2.100.3 (sch1p): 3. [Intervention der neutralen Staaten]

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3. [Intervention der neutralen Staaten]

Es wird mitgeteilt, daß Reichsminister Graf Rantzau sich namens der Delegation gegen den Plan des Kabinetts ausspreche, eine Aktion der Neutralen im Interesse erträglicher Friedensbedingungen herbeizuführen5. Im Laufe der Aussprache ergeben sich Zweifel, ob Reichsminister Graf Rantzau richtig verstanden hat, daß das Kabinett zur Zeit eine solche Aktion nur vorbereiten will und daß diese selbst erst stattfinden soll, wenn die Verhandlungen scheitern. Auch sei es möglich und sogar zu empfehlen, daß die neutralen Staaten nicht ausdrücklich für Deutschland, sondern aus Gründen ihres eigenen Interesses vorstellig würden. Reichsminister Bell übernimmt es, im Auftrage des Kabinetts mit Reichsminister Graf Rantzau die Frage noch einmal eingehend zu besprechen6.

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Siehe Dok. Nr. 91, P. 3. Das Telegramm des RAM an Paxkonferenz vom 30.5.1919 lautete: „Für Botschafter Graf Bernstorff […] Muß wiederholt vor jedem Schritt auf dem vom Kabinett gewünschten Wege dringend warnen. Stärke unserer Gegner uns gegenüber beruht, wie wir seit 3 Wochen empfinden, darin, daß ihre Pläne undurchsichtig sind. Dieser Vorteil wiegt schwerer als Nachteil ihrer widerstreitenden Interessen. Gleichen Vorteil sollten wir, nachdem wir unsere Gegenvorschläge abgegeben haben, für uns auszunutzen [Anm. d. Dechiffrierbüros: Gruppe fehlt], indem wir Gegner darüber im Dunkeln lassen, was wir je nach Ausfall ihrer Antwort zu tun gedenken.

Auch kleinste Bewegung unserer Politik in der vom Kabinett vorgeschlagenen Richtung wäre jetzt schwerer Fehler. Sollte später günstigerer Zeitpunkt kommen, könnte Versuch stets nachgeholt werden; halte das aber für wenig wahrscheinlich. Man überschätzt immer noch Stellung der Neutralen; sie ist jetzt schwächer als unsere. Unsere Finanzdelegierten haben bei hiesigen Verhandlungen erlebt, in wie vollkommener Abhängigkeit Neutrale von Alliierten sind, die sie wie Schuljungen behandeln und ihnen nicht gestatten, mit dt. Kollegen, mit denen sie seit Jahrzehnten befreundet, auch nur zu sprechen. Neutrale haben ohne Murren ihre bedeutenden Forderungen gegen Dtl. zugunsten Alliierter bis 15. 8. einfach prolongieren müssen. Wir haben deshalb auch später auf jedes Ersuchen um Vermittlung glatte Absagen Neutraler zu erwarten. Solche Bitte hätte vielleicht vor Jahr und Tag Zweck gehabt, seit Niederlage würde sie uns nur schwer kompromittieren. Statt, wie Kabinett annimmt, mit Bitte an Tag zu legen, daß wir ablehnen wollen, würden wir aller Welt lediglich Eindruck machen, daß bisherige ablehnende Haltung nur Bluff war. Meine Abreise von hier würde Maske lüften, hinter der ich bleiben will, und zu Kombinationen Anlaß geben, für deren schädigende Wirkung ich Verantwortung nicht übernehmen möchte.

Sollte dort irgendein Schritt geplanter Art ohne meine ausdrückliche Zustimmung unternommen werden, würde ich mein Amt nicht fortführen können. […]“ (PA, Wk 31 geh., Bd. 1).

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UStS v. Langwerth schrieb am 31.5.1919 in einem Privatbrief an den RAM zu diesem TOP: „Du wirst bereits telegrafisch darüber informiert sein, daß der Minister Bell heute nacht nach Versailles fährt, um mit Dir die Idee einer Intervention der Neutralen zu besprechen, in die sich die Mitglieder des Kabinetts verliebt zu haben scheinen. Alle Argumente, die sowohl Bernstorff wie ich dagegen vorbrachten, und die sich selbstverständlich auf dem gleichen Boden wie Deine Telegramme bewegten, verfingen nicht. Von verschiedenen Seiten, namentlich von David, wurde immer wieder behauptet, es könne nur gut wirken, wenn wir eine solche Intervention vorbereiteten, und wenn sie dann bekannt würde, dann sähen die Gegner, daß es uns ernst darum sei, ihre Vorschläge so, wie sie sie uns übergeben, nicht zu unterschreiben. Mein Einwand, daß ich fürchtete, die Gegner würden aus einem solchen Herantreten an die Neutralen weit eher den Schluß ziehen, daß man bei uns über alle Maßen nervös geworden sei und sich an jeden beliebigen Strohhalm zu klammern versuche, nützte auch nichts. […] Außer Dernburg und einem ziemlich schüchternen Versuch Landsbergs, Deine Bedenken zu unterstützen, waren alle mehr oder weniger davon durchdrungen, daß diese Interventionsidee jedenfalls einen großen moralischen Erfolg haben und uns vor den Völkern der Welt nützen müsse. Auch dürfte wohl die innerpolitische Erwägung dabei eine erhebliche Rolle spielen, daß man Wert darauf lege, vor seiner Partei und der NatVers dartun zu können, daß kein Mittel unversucht geblieben sei. […]“ (PA, Nachl. Brockdorff-Rantzau , Az. 19). Zu den Erörterungen des RPM Bell mit dem RAM in Versailles wegen der Frage der Intervention der Neutralen s. Dok. Nr. 98.

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