2.100.1 (str1p): [Politische Lage.]

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Die Kabinette Stresemann I und II. Band 1Gustav Stresemann und Werner Freiherr von Rheinhaben Bild 102-00171Bild 146-1972-062-11Reichsexekution gegen Sachsen. Bild 102-00189Odeonsplatz in München am 9.11.1923 Bild 119-1426

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[Politische Lage.]

Scholz: Formulierte Bedingung betr. Arbeitszeit. Personaländerung Reichsfinanz. Ebenso Wirtschaft2.

2

Hierzu teilte Scholz der DAZ (veröffentlicht in Nr. 455 v. 3.10.23) mit: „Bei der Besprechung der Parteiführer wurde von mir die Frage zur Erörterung gestellt, ob es in Anbetracht der heutigen höchsten Not des Vaterlandes nicht angezeigt erscheine, die Regierung auf breiteste Basis zu stellen und in ihr all diejenigen Parteien zu vereinigen, die auf dem Boden der staatlichen und finanziellen Ordnung stehen. In der Frage, der Reichsregierung eine weitgehende Ermächtigung zur Durchführung notwendiger Gesetze auf finanziellem, wirtschaftlichem und sozialem Gebiet zu erteilen, habe ich den Standpunkt vertreten, daß meine Fraktion voraussichtlich die Zustimmung von der anderweitigen Besetzung des einen oder anderen Ressorts abhängig machen müsse. Endlich habe ich betont, daß die alte Forderung der Deutschen Volkspartei nach Steigerung der Arbeitsintensität zwecks Erhöhung der Produktion, die in gegenwärtiger Zeit besondere Bedeutung gewinnt, weiterbestehe und daß man letzten Endes auch nicht von einer Verlängerung der Arbeitszeit in dazu geeigneten Betrieben zurückschrecken dürfe. Alle diese Fragen wurden von mir erörtert; von ultimativen Forderungen, insbesondere dem Reichskanzler gegenüber, kann nicht die Rede sein.“ In einem Rundschreiben an die Generalsekretäre der DVP wurde ausgeführt, am Nachmittag des 2.10.23 habe „die DVP in Gegenwart des Kanzlers eine Reihe wirtschaftlicher Forderungen aufgestellt und präzisiert, die der Öffentlichkeit […] bekannt sind“ (zwischen 3. u. 6.10.23; NL Stresemann  87).

Koch: Ohne Bedingung zustimmend.

[445] Marx: Für Ermächtigungsgesetz. Arbeitszeit schärfer formulieren als Stresemann, volksparteiliche Form zu scharf.

Müller: Falsch Arbeitszeit aufzurollen. Für Aufhebung bayerischer Verordnung. Ermächtigung nur für Finanz und Währung, nicht für Sozialpolitik und Arbeitszeit3.

3

In der DAZ (s. o. Anm. 2) wird mitgeteilt, die Sozialdemokraten hätten den DVP-Beschlüssen hinzugefügt, „daß sie in der Frage des bayerischen Ausnahmezustandes den von den Kommunisten gestellten Antrag auf Aufhebung im Plenum des Reichstags unterstützen würden. Darauf erklärte Reichskanzler Dr. Stresemann den Parteiführern, daß er durch ihre Darlegungen vor eine neue Situation gestellt sei und das Kabinett befragen müsse, damit es seine Entscheidung treffe.“ Vor der Fraktion des Zentrums legte am 3.10.23 deren Vorsitzender Marx als Differenzpunkte dar: „1.) die bayerische Frage (Sozialdemokraten verlangten eventuell Vorgehen des Reiches gegen Bayern wegen des Vorgreifens in der Frage des Ausnahmezustandes und des bayerischen Verhaltens überhaupt). 2.) ob das Ermächtigungsgesetz, welches die Regierung Stresemann vom Reichstag verlangen würde sich neben Finanzpolitik auch auf Wirtschaftspolitik erstrecken soll (die Sozialdemokratie hat verlangt, daß es sich nur auf Finanzpolitik, nicht aber auf Wirtschaftspolitik erstrecken solle, wodurch alsdann die brennende Frage des Achtstundentages, der Demobilmachungsverordnungen etc. nicht davon erfaßt worden wäre). 3.) die Frage des Achtstundentages“ (BA: NL ten Hompel  15).

Stresemann: Auseinanderhalten, besonders in bayerischer Frage. Es wird gesagt, Kahr sei Ministerpräsident. Kann Verschärfung oder Erleichterung sein. Auch Beschränkung auf Wirtschaft und Finanz kaum möglich.

Müller: Bay. Frage wird vor Abstimmung schon soweit gediehen sein, daß andere Lage.

Scholz: Gegensätze schwer zu überbrücken. Wegen Arbeitszeit zu Formel mit Zentrum bereit. Will Reichskanzler reden?

Stresemann: Jetzt unmöglich. Ich will nicht betonen, daß wir bay. Verordnung aufheben wollen. Sanitärer Maximalarbeitstag bedeutet nach Brauns Aufhebung Achtstundentag.

Brauns: Ich habe Achtstundentag (sanitär) für Bergbau, Eisenindustrie aufrechterhalten wollen4. Forderung Volkspartei geht weiter.

4

Vgl. hierzu Anm. 9 zu Dok. Nr. 102.

Scholz: legen uns auf Formulierung nicht fest. Wollen Regg. nur Möglichkeit geben.

Koch: Reg. steht zwischen zwei Feuern. Reg. muß vor Parlament treten.

Petersen: Ebenso. Verantwortlichkeit klarstellen. Souveränität Reich muß durchgesetzt werden auch gegen Bayern. Aber jetzt nicht Annahme kommunist. Antrages5. Kahr an Stelle von Knilling formell Erleichterung, sachlich Erschwerung6.

5

Gemeint ist die RT-Drucks. Nr. 6196  betreffend Aufhebung des vom bayerischen Gesamtministerium unter dem 26.9.23 angeordneten Ausnahmezustandes.

6

v. Knilling blieb bis 1924 Ministerpräsident Bayerns.

Stresemann: Vorschlag Koch vor Parlament zu treten unmöglich. Können Dinge nicht schleppen lassen. Plenum jetzt unmöglich7.

7

Seiner Fraktion berichtete der sozdem. Abg. Hermann Müller abends 20.30 Uhr: „Beim Kanzler: Starke Divergenzen. – In Arb.zeit: wir nicht über die Wirtsch. Note v. XI. 22 [s. Anm. 9 zu Dok. Nr. 102] hinaus. D.-V.: will Friedensarbeitszeit in wichtigen Produktionszweigen. Ztr.: will gesundheitlichen Maximalarbeitstag. Ztr. u. Dem.: haben allgemein den Redeinhalt Stresemanns gebilligt. – D.-V.: Rücktritt Hilferdings (nicht ultimative Forderung, sondern nur Wunsch!) Dem. verlangten, Str. solle heute noch reden u. Vertrauensfrage stellen. – Situation sehr ernst! – Stresem. ging zum Präsidenten! 9½ Uhr Kabinettssitzung [s. Dok. Nr. 102]“ (Arch. soz.Dem.: NL Giebel , Kass. II, Mappe III, Bl. 249).

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