2.5.2 (mu21p): 2) Amnestie.

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2) Amnestie.

Der Reichsminister der Justiz ging zunächst auf den Entwurf des Strafgesetzbuchs ein und führte aus, daß hier eine nochmalige Überweisung an den Strafrechtsausschuß erstrebt werden müsse1.

1

Vgl. Dok. Nr. 33, P. 5.

Sodann ging er zur Frage der Amnestie über und wies darauf hin, daß diese Frage sowohl nach dem Gesichtspunkt der Zuständigkeit als auch – und zwar noch mehr – nach dem Gesichtspunkt des Inhalts der Amnestie[12] schwierig sei2. Wenn die Fememörder in die Amnestie einbezogen werden sollten, dann müßten auch die kommunistischen Mordtaten amnestiert werden. Die VSPD und die DDP seien überhaupt nicht für eine Amnestie der Morde. Es komme hier immerhin noch eine Begnadigung im Einzelfall in Betracht. Nun existiere seit dem Jahre 1922 der Begnadigungsausschuß des Reichstags, dem u. a. die früheren Reichstagsabgeordneten Heile und Frau Mende angehörten. Dieser Ausschuß wolle wegen des Kommunisten Hölz zusammentreten3.

2

Aus Anlaß des 80. Geburtstags des RPräs. v. Hindenburg waren 1927 71 Personen begnadigt worden u. a. Major Buchrucker (Beteiligung am Küstriner Putsch) und auf Bitte Scheidemanns die beiden Blausäureattentäter; außerdem waren mehrere Kommunisten, die wegen Waffenbesitz und ähnlicher Delikte verurteilt worden waren, amnestiert worden. Die Länder hatten sich bei einer Besprechung am 3.9.27 in der Amnestiefrage zurückhaltend geäußert. – Im Dezember 27 setzte sich der Stahlhelm in einem Schreiben an den RPräs., die RReg., den RT, den pr. LT und die Parteien für eine Amnestie der Fememörder ein (R 43 I /1243 , S. 145-147). – Ende März 28 hatten KPD und DNVP im Rechtsausschuß, für alle politischen Täter einschließlich der Fememörder eine Amnestie durchzubringen versucht. Die SPD hatte dagegen Amnestie für alle politischen Taten außer vollendetem oder versuchtem Mord, Totschlag und Teilnahme an diesen Taten beantragt. Eine Einigung der Parteien war nicht zustande gekommen. Am 13.6.28 hatten die KPD, die DNVP und die NSDAP neue GesEntw. auf Straffreiheit im RT eingebracht (RT-Drucks. Nr. 6 , 8 und 9, Bd. 430).

3

Max Hölz war wegen eines angeblich während seiner kommunistischen Aufstandsbewegung im Mansfeldischen (1920/21) verübten Mordes zu lebenslänglicher Zuchthausstrafe verurteilt worden. Vgl. dazu die Erinnerungen von M. Hölz: „Vom ‚Weißen Kreuz‘ zur Roten Fahne“, Berlin 1929.

Sein Standpunkt gehe dahin, daß vor der Amnestie eine Einzelbegnadigung nicht in Frage kommen könne. Auch eine Haftentlassung von Hölz, die angeblich von dem erwähnten Ausschuß zunächst angestrebt werde, müsse nach seiner Auffassung abgelehnt werden.

Im übrigen sei darauf hinzuweisen, daß nur noch ein Fememordprozeß ausstehe. Alle übrigen Fememordprozesse seien beendet4.

4

Am 5.5.28 war in Stettin in einem Fememordprozeß Heines zu 15 Jahren Zuchthaus verurteilt worden; 1929 wurde er zu einer Gefängnisstrafe begnadigt. Im September 1928 fand ein Prozeß gegen den Oberleutnant Reim vor dem Landgericht Berlin III statt. Zum Fememordprozeß Eckermann s. Dok. Nr. 201, P. 3.

Der Reichswirtschaftsminister erklärte, für ihn sei es besonders aus außenpolitischen Gründen sehr wertvoll zu hören, daß nur noch ein Fememordprozeß ausstehe.

Der Reichswehrminister erklärte es für wünschenswert, daß alle politischen Delikte der Nachkriegsjahre bis zum Jahre 1924 einschließlich unter die Anmestie fielen.

Der Reichsverkehrsminister wies darauf hin, daß die Erzbergermörder selbstverständlich von der Amnestie ausgeschlossen bleiben müßten. Zu klären sei im übrigen auch noch die Frage, ob die Reichsamnestie auf die Länder erstreckt werden könne. Nach seiner Kenntnis sei Bayern nur grundsätzlich bereit, von sich aus eine ähnliche Amnestie vorzunehmen wie das Reich.

Es bestand schließlich Übereinstimmung darüber, daß der Reichsminister der Justiz wegen des Umfangs der Amnestie unverzüglich mit den Parteien[13] des Reichstags verhandeln und eine möglichst weitgehende Einigung erzielen solle5.

5

Über diese Verhandlungen teilte der RJM dem PrMinPräs. am 5. 7. mit, daß eine gemeinsame Basis für die Amnestierung politischer Vergehen gefunden worden sei. Bei Mord solle anstelle der Zuchthauseine verkürzte Gefängnisstrafe treten (R 43 I /1243 , S. 221-225). Ansicht der Regierungsparteien war, daß die Erzbergermörder unter die Amnestie ebensowenig fallen sollten wie Landesverrat aus Eigennutz (Vermerk Wiensteins v. 6. 7.; R 43 I /1243 , S. 219 f.). Zur Frage der Reichs- oder Länderzuständigkeit berichtete der RJM am 5. 7., daß sogar die Föderalisten im RT der Meinung seien, die Amnestie habe vom Reich auszugehen. Er selbst wolle sein Amt als RJM nicht schon zu Anfang mit einer solchen Streitfrage belasten; daher lehne er eine verfassungsändernde Gesetzesvorlage ab, um die Länder nicht zu majorisieren. Er habe bei den Parteien erreicht, daß die Frage der Zuständigkeit offenbleibe, und den Auftrag erhalten, sich an die Länder wegen ihrer Stellung zur Reichsamnestie zu wenden. – Über die Verhandlungen mit Parteien und Ländern teilte der RJM – einige Tage später – in der Kabinettssitzung vom 9. 7. unter P. 5 mit, daß die hinter der RReg. stehenden Parteien sich über die Amnestie einig seien, während sich die Länder dazu uneinheitlich geäußert hätten. Das Gesetz müsse nun doch verfassungsändernd sein. „Der RR könne die Amnestie nach seiner Überzeugung nicht scheitern lassen.“ StS Weismann erklärte, daß MinPräs. Braun vor einer in die Länderkompetenzen eingreifende Reichsamnestie warne. Das RKab. einigte sich dahin, daß ein verfassungsänderndes Gesetz erlassen werden solle. Unter dieses Gesetz sollten auch Militärdelikte, aber keine Disziplinarstrafen und -verfahren fallen. Ein solches Gesetz wurde vom RT am 13. 7. angenommen (RT-Bd. 423, S. 249 ). Die Veröffentlichung erfolgte im RGBl. 1928 I, S. 195  f. – Ein Jahr später bat der Stahlhelm in München um Begnadigung der Fememörder (Bericht des Vertreters der RReg. München v. 3.6.29; R 43 I /2255 , Bl. 7). Auch der Deutsche Offiziersbund setzte sich beim RPräs. für die Begnadigung der Fememörder ein (12.6.29; R 43 I /811 , Bl. 38-42). Der RJM lehnte am 28. 10. und 9.11.29 eine ebenfalls dahinzielende Eingabe des Rechtsanwalts Prof. Dr. Grimm vom 12.10.29 ab (R 43 I /1243 , S. 259-281, 291-297, 303 f.).

In bezug auf den Fall Hölz bestand Übereinstimmung darüber, daß eine Haftentlassung und eine Sonderbegnadigung z. Z. nicht in Frage komme6.

6

Max Hölz wurde am 14.7.28 auf freien Fuß gesetzt, s. Egelhaaf 1928, S. 132, vgl. auch Hölz, „Vom ‚Weißen Kreuz‘ zur Roten Fahne“.

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