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Logo der Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft

'Slave Labor' in den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen

Leistungen bis 2000

Leistungen ab 2000

Leistungsprogramm der Stiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft"

Die Bundesstiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" (Stiftung EVZ) wurde von der "Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft" und dem Bund gestiftet. Errichtet und in ihren Aufgaben beschrieben wurde sie durch das Gesetz zur Errichtung einer Stiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft", das am 12. August 2000 in Kraft trat. Das Ziel war, über internationale Partnerorganisationen an ehemalige NS-Zwangsarbeiter und einige weitere Gruppen von NS-Opfern individuelle humanitäre Leistungen zu zahlen. Das Stiftungsvermögen belief sich auf 10,1 Mrd DM. Dieser Betrag setzte sich aus freiwilligen Leistungen von ca. 6500 deutschen Unternehmen (5,1 Mrd DM) und dem Beitrag des Bundes in Höhe von 5 Mrd DM zusammen.

Von diesem Kapital wurden bis zum Abschluss der Tätigkeit der Stiftung knapp 8,7 Mrd DM (4,45 Mrd Euro) an ehemalige Zwangsarbeiter in Form von individuellen Einmalleistungen ausbezahlt.

Um als ehemaliger Zwangsarbeiter Leistungen erhalten zu können, musste der Betroffene in einem Konzentrationslager, Ghetto oder einer ähnlichen Haftstätte verbunden mit Zwangsarbeit inhaftiert gewesen sein (sog. Kategorie A) oder von seinem Heimatland in das Deutsche Reich oder ein von Deutschland besetztes Gebiet verschleppt worden sein und dort Zwangsarbeit unter Haftbedingungen, haftähnlichen oder vergleichbar besonders schlechten Lebensbedingungen geleistet haben (Kategorie B).

Die Höhe der Zahlungen wurde anhand dieser beiden Kategorien A und B und einer weiteren Kategorie C, die in Ausnahmen Zahlungen an Opfer mit andern Leidensmerkmalen zuließ und vor allem Zwangsarbeiter in der Landwirtschaft betraf, pauschaliert. Demnach erhielten die Leistungsberechtigten der Kategorie A bis zu 15.000 DM (7.670 €) und die der Kategorien B und C bis zu 5.000 DM (2.560 €).

Die Betroffenen oder ihre Rechtsnachfolger mussten ihre Anträge bis zum 31.12.2001 gestellt haben, während sie die benötigten Nachweise später beibringen konnten. Bis zum 30.9.2006 waren alle Antragsverfahren abzuschließen.

Aus dem Plafonds zum Ausgleich von Zwangsarbeit wurden Leistungen an 1.665.000 Opfer und deren Rechtsnachfolger verteilt. Diese Leistungen umfassten mit einem Gesamtvolumen von 4,529 Mrd Euro den größten Teil der insgesamt zur Verfügung stehenden 5,580 Mrd Euro.

Leistungen wurden ferner gewährt für:

  • Personenschäden, die z.B. auf Grund medizinischer Experimente oder einer Unterbringung in einem Heim für Kinder von Zwangsarbeitern ("Ausländerkinder-Pflegestätten") entstanden sind; in letzterem Fall waren sowohl überlebende ehemalige Insassen dieser Heime als auch ehemalige Zwangsarbeiterinnen, die den Verlust (Tod) eines Kindes infolge der gewaltsamen Wegnahme und Heimunterbringung erlitten hatten, leistungsberechtigt. Aus diesem Plafonds konnten Leistungen an über 8.000 Opfer in Höhe von bis zu je 8.300 DM (4.240 Euro) ausbezahlt werden.
  • Vermögensschäden, wenn deutsche Unternehmen daran wesentlich, direkt und schadensursächlich beteiligt waren;
  • nicht ausgezahlte Lebensversicherungsansprüche aus der NS-Zeit;
  • humanitäre Fonds zugunsten von Überlebenden des Holocaust und in gleicher Weise verfolgten Sinti und Roma. Hier wurden drei Fonds definiert und mit entsprechenden Mitteln ausgestattet:
  1. Ein Programm in Höhe von 276 Millionen DM erreichte die Conference on Jewish Material Claims Against Germany (JCC) zur weltweiten Finanzierung und Förderung von Organisationen und Institutionen, die Sozialdienste für jüdische NS-Opfer unterhalten. Gefördert wurden daraus über 230 Projekte in 20 Ländern, überwiegend in den USA, Israel und den GUS-Staaten.
  2. Die International Organization for Migration (IOM) war laut dem Stiftungsgesetz mit der Verteilung eines 24 Millionen DM umfassenden Fonds zu Gunsten verfolgter Sinti und Roma beauftragt. Dies erwies sich als äußerst komplizierte Aufgabe. Die Anzahl der Leistungsberechtigten war zunächst völlig unklar. Die Organisation des Hilfsprogramms wurde zudem durch die spezifische Lebenssituation der Roma-Gemeinschaften in Osteuropa, insbesondere die gesellschaftliche Diskriminierung und die Rivalität der Gemeinschaften untereinander, erschwert. Hinzu kam die Hürde der schwierigen räumlichen Erreichbarkeit vieler Roma-Familien, die sich an abgelegenen Orten aufhielten. Schließlich gelang es, für die humanitären Leistungen 70.000 Empfänger in 13 mittel- und osteuropäischen Staaten zu ermitteln. Die IOM konzentrierte sich in ihrem Leistungsprogramm darauf, in einem kurzen Zeitraum äußerst bedürftigen betagten Sinti und Roma Direkthilfe zukommen zu lassen.
  3. Der dritte humanitäre Fonds floss an die International Commission on Holocaust Era Insurance Claims (ICHEIC) und umfasste 350 Millionen Euro. Damit wurden mehrere Projekte gefördert. Das umfangreichste davon war das Social Welfare Program, durch das die häusliche Betreuung pflegebedürftiger jüdischer Überlebender der NS-Diktatur finanziert werden sollte.
 
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Plafonds zu den Stiftungsaufgaben

Quelle: Gemeinsame Verantwortung und moralische Pflicht. Hg. v. Michael Jansen u. Günter Saathoff. Göttingen, 2007. S. 213

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Mit Ablauf des Jahres 2006 war das finanzielle Entschädigungsprogramm der Stiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" beendet. Aus Restmitteln konnten zusätzliche soziale und medizinische Projekte zu Gunsten ehemaliger Zwangsarbeiter in den Staaten Osteuropas aufgenommen werden.

Im Rahmen der Zahlungen der Stiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" wurde der Begriff "Entschädigung" stets vermieden. Dabei lag der Grund dafür nicht mehr in der Behauptung bestimmter Rechtspositionen. Vielmehr war allen Beteiligten klar, dass bei einer für den einzelnen trotz allem recht geringen und einmaligen Zahlung im Angesicht des Ausmaßes des erlittenen Unrechts und der zugefügten Gewalt nicht von einer wirklichen "Entschädigung" gesprochen werden dürfe. Es konnte sich nur um eine symbolische materielle Geste handeln und um eine öffentliche Anerkennung des Schicksals der Betroffenen als Opfer des Nationalsozialismus. In diesem Bewusstsein wurde das Auszahlungsprogramm am 12. Juni 2007 mit einem offiziellen Festakt des Bundespräsidenten Horst Köhler im Schloss Bellevue im Beisein der Bundeskanzlerin Angela Merkel offiziell beendet.