2.52.1 (lut1p): Reichsministerium für die besetzten Gebiete.

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Reichsministerium für die besetzten Gebiete.

Einleitend begründeten der Reichskanzler und der Reichsminister des Auswärtigen die Gründe, die im gegenwärtigen Zeitpunkt gegen eine alsbaldige Besetzung des Rheinministeriums mit einem besonderen Minister sprechen1.

1

S. die Ausführungen des RK bei seiner Besprechung mit Reichstagsabgeordneten des bes. Gebiets am 11. 3. (Dok. Nr. 45).

Der Reichskanzler erbat die Stellungnahme der Fraktionen.

[198] Der Abgeordnete Wallraf erklärte, daß seine Fraktion Beschlüsse noch nicht gefaßt habe; bei der Beschlußfassung würden die Gründe, namentlich außenpolitischer Art, gewürdigt werden. Er persönlich teile sie nicht, sondern halte gerade im gegenwärtigen Zeitpunkt die Besetzung des Ministeriums für erwünscht, da dadurch im Auslande der Eindruck erweckt werde, daß die Reichsregierung gerade im gegenwärtigen Zeitpunkt entschlossen sei, die Interessen des Rheinlandes mit größerem Nachdruck als bisher wahrzunehmen.

Der Abgeordnete v. Guérard teilte mit, daß seine Fraktion sich mit der Frage eingehend beschäftigt und einstimmig den Beschluß gefaßt habe, das Ministerium alsbald neu zu besetzen. Die Fraktion würde die Gründe des Reichsministers des Auswärtigen für den Fall anerkennen können, daß es sich um eine Neuschaffung des Ministeriums überhaupt handele. Im gegenwärtigen Zeitpunkt sei es notwendig, daß das Rheinministerium nicht nur neu besetzt, sondern auch finanziell so gestellt würde, daß seine Tätigkeit sich im besetzten Gebiet erfolgreich, mehr als bisher, auswirken könne. Die sofortige Besetzung sei um so notwendiger, weil die etwaige Räumung der 1. Zone2 anderen Gebieten neue und stärkere Lasten auferlegen würde, deren Milderung Sache eines im Hauptamt tätigen Ministers sein müsse.

2

Die Räumung der 1. (Kölner) Zone erfolgt Ende Januar 1926.

Der Abgeordnete Bayersdörfer erklärte, daß seine Fraktion zwar noch nicht Stellung genommen habe, da der Reichskanzler mit den Fraktionen noch habe persönlich sprechen wollen. Bisher habe man die Führung der Geschäfte des Rheinministeriums durch einen anderen Fachminister3 in der Pfalz geradezu als Provokation aufgefaßt. Auch die Franzosen hätten ein Ministerium für die befreiten Gebiete und würden daher aus einer ordnungsmäßigen Besetzung Bedenken nicht herleiten können. Durch die ordnungsmäßige Besetzung des Ministeriums müsse nach außen zum Ausdruck gebracht werden, daß die besetzten Gebiete mit dem Reich untrennbar verbunden seien.

3

Vgl. Anm. 3 zu Dok. Nr. 45.

Der Abgeordnete Zapf sieht in der von den anderen Fraktionen gewünschten Neubesetzung nur eine Personalveränderung, die außenpolitisch ohne wesentliche Wirkungen sein werde. Die Minister, die das Amt des Rheinministeriums bisher nebenamtlich verwaltet hätten, hätten sich wegen der großen Aufgaben ihrer Ressorts der Sonderaufgaben des Rheinlandes nicht mit dem nötigen Nachdruck annehmen können; daher müsse die Personalunion bald beseitigt werden. Den Wünschen des Außenministers würde dadurch Rechnung getragen werden können, daß die Besetzung nicht sofort, sondern erst in einiger Zeit vorgenommen werde. Die Fraktion sei sich noch nicht schlüssig geworden, würde aber im Grundsatz sich auf den Standpunkt stellen, daß die Besetzung notwendig sei, wenn auch nicht sofort.

Abgeordneter Jörissen teilte mit, daß auch seine Fraktion sich noch nicht endgültig geäußert habe. Sie wünsche aber, daß der Eindruck im Rheinlande verschwinde, daß eigentlich gar keine Stelle da sei, die sich der Sonderinteressen des Rheinlandes annehmen könne. Ohne baldige Neubesetzung des Ministerpostens[199] habe man den Eindruck, daß das Ministerium und das Rheinland nicht zu ihrem Rechte kämen.

Der Reichsminister des Auswärtigen hob erneut hervor, daß er nicht grundsätzlich Gegner der Ernennung eines besonderen Ministers für das Rheinministerium sei. Die Verhandlungen mit Frankreich und England ständen aber jetzt gerade auf einem gewissen Höhepunkt4. In die jetzt akuten Auseinandersetzungen würde die sofortige Neubesetzung sehr störend eingreifen. Wenn die Besetzung einmal komme, dann müßten für sie besondere Gründe angegeben werden können. Diese Gründe würden wohl darin gefunden werden können, daß nach der demnächstigen Räumung der 1. Zone neue große Fragen zu regeln seien, die die Schaffung eines hauptamtlichen Ministers notwendig machten. Zur Zeit seien aber derartige dringende Gründe nicht vorhanden.

4

Gemeint sind die Verhandlungen über den Abschluß eines Sicherheitspakts. S. Dok. Nr. 49 und 50.

In der anschließenden Debatte hielten die Abgeordneten im wesentlichen an ihren bisherigen Ausführungen fest, neigten aber zum Teil der Meinung zu, daß, sofern eine baldige Besetzung überhaupt in Aussicht genommen und zugesagt werde, die Fraktionen sich damit abfinden würden, wenn die Besetzung nicht sofort vorgenommen werde.

Der Abgeordnete Wallraf regte an, statt des Rheinministeriums ein Ministerium für die besetzten Gebiete überhaupt, d. h. einschließlich der abgetretenen Nord- und Ostmark zu schaffen. Er kündigte in dieser Hinsicht weitere Anträge an.

Der Reichskanzler bat die Fraktionen, die sich mit der Sache noch nicht endgültig befaßt hätten, dies möglichst bald nachzuholen5.

5

Über weitere Stellungnahmen der Parteien in den Akten nichts ermittelt. In der RT-Debatte über den Haushalt des RMinbesGeb. am 8. 7. wird diese Frage von Rednern der DNVP (v. Dryander) und des Zentrums (v. Guérard und Esser) nicht berührt, dagegen erklärt der Abg. Kalle (DVP) die Ernennung eines hauptamtlichen RMbesGeb. als dringend notwendig (RT-Bd. 386, S. 2550  ff.). Zur weiteren Kabinettsberatung s. Dok. Nr. 299, P. 3.

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