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Haftstättenverzeichnis

Arbeitserziehungslager

Der Lagertyp des Arbeitserziehungslagers (AEL) entstand erst im Zweiten Weltkrieg und unterstand ausschließlich der Gestapo. Hintergrund dieser Entwicklung waren lokale Interessen der Industrie, der Kommunen, der Arbeitsverwaltung und der Gestapo an der Disziplinierung der Arbeiterschaft sowie der Unterdrückung von Arbeiterwiderstand. Arbeitserziehungslager, die „KZ der Gestapo“ (Gabriele Lotfi) dienten dazu, zunächst deutsche Arbeitskräfte, später hauptsächlich ausländische und vor allem osteuropäische Zivilarbeiterinnen und Zivilarbeiter bei Arbeitsvertragsbruch oder Widersetzung gegen die Dienstverpflichtung für eine begrenzte Dauer zu inhaftieren. Neben der Schutzhaft und der Vorbeugehaft kann die Arbeitserziehungshaft als ein drittes Element der nationalsozialistischen Repressionspolitik betrachtet werden. Die Zahl der Arbeitserziehungslager belief sich 1940 auf acht, gegen Kriegsende auf etwa 200 Lager innerhalb und außerhalb des Reichsgebietes. Insgesamt waren zwischen 1939 und 1945 ca. eine halbe Million Menschen in Arbeitserziehungslagern inhaftiert. Trotz der großen Zahl der Inhaftierten wurden die AEL erst spät zu einem Gegenstand der Forschung. Neben der Verstrickung von Wirtschaft und Kommunen dürfte ein Grund darin liegen, dass die Bedeutung der Arbeitserziehungslager als ein nationalsozialistisches Repressionsinstrument aufgrund der üblicherweise begrenzten Haftdauer lange unterschätzt wurde.

Eine genaue Eingrenzung möglicher Gründe für die Einweisung in ein AEL wurde in den Erlassen, die die Organisationsprinzipien der AEL-Haft festschrieben, nicht vorgenommen. Als Haftgrund konnte neben „Arbeitsbummelei“ oder „Arbeitsverweigerung“ beispielsweise auch das Nichtausführen des „deutschen Grußes“ gelten. Vor allem Frauen wurden aus anderen Gründen als Arbeitsdelikten in AEL inhaftiert, z.B. wegen Verletzung des Kontaktverbotes mit sogenannten Volksfremden, d.h. in der Regel mit Männern aus Osteuropa. Die AEL- Haft diente laut Erlass des Chefs der Sicherheitspolizei und des SD vom 28. Mai 1941 dem „Erziehungszweck“, galt offiziell also nicht als Strafmaßnahme. Als rein polizeiliche Maßnahme bedurfte die Inhaftierung im AEL keiner gerichtlichen Verurteilung – welche Personen aus welchen Gründen verhaftet und bestraft wurden, war der Willkür der zuständigen Dienststellen überlassen.

Während nach Kriegsbeginn Entlassungen aus den Konzentrationslagern in der Regel nicht mehr vorgesehen waren, war die Haft in einem Arbeitserziehungslager zeitlich begrenzt. Hintergrund dafür war, dass die in Wirtschaftsbetrieben eingesetzten Arbeitskräfte nicht dauerhaft von ihren Arbeitsplätzen abgezogen werden sollten. Aus diesem Grund wurde die Haftdauer auch ab dem Zeitpunkt der Verhaftung, d.h. der Entfernung der betreffenden Person von ihrem Arbeitsplatz bemessen. Offiziell war eine Haftdauer von 21 bis 56 Tagen vorgesehen, zum Teil verblieben Inhaftierte aber bis zu drei Monaten und länger im AEL. Im Verlauf des Krieges wurden AEL- Häftlinge nach Ablauf der Haftdauer zunehmend in Konzentrationslager überstellt. Auch näherten sich zum Ende des Krieges die Haftbedingungen sowie die Funktion der Arbeitserziehungslager denen der Konzentrationslager zunehmend an. Unter anderem übernahmen die AEL zu dieser Zeit auch die Funktion von Hinrichtungsstätten der Gestapo.

Auf dem Gebiet des Deutschen Reichs unterstanden die Arbeitserziehungslager den regional zuständigen Staatspolizei(leit)stellen. In den durch die Deutschen besetzten Gebieten hingegen waren sie in der Regel den Kommandeuren der Sicherheitspolizei und des SD unterstellt. Die Errichtung der Lager bedurfte der Genehmigung durch das Reichssicherheitshauptamt (RSHA). Die jeweils zuständigen Dienststellen ordneten Einweisungen in Arbeitserziehungslager an; Lagerleiter und Wachmannschaften stellte die Gestapo, in Ausnahmefällen waren jedoch auch Beamte der Ordnungspolizei zur Bewachung der Häftlinge eingesetzt, später zum Teil auch Werkschutz und andere Hilfsaufseher.

Die ersten Vorformen der Arbeitserziehungslager wurden ab Ende 1939 im Zuge der Errichtung des Westwalls zur Disziplinierung der deutschen Westwallarbeiter eingerichtet. Das „SS-Sonderlager Hinzert“ im Hunsrück und sieben weitere Polizeihaftlager dienten der für die Westwall-Arbeiten zuständigen Organisation Todt (OT) als Repressionsinstrument. Die überwiegende Zahl der im Verlauf des Zweiten Weltkrieges eingerichteten AEL befand sich in der Nähe von industriellen Zentren oder auch direkt auf dem Gelände von Betrieben. Aber auch in sechs Konzentrationslagern existierten abgetrennte Arbeitserziehungslager: in Auschwitz, Buchenwald, Dachau, Groß-Rosen, Plaszow und Stutthof. Die Haft- und Arbeitsbedingungen in den Arbeitserziehungslagern waren mit denen in den KZ vergleichbar. Laut einer Aussage des Chefs der Sicherheitspolizei und des SD, Ernst Kaltenbrunner, vom Mai 1944 sollten die Haftbedingungen im AEL sogar härter als im KZ sein. Zusammen mit der begrenzten Haftdauer diente die Grausamkeit der Haft nicht nur der Terrorisierung und seelischen Brechung des Inhaftierten. Die Nationalsozialisten erhofften sich zugleich eine unmittelbare Repressionswirkung im Lebens- und Arbeitsumfeld des Inhaftierten nach dessen Rückkehr. Die Häftlinge der Arbeitserziehungslager litten unter den schikanösen und grausamen Lagerstrafen, der schweren Zwangsarbeit sowie den katastrophalen Lebensbedingungen in diesen Lagern, sodass zahlreiche dort ums Leben kamen.

Literaturauswahl:

Gutermuth, Frank & Netzbandt, Arno. Die Gestapo. Berlin 2005.

Lotfi, Gabriele. KZ der Gestapo. Arbeitserziehungslager im Dritten Reich. Stuttgart 2000.

Tech, Andrea. Arbeitserziehungslager in Nordwestdeutschland 1940-1945. Göttingen 1998.