2.120 (feh1p): Nr. 120 Der Reichskanzler an den Gesamtvorstand des Verbandes der Bergarbeiter Deutschlands. 24. November 1920

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Nr. 120
Der Reichskanzler an den Gesamtvorstand des Verbandes der Bergarbeiter Deutschlands. 24. November 1920

R 43 I /2114 , Bl. 246 Entwurf1

1

Auf dem Schreiben findet sich die handschriftliche Notiz MinR Kempners: „Herrn Staatssekretär zur gen. Zeichnung. Mitzeichnung durch den Wirtschafts- und Reichsarbeitsminister scheint erforderlich.“

Auf dem linken Seitenrand des Entw. findet sich die handschriftliche Vorlageverfügung von unbekannter Hand: „Vor dem Abgang dem Herrn Reichswirtschaftsminister zur gefl. Einverständniserklärung“. Darunter, ebenfalls auf dem linken Seitenrand, findet sich eine maschinenschriftliche Notiz, die von RWiM Scholz unterzeichnet war. Sie lautete: „Falls überhaupt Beantwortung erforderlich erscheint, bin ich mit der Fassung grundsätzlich einverstanden, erlaube mir jedoch in Vorschlag zu bringen, in dem vorletzten Satz die Worte ‚unermeßlichen und unheilbaren Schaden‘ in ‚schweren‘ Schaden abzumildern.“ (R 43 I /2114 , Bl. 246; Abkürzungen wurden aufgelöst).

[Betrifft: Sozialisierung des Kohlenbergbaues]

Auf das an mich gerichtete offene Schreiben vom 15. November 1920, betreffend Sozialisierung des Kohlenbergbaues2, erwidere ich ergebenst das Folgende: Der Herr Reichswirtschaftsminister hat in der Sitzung des Reichstages vom 18. November 1920 für die Reichsregierung zur Frage der Sozialisierung des Kohlenbergbaus eine Erklärung abgegeben, deren Inhalt und Wortlaut ich als bekannt voraussetzen darf3. Ich darf im wesentlichen auf diese Erklärung verweisen und mich auf einige ergänzende Bemerkungen beschränken.

2

Siehe dazu Dok. Nr. 112.

3

Mit dieser Erklärung hatte die RReg. die Interpellation Müller-Franken und Genossen über die Vorlegung des GesEntw. über die Sozialisierung des Kohlenbergbaues beantwortet (RT-Drucks. Nr. 816, Bd. 364 ). Die Erklärung der RReg. wurde jedoch nicht am 18. 11., wie in dem Schreiben angegeben, sondern erst am 20. 11. abgegeben. Siehe dazu RT-Bd. 345, S. 1137 .

[308] Wie aus der Erklärung des Herrn Reichswirtschaftsministers ersehen werden kann, ist sich die Reichsregierung bewußt, daß die Frage der Sozialisierung eine der wichtigsten Aufgaben ist, die von ihr der Lösung zuzuführen sein werden. Es ist daher in der Erklärung auch zugesagt, daß die Reichsregierung einen Gesetzentwurf über die gemeinwirtschaftliche Regelung des Kohlenbergbaus mit größtmöglichster Beschleunigung vorlegen wird. Angesichts der Bedeutung der Frage aber ist es unerläßlich, zunächst abzuwarten, ob die schwebenden Beratungen von berufenen Sachverständigen des Reichswirtschafts- und des Reichskohlenrats zu einem Ergebnis führen4, das als geeignete Grundlage für die Entschließungen der Reichsregierung betrachtet werden kann. Der Verband der Bergarbeiter Deutschlands wird sich ebenso klar sein wie die Reichsregierung, daß hier eine Aufgabe gestellt ist, bei der es sich nicht nur um die Lösung einer Einzelfrage, sondern um eine Materie handelt, die an die tiefsten Fundamente unserer Wirtschaft und an die Gesamtstruktur unseres sozialen und politischen Lebens greift, mithin um grundlegende Entscheidungen, die das Wohl und Wehe der Volksgesamtheit aufs tiefste berühren. Angesichts dieser Sachlage und des Umstandes, daß ein gesetzgeberisches Fehlgreifen in dieser Materie schweren Schaden über alle Schichten des deutschen Volkes bringen müßte, kann und darf die Reichsregierung bei ihrem Vorgehen kein Mittel und keinen Weg unbeachtet lassen, die geeignet erscheinen, zu weiterer und tieferer Klärung dieser für unsere Wirtschaft entscheidenden Frage zu führen. Die Reichsregierung hat das feste Vertrauen, daß der gesunde Sinn der deutschen Bergleute sich dieser Notwendigkeit nicht verschließen wird.

4

Der vom RWiR und Reichskohlenrat bestellte Verständigungsausschuß (s. Dok. Nr. 112, Anm. 5) hatte inzwischen seine Gutachten dem Unterausschuß vorgelegt, doch war es auch dort zu keiner Einigung über die Form der Sozialisierung gekommen. So waren die beiden Gutachten am 12. 11. an den Verständigungsausschuß zurückverwiesen worden, der jetzt auf 14 Mitglieder verstärkt wurde. Die Beratungen dieses erweiterten Verständigungsausschusses waren hier gemeint (Hauschild, Der vorläufige Reichswirtschaftsrat 1920–1926, Berlin 1926, S. 247).

[gez. Fehrenbach]

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