1.110 (bru2p): Nr. 362 Aufzeichnung des Staatssekretärs v. Bülow über eine Unterredung des Reichskanzlers mit dem Amerikanischen Botschafter. 5. Juli 1931

Zum Text. Zur Fußnote (erste von 5). Zu den Funktionen. Zum Navigationsmenü. Zum Navigationsbaum

 

Bandbilder:

Die Kabinette Brüning I und II. Band 2 Das Kabinett Brüning I Bild 183-H29788NS-Wahlversammlung im Sportpalast Bild 102-10391Arbeitslose Hafenarbeiter Bild 102-11008Bankenkrise 1931 Bild 102-12023

Extras:

 

Text

RTF

Nr. 362
Aufzeichnung des Staatssekretärs v. Bülow über eine Unterredung des Reichskanzlers mit dem Amerikanischen Botschafter. 5. Juli 1931

R 43 I /312 , Bl. 139–143

Geheim!

Der amerikanische Botschafter suchte heute (Sonntag) nachmittag den Herrn Reichskanzler auf und führte aus, er müsse noch einmal auf die Erklärung des Herrn Reichskanzlers vom 2. d. M., betreffend die Nichtverwendung der Erleichterungen des Hoover-Planes für militärische Rüstungen zurückkommen. Die Gründe, die der Herr Reichskanzler gegen die Veröffentlichung dieser Erklärung geltend gemacht habe1, seien von ihm in einem Telegramm nach Washington eingehend dargelegt worden. Gestern habe er dann die Frage eingehend mit Herrn Reichsminister Curtius besprochen, und sei von dessen Gesichtspunkten überzeugt worden2. Ein Telefonat mit Washington von gestern nachmittag habe ihm gezeigt, daß man auch dort die deutschen Gründe verstehe. Daraufhin habe er abends mir durch den Botschaftsrat Gordon sagen lassen, die Frage sei erledigt. Inzwischen sei aber das Ergebnis der Pariser Verhandlungen3 nach Washington telefonisch mitgeteilt[1290] worden, und er habe eine neue telegraphische Weisung erhalten, aus der er die wichtigsten Stellen vorlesen wolle. Die Weisung besagte, daß Präsident Hoover die Pariser Lösung nicht annehmen könne. Er glaube aber, daß die Pariser Situation noch zu retten sei, wenn Montag früh die Erklärung des Herrn Reichskanzlers vom 2. Juli mindestens in ihrer ursprünglichen Form, möglichst aber erweitert (gemeint war: um den Verzicht auf Bau des Panzerkreuzers C während des Feierjahres) in der Presse veröffentlicht würde. Der Präsident wisse, daß dies einen starken Eindruck in Paris machen werde, und hoffe, daß hierdurch eine befriedigende Lösung herbeigeführt würde.

1

S. Dok. Nr. 356, Anm. 6.

2

Die Aufzeichnung des RAM vom 4.7.31 über die Besprechung mit Sackett befindet sich in: Pol. Arch. des AA, Büro RM, 27 Vereinigte Staaten von Nordamerika, Bd. 10, Bl. 107 bis 111.

3

Am 4. 7. war in einem Kommuniqué in Paris mitgeteilt worden, daß sich die Amerikaner und Franzosen grundsätzlich über das Hoover-Moratorium geeinigt hätten, wobei sich die amerik. Reg. mit der Aufrechterhaltung der Entrichtung der ungeschützten Annuität des Youngplans durch Dtld einverstanden erklärt habe. Der Text des Kommuniqués war dem AA durch Botschafter v. Hoesch im Telegramm Nr. 712 vom 4.7.31 mitgeteilt worden (R 43 I /313 , Bl. 141–143; vgl. FRUS 1931 I, S. 135 ). Vgl. auch das amerik. Memorandum vom 4.7.31, veröffentlicht von WTB Nr. 1412 vom 5.7.31 (R 43 I /313 , Bl. 149–150), abgedruckt in FRUS 1931 I, S. 133 ; dt. in Schultheß 1931, S. 498.

Der Herr Reichskanzler erwiderte dem Botschafter, er sei, trotz den bekannten innerpolitischen Bedenken, und sehr wesentlicher außenpolitischer Bedenken – weil nämlich diese Erklärung die Franzosen zu weiteren politischen Forderungen bei den unausbleiblichen Schlußverhandlungen über technische Details ermutigen werde – zur Veröffentlichung seiner ursprünglichen Erklärung bereit. Eine öffentliche Erklärung über den Panzerkreuzer C könne er dagegen nicht abgeben. Jedoch wiederhole er feierlich und zur Weitergabe an Präsident Hoover seine Versicherung, daß der Panzerkreuzer C während des Feierjahres nicht in Bau genommen werden würde. Der Herr Reichskanzler regte seinerseits an, ob es nicht zweckmäßiger sei, daß Präsident Hoover die Erklärung vom 2. Juli als vom Herrn Reichskanzler erhalten seinerseits veröffentliche. Dieser Weg würde der Angelegenheit eine größere Bedeutung geben als die Veröffentlichung in der Presse von hier aus, und würde auch in anderer Hinsicht – z. B. Datum des ursprünglichen Empfangstages statt des heutigen Datums – günstiger wirken. Der Herr Reichskanzler wies ferner darauf hin, daß dieser deutsche Verzicht unsere Stellung auf der Abrüstungskonferenz schwächen müsse, an der uns als einzigem moralisches Aktivum des Versailler Vertrages ganz besonders viel gelegen sei.

Der Botschafter versprach den Vorschlag der Veröffentlichung der Erklärung durch das Weiße Haus telefonisch nach Washington zu übermitteln und uns noch heute abend Bescheid zukommen zu lassen. Was die Abrüstung anlange, so könnten wir versichert sein, daß sie dem Präsidenten Hoover ganz besonders am Herzen liege, und daß er uns hierbei nicht im Stiche lassen werde. Der Besuch des Staatssekretärs Stimson werde Gelegenheit bieten, diese Frage zu besprechen.

Der Herr Reichskanzler erläuterte noch einmal die Gefahr, daß diese politische Konzession an Hoover, den bereits vorhandenen Appetit der Franzosen, ebenfalls politische Forderungen zu stellen, reizen müsse, was mit dem ursprünglich rein wirtschaftlichen Charakter des Hoover-Planes unvereinbar sei.

Der Botschafter wollte nicht zugeben, daß Präsident Hoover an Deutschland eine politische Forderung stelle. Er fasse die Erklärung des Herrn Reichskanzlers[1291] als eine freiwillige Geste auf. Im übrigen habe Amerika in der ganzen Zeit der Verhandlungen keine politischen Forderungen zugelassen, wie auch seine eigenen Instruktionen bestätigten.

An der Hand unserer Nachrichten über den Stand der Pariser Verhandlungen legte der Herr Reichskanzler dem Botschafter dar, daß jetzt beide Parteien ihr letztes Wort gesprochen hätten. Es sei daher wenig wahrscheinlich, daß die Franzosen auf die deutsche Erklärung eine solche Konzession machten, die Präsident Hoover die Annahme der französischen Vorschläge ermöglichen würde.

Der Botschafter verwies auf den Wortlaut der aus Washington erhaltenen Instruktion, die den Erfolg als sehr wahrscheinlich hinstelle.

Der Herr Reichskanzler erklärte darauf, Präsident Hoover übernehme eine schwere Verantwortung.

Der Botschafter versicherte demgegenüber, daß wir uns auf Amerika verlassen und, wenn der erwartete Erfolg ausbleibe, auf den starken Arm Hoovers stützen könnten.

Es wurde noch vereinbart, daß der Herr Reichskanzler dem Botschafter seine Erklärung vom 2. Juli brieflich bestätigen werde4.

4

Die Durchschrift des Schreibens Brünings an Sackett mit der Erklärung vom 2. 7. befindet sich in R 43 I /312 , Bl. 137–138. Vgl. auch Dok. Nr. 364, P. 1.

8 Uhr 15 abends rief mich der Botschafter Sackett an und sagte, er habe (unmittelbar nach Empfang des Bestätigungsschreibens des Herrn Reichskanzlers) mit Washington gesprochen. Seine Regierung nehme den Vorschlag des Herrn Reichskanzlers an und werde die Erklärung selbst veröffentlichen. Er habe die Besorgnisse des Herrn Reichskanzlers über den wenig aussichtsreichen Stand der Dinge übermittelt, und die Antwort erhalten, die Amerikanische Regierung werde jetzt auf Abschluß drängen (go ahead) und habe sichere Aussicht auf weitere Konzessionen der Franzosen.

Ich stellte gegenüber dem Botschafter fest, daß nunmehr eine Veröffentlichung der Erklärung des Herrn Reichskanzlers unsererseits nicht zu erfolgen habe.

Der WTB-Bericht aus Washington vom 5. Juli über „Die neue amerikanische Note an die Französische Regierung“5 lag mir bei diesem Telefongespräch noch nicht vor, so daß ich den Botschafter nicht auf die Widersprüche zwischen seinen Angaben und dieser Verlautbarung hinweisen konnte.

5

Es handelt sich um die in Anm. 3 genannte WTB-Meldung Nr. 1412.

Bülow

Extras (Fußzeile):