1.101.1 (lut2p): Fememordprozesse.

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Fememordprozesse.

Der Reichswehrminister trug seine innen- und außenpolitischen Bedenken gegen eine öffentliche Verhandlung der demnächst beginnenden Fememordprozesse1 vor. Er führte aus, daß er auf dem Gebiet der inneren Politik keine ernsteren Schwierigkeiten fürchte, wohl aber glaube er, daß aus gewissen Verbindungen, die von dem Treiben der Feme zu den früheren Organisationen in Oberschlesien und im Ruhrgebiet führten, dem Reiche im Auslande ernste Nachteile erwachsen könnten2.

1

Ein derartiger Prozeß soll nach Pressemeldungen am 1. 2. vor dem Schwurgericht des Landgerichts III in Berlin-Moabit gegen „Schirmann und Genossen“ eröffnet werden. Die Berliner Kriminalpolizei habe ermittelt, daß im Jahre 1923 auf dem Truppenübungsplatz Döberitz ein Schütze Pannier auf Befehl von Führern der sogen. „Schwarzen Formation“ hinterrücks mit Eisenstangen erschlagen und in einem Birkenwäldchen verscharrt wurde. Die Anklage nehme an, daß in der „Schwarzen Reichswehr“ eine besondere Femeorganisation unter Führung des in ähnlichen Fällen mehrfach genannten Oberleutnant Schulz (vgl. Anm. 3 zu Dok. Nr. 276) bestanden habe. An der Ausführung der Mordtat sei in erster Linie ein Feldwebel Klapproth beteiligt gewesen. Außer dem Fall Pannier würden den 14 Angeklagten noch zahlreiche weitere Fememorde zur Last gelegt (s. „Tägliche Rundschau“ vom 30. 1.). Vgl. auch Anm. 4 zu Dok. Nr. 276.

2

Bei den RT-Beratungen über die Einsetzung eines Ausschusses zur Untersuchung der Femeorganisation und Fememorde (SPD-Antrag vom 3.12.25, RT-Drucks. Nr. 1625, Bd. 405 ) waren am 23. 1. schwere Vorwürfe gegen die Reichswehrführung erhoben worden. Der Abg. Saenger (SPD) hatte u. a. erklärt: Die Zustände in der Reichswehr seien „nicht bedeutungslos für die Entwicklung der Verhältnisse“ gewesen. Die Politik des RWeM „enthält die Gefahr, daß in den militärischen und militaristischen Kreisen die Anschauung durchdringt, daß die Republik ein Feind der nationalen Wiedergeburt sei“ (RT-Bd. 388, S. 5120  f.).

Der Reichsminister des Auswärtigen schloß sich den Bedenken des Reichswehrministers an.

Der Reichswehrminister teilte mit, daß bei dem Gericht, das den ersten Fememord zu verhandeln habe, seiner Information nach eine gewisse Neigung[1058] für Ausschluß der Öffentlichkeit bestehe. Der Verteidiger werde auch den Ausschluß beantragen; ungewiß sei die Haltung des Staatsanwalts. Auf sie werde die Haltung der Preußischen Regierung naturgemäß von Einfluß sein. Er schlage daher vor, daß von seiten der Reichsregierung, am besten vom Herrn Reichsminister des Auswärtigen, unter Betonung der Gefährdung außenpolitischer Belange des Reichs an die Preußische Regierung herangetreten werde, um eine Stellungnahme für Ausschluß der Öffentlichkeit zu erlangen. Er empfehle, sich an Staatssekretär Weismann zu wenden.

Der Reichskanzler stellte fest, daß der Reichsminister des Auswärtigen in Verfolg dieser Besprechung ermächtigt sei, namens der Reichsregierung mit Staatssekretär Weismann in dem vom Reichswehrminister gewünschten Sinne zu verhandeln mit dem Ziel, zu erreichen, daß der Staatsanwalt sich entweder für Ausschluß der Öffentlichkeit aussprechen oder neutral verhalten solle.

Der Reichsminister des Auswärtigen sagte zu, in diesem Sinne zu verfahren3.

3

Die Angelegenheit wird am 29. 1. in einer Besprechung zwischen Vertretern des AA und des PrJMin. kurz erörtert. Kempner vermerkt hierzu unter dem gleichen Datum: Von pr. Seite sei mitgeteilt worden, daß der PrMinPräs., der PrIM und der PrJM sich nachdrücklich für die öffentliche Verhandlung ausgesprochen hätten. Daraufhin sei vereinbart worden, daß zu dieser Frage am 30. 1. eine Besprechung zwischen den beteiligten Reichs- und pr. Ressorts unter Vorsitz des RK stattfinden solle (R 43 I /2732 , Bl. 83). S. dazu Dok. Nr. 276.

Die Sitzung wurde hierauf geschlossen.

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