2.31.3 (feh1p): 3. Frage der Amnestie.

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3. Frage der Amnestie6.

6

Die P. 3–5 des Protokolls waren handschr. abgefaßt.

Der Reichsminister der Justiz berichtete über die Fälle von Strafsachen7, die infolge des Kapp-Putsches und des Aufstandes im Ruhrgebiet die Gerichte[81] und Staatsanwaltschaften beschäftigten; es sei unmöglich, die Fälle in absehbarer Zeit zum Abschluß zu bringen8. Unter diesen Umständen bleibe nur eine Amnestie übrig, die man damit rechtfertigen könne, daß die begangenen Handlungen noch als Nachwirkungen der Revolution anzusehen seien. Was den Umfang der Amnestie angehe, so sei es politisch nicht zuträglich, die Rädelsführer zu amnestieren; andererseits könne sie auch nicht auf diejenigen erstreckt werden, welche den Aufruhr benutzt hätten, um aus egoistischen Gründen zu plündern und zu rauben. Mit dieser Beschränkung könne man vielleicht über den Antrag Müller (Franken) auf Ausdehnung der Amnestie in Verfolg des Bielefelder Abkommens auf ganz Deutschland verhandeln9. Eine Schwierigkeit bestünde insofern, als Bayern10 und Preußen sich im Reichsrat voraussichtlich gegen die Amnestie sträuben werden. Die Angelegenheit müsse daher gegebenenfalls so gemacht werden, daß ein von den Parteien einzubringender entsprechender Initiativantrag vom Reichstag angenommen werde, dem der Reichsrat dann die Zustimmung kaum versagen würde.

7

Die Frage der Amnestie für Straftaten im Zuge hochverräterischer Unternehmungen war bereits in der Kabinettssitzung vom 5. 7. behandelt worden (Dok. Nr. 13, P. 3). Damals hatte das Kabinett beschlossen, sowohl gegenüber Anhängern als auch gegenüber Gegnern hochverräterischer Unternehmungen eine Amnestie für alle Straftaten zu erlassen; gemeine Verbrechen und die Rädelsführer sollten von der Amnestie jedoch ausgenommen werden. RJM Heinze war vom Kabinett beauftragt worden, mit den Parteien, besonders mit der Sozialdemokratie, Verhandlungen in diesem Sinne aufzunehmen.

8

In der RT-Sitzung vom 2. 8. gab der Abg. Herzfeld (USPD) die Zahl der bis Juni 1920 allein im Ruhrgebiet anhängig gewordenen Verfahren mit 5755 an. Er berief sich dabei auf eine Mitteilung der RReg. (RT-Bd. 344, S. 525 ).

9

Zum Bielefelder Abkommen s. den Band „Das Kabinett Müller I“ dieser Edition. Dok. Nr. 2, Anm. 3. Daran anknüpfend hatte die RT-Fraktion der SPD am 23. 6. im RT einen Antrag eingebracht, in dem die RReg. aufgefordert wurde, ein allgemeines Amnestiegesetz vorzulegen, durch das Straffreiheit entsprechend dem Bielefelder Abkommen gewährt werden sollte (RT-Drucks. Nr. 6, Bd. 363 ).

10

Schon früher hatte der Bayer. LT eine allgemeine Amnestie für hochverräterische Unternehmungen abgelehnt. Insbesondere wollte der Bayer. LT die Hochverratsfälle von der Amnestie ausnehmen, die sich im Zuge der Rätebewegung der Jahre 1918/19 gegen Bayern gerichtet hatten (RT-Bd. 344, S. 522 , 530 , 532, 535).

Das Kabinett stimmte dem Vorschlag des Reichsministers der Justiz zu, entsprechende Verhandlungen seinerseits mit den Parteien zu führen11.

11

Am 31.7.1920 brachten die Regierungsparteien im RT den „Entw. eines Gesetzes über die Gewährung von Straffreiheit“ ein (RT-Drucks. Nr. 317, Bd. 363 ). Wie RJM Heinze am 2. 8. im RT erklärte, hatte die RReg. maßgeblich an der Formulierung des von den Koalitionsparteien eingebrachten GesEntw. mitgewirkt (RT-Bd. 344, S. 532  u. 533). Auf die Haltung Bayerns zur Amnestiefrage war insofern Rücksicht genommen worden, als diese Amnestie nur für Straftaten bei hochverräterischen Unternehmungen gegen das Reich gewährt werden sollte. Hochverräterische Unternehmungen gegen die Länder waren von der Amnestie ausgenommen (§ 1 Abs. 1 und 2 des GesEntw.; RT-Bd. 344, S. 522 , 529 , 530, 532, 533, 535, 541, 542).

Zu dem „Gesetz über die Gewährung von Straffreiheit“ s. RGBl. 1920, S. 1487  f.

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