2.16.1 (bru1p): Organisation der Bank für internationalen Zahlungsausgleich.

Zum Text. Zur Fußnote (erste von 5). Zu den Funktionen. Zum Navigationsmenü. Zum Navigationsbaum

 

Bandbilder:

Die Kabinette Brüning I und II. Band 1 Das Kabinett Brüning I Bild 183-H29788NS-Wahlversammlung im Sportpalast Bild 102-10391Arbeitslose Hafenarbeiter Bild 102-11008Bankenkrise 1931 Bild 102-12023

Extras:

 

Text

RTF

Organisation der Bank für internationalen Zahlungsausgleich.

Reichsbankpräsident Dr. Luther trug vor, er habe von dem Reparationsagenten Parker Gilbert erfahren, daß die erste Sitzung des Verwaltungsrats der BIZ voraussichtlich am 22. April stattfinden werde1. Der Termin sei allerdings abhängig von der vorherigen Ratifizierung der Haager Abkommen durch Italien2. Deutschland habe ein lebhaftes Interesse daran, daß der Termin unter allen Umständen stattfinde, damit die Voraussetzungen für den Beginn der Räumung des besetzten Gebietes möglichst alsbald als gegeben angesehen werden könnten.

1

Die konstituierende Sitzung der BIZ fand am 22.4.30 in Basel statt (WTB Nr. 804 vom 22.4.30 in R 43 I /672 , Bl. 282).

2

Italien ratifizierte am 7.5.30 das Haager Abkommen (WTB Nr. 921 vom 9.5.30 in R 43 I /309 , Bl. 48).

In der Verwaltungsratssitzung werde das Schwergewicht des Interesses bei der Ernennung des Generaldirektors der neuen Bank liegen. Der Generaldirektor der Bank werde bekanntlich durch den Verwaltungsrat auf Vorschlag des Präsidenten der Bank ernannt. Der Präsident der Bank, McGarrah, werde morgen, d. h. den 11. April, in Berlin anwesend sein, um mit ihm in der Sache Fühlung zu nehmen. Er, Dr. Luther, lege großen Wert darauf, vor dieser Aussprache mit McGarrah mit der Reichsregierung Fühlung zu nehmen, um sich des Einverständnisses der Reichsregierung mit der von ihm in der Sache einzunehmenden Haltung zu vergewissern. Der Kandidat der Gläubigermächte für den Generaldirektorposten sei nach wie vor der Franzose Quesnay3. Die Taktik der Gläubigermächte sei zielbewußt dahin gegangen, Deutschland diesen[46] Kandidaten gewissermaßen durch Überlistung aufzuzwingen. Im Januar dieses Jahres habe sich der Präsident der französischen Notenbank, Moreau, in einem Telegrammwechsel mit dem amerikanischen Bankhaus Morgan, das de facto die amerikanischen Interessen vertrete, auf Quesnay geeinigt. Abschrift dieses Notenwechsels sei den Notenbanken der übrigen Gläubigermächte zugegangen. Der deutsche Widerspruch gegen Quesnay sei geflissentlich ignoriert worden. Bei seiner soeben abgeschlossenen Rundreise bei den Notenbankpräsidenten von Italien, Frankreich und England habe man ihm allenthalben zu suggerieren versucht, daß die Frage der Besetzung des Generaldirektorpostens mit Quesnay eine beschlossene Sache sei. Trotzdem habe er allen Stellen der Gegenseite, mit denen er in Berührung gekommen sei, keinen Zweifel darüber gelassen, daß Deutschland nicht daran denke, seinen Widerstand gegen Quesnay aufzugeben. Er beabsichtige diese Linie auch jetzt sowohl McGarrah gegenüber, wie auch in der Verwaltungsratssitzung konsequent durchzuhalten. Er nehme als selbstverständlich an, daß auch die übrigen deutschen Mitglieder des Verwaltungsrats in der Verwaltungsratssitzung einheitlich gegen Quesnay votieren würden4. Von der Gegenseite seien ernsthafte Gegenangebote für den Verzicht auf den Widerstand gegen Quesnay nicht gemacht worden. Es sei allerdings die Rede davon gewesen, daß man Deutschland das Amt eines Vizechairmans im Verwaltungsrat anbieten wolle. Dieses Amt sei praktisch völlig bedeutungslos. Ferner habe man Deutschland das Amt des Leiters der Bankabteilung vorbehalten. Die neue Bank werde nämlich in 4 Abteilungen eingeteilt werden. Eine dieser Abteilungen sei die Bankabteilung. Dieser Abteilung komme zwar eine gewisse Bedeutung zu, die Übertragung dieses Amtes sei aber keineswegs ein Äquivalent für den französischen Generaldirektor, da Deutschland das Amt ohnehin beanspruchen könne, da die übrigen Abteilungen mit Vertretern der Gläubigermächte besetzt werden würden. Von einer gewissen Bedeutung sei allerdings, daß McGarrah erklärt habe, er werde sich bei der Amtsführung nicht ausschließlich auf den Generaldirektor stützen, sondern auch die Abteilungsvorsteher zur Leitung der Bank mit heranziehen. Zu diesem Zwecke werde er regelmäßige Sitzungen der Abteilungsvorsteher veranstalten, in denen den Abteilungsleitern das Recht zustehen solle, sich auch über Fragen zu äußern, die nicht zu ihren unmittelbaren Abteilungsgeschäften gehören.

3

Zur deutschen Opposition gegen Quesnays Kandidatur s. diese Edition, Das Kabinett Müller II, Dok. Nr. 459.

4

Am 4.4.30 hatte der RbkPräs. der RReg. mitgeteilt, daß er den Hamburger Bankier Carl Melchior und den Generaldirektor der Gutehoffnungshütte Paul Reusch zu Mitgliedern des Verwaltungsrats der BIZ berufen habe (R 43 I /671 , Bl. 273).

Alles in allem gesehen, habe er nur eine sehr leise Hoffnung, ob es gelingen werde, Quesnay wegzubringen und daß man McGarrah dazu bringen könne, einen anderen Vorschlag zu machen. Am erwünschtesten für Deutschland würde es alsdann sein, daß die Wahl auf den Holländer Bruins falle, da Deutschland mit ihm in seiner Eigenschaft als Kommissar der Reichsbank gute Erfahrungen gemacht habe. In zweiter Linie sei zu wünschen, daß der englische Notenbankpräsident Montagu Norman einen geeigneten Kandidaten präsentieren werde. Er habe bei seinem Besuch bei Norman den Eindruck gewonnen,[47] daß dieser einen geeigneten Kandidaten zur Verfügung habe. Er selbst habe gleichfalls einen Kandidaten gefunden, von dem er bestimmt hoffen könne, daß er die Interessen Deutschlands bei der Bank ausgezeichnet vertreten werde. Es sei dies der bisherige Leiter des Schaaffhausen’schen Bankvereins (Disconto Gesellschaft) in Köln, Pferdmenges, der bei der Fusion der Deutschen und der Disconto-Bank ausgeschieden sei. Pferdmenges werde allerdings nicht bereit sein, unter Quesnay zu arbeiten, wie überhaupt die Persönlichkeit Quesnays trotz Anerkennung hervorragender Qualitäten derartig anfechtbar sei, daß es wohl nicht gelingen werde, unter seiner Leitung das Interesse einflußreicher internationaler Stellen für die Bank zu gewinnen.

Der Gedanke, der Bank zwei gleichberechtigte Generaldirektoren zu geben, werden an dem Widerstande der Gläubigermächte scheitern. Diese würden sich hinter den formalen Einwand verschanzen, daß zu einem derartigen Vorgehen eine Statutenänderung nötig sei.

Auf eine Frage des Reichsministers des Auswärtigen, wie Dr. Luther die ablehnende Haltung Deutschlands bezüglich Quesnay der Öffentlichkeit gegenüber vertreten wolle, erwiderte Dr. Luther, daß er sich darüber noch nicht völlig schlüssig geworden sei. Er denke aber daran, sich von einem Vertreter der internationalen Presse interviewen zu lassen. Den Wortlaut des Interviews werde er selbstverständlich zuvor mit dem Auswärtigen Amt in geeigneter Weise abtönen.

Nach kurzer Aussprache billigten die anwesenden Reichsminister einmütig die von dem Reichsbankpräsidenten vorgetragenen Absichten für seine bevorstehende Unterredung mit McGarrah und für die Haltung auf der für den 22. April 1930 in Aussicht stehenden ersten Verwaltungsratssitzung der BIZ5.

5

Am 22.4.30 wurde Pierre Quesnay, Direktor der Bank von Frankreich, gegen die Stimmen der deutschen Vertreter vom Verwaltungsrat zum Generaldirektor der BIZ gewählt (WTB Nr. 806 vom 22.4.30 in R 43 I /671 , Bl. 283).

Extras (Fußzeile):