostgebieten unter das Existenzminimum reduziert, so dass mit der Zeit Hunderttausende in ihren fruchtbaren Heimatländern verhungerten. Für viele war der Transport ins Reich dadurch um so mehr mit der Hoffnung verknüpft, nicht nur selbst zu überleben, sondern auch die Angehörigen von ferne unterstützen zu können.

 

Die ersten Mitteilungen über die Verhältnisse am deutschen Arbeitsort und der Anblick der ersten arbeitsunfähig aus Deutschland Zurücktransportierten ließen jede Euphorie noch während des ersten Besatzungsjahres sehr schnell verfliegen. Ohnehin hatten die zuständigen deutschen Stellen von vornherein die Anwendung von Zwangsmaßnahmen nicht nur für erforderlich gehalten, sondern als angemessen vorgesehen.

 
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Abtransport von Ostarbeiterinnen zum Bahnhof, Juni 1942

Quelle: BArch, Bild 183-B25444; Foto: Rabenberger

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Die Verpflichtung aller Bewohner der besetzten Ostgebiete, Arbeiten für die Besatzer zu verrichten, erfolgte im Dezember 1941 durch eine Verordnung des Reichsministers für die besetzten Ostgebiete, Alfred Rosenberg. Davon betroffen waren Männer bis zum Alter von 65 Jahren und Frauen zwischen 15 und 45 Jahren. In der Folge davon wurden den lokalen Behörden Gestellungskontingente auferlegt und einheimische Amtsträger mit den Rekrutierungen beauftragt. Um die Aushebungen zu unterstützen, griffen die deutschen Besatzer immer häufiger mit Terrorakten ein. Um die verfügten Kontingente zu erfüllen, wurden selbst Passanten auf offener Straße, Teilnehmer von Festen und Gottesdienstbesucher ergriffen und zu den Sammelstellen gebracht. Gemeinden, die den Gestellungsbefehlen nicht Folge leisteten, hatten mit drakonischen Strafexempeln zu rechnen, die bis zum Niederbrennen ganzer Ortschaften führen konnten.

 
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Junge ukrainische Frauen werden am Kiewer Hauptbahnhof den Güterwaggons nach Deutschland zugewiesen,

Quelle: BArch, Bild 183-R70660

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Im Sommer 1942 wurde zusätzlich für alle Jugendlichen aus der Ukraine zwischen 18 und 20 Jahren ein zweijähriger Pflichtdienst im Reich eingeführt. Kaum mit dem Nötigsten versehen, wurden die rekrutierten Kinder, Frauen und Männer mit Güterzügen in Durchgangslager im Reich gebracht, von wo sie ihren Einsatzorten und -betrieben zugeführt wurden.

Eines der größten Probleme stellte für die Ostarbeiter ihre in vielen Fällen extrem schlechte Ernährung im Reich dar. Die Rationen und die Qualität des Essens, das zum Teil zu 40 bis 50 % aus Abfällen bestand, schwächte die Menschen so sehr, dass bald Krankheit und Auszehrung in vielen Betrieben bis zur Hälfte der eingesetzten Ostarbeiter arbeitsunfähig machten und die Leistungsfähigkeit der Betriebe zu erlahmen drohte. Die Unternehmen klagten die bedrohlichen Umstände den Behörden. Erst nach Monaten nahm der SD diese Klagen ernst und ging den Zuständen nach. Die Lage wurde bestätigt und auf höchster Ebene quer durch die beteiligten Ministerien und Ämter monatelang diskutiert, ohne dass wesentliche Veränderungen herbeigeführt wurden.

 
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Für Propagandaaufnahmen setzten die Betriebe noch gut aussehende Ostarbeiterinnen an hübsch gedeckte Tische

Quelle: BArch, Bild 183-J05126; Foto: Schwahn

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Auf der untersten Stufe der Ausländerhierarchie stehend, wurden die Ostarbeiter abgesondert von den anderen Fremdarbeitern in eigenen Lagern untergebracht, die anfangs mit Stacheldraht umzäunt waren.

Wesentlich bessere Verhältnisse fanden diejenigen Ostarbeiterinnen vor, die wie bereits zahlreiche Polinnen als Dienstmädchen in deutschen Privathaushalten angestellt wurden. Sie mussten nicht in Lagern wohnen, sondern waren in den Wohnungen ihrer Dienstgeber untergebracht. Außerdem erhielten sie die gleichen Lebensmittelzuteilungen wie die deutsche Zivilbevölkerung, um ohne sonderliche Auszehrungserscheinungen in das Bild eines deutschen Haushalts zu passen.

 
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Das OST-Abzeichen diente der Kenntlichmachung und Ausgrenzung der Gruppe der so genannten Ostarbeiter und musste an den Kleidungsstücken befestigt werden.

Quelle: DHM, Berlin, A 93/12

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Wie die Polen, wurden auch die Ostarbeiter äußerlich kenntlich gemacht. Auf der linken Brustseite hatten sie ein angenähtes blaues Rechteck mit der weißen Aufschrift "OST" zu tragen.

Im Gesamtzeitraum des Krieges waren ca. 2,75 Mio Ostarbeiter im Reich beschäftigt. Die rechtliche Grundlage für die besondere Behandlung waren die "Ostarbeiter-Erlasse" vom 20. Februar 1942.