2.110.1 (lut1p): [Sicherheitsfrage, Entwaffnungsfrage, Eintritt in den Völkerbund; deutsch-sowjetische Beziehungen]

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[Sicherheitsfrage, Entwaffnungsfrage, Eintritt in den Völkerbund; deutsch-sowjetische Beziehungen]

Der Reichskanzler Zur Erörterung steht die durch die Entwaffnungsnote2 und die französische Sicherheitsnote3 für uns geschaffene außenpolitische Lage. Zur geschäftlichen Behandlung schlage ich vor, über die Entwaffnungsnote zunächst einen Bericht des Staatssekretärs Dr. Kempner und sodann einen Bericht des Herrn Reichsministers des Auswärtigen Dr. Stresemann über die neue Note betreffend Sicherheitspakt und unsere Beziehungen zu Rußland entgegenzunehmen.

2

Zur all. Kollektivnote in der Entwaffungs- und Räumungsfrage s. Anm. 1 zu Dok. Nr. 96.

3

Die frz. Antwortnote auf das dt. Memorandum vom 9.2.25 (s. Anm. 6 zu Dok. Nr. 43) war am 16. 6. von de Margerie in Berlin übergeben worden. Sie ist gedruckt in: Materialien zur Sicherheitsfrage, S. 50 ff.; s. auch: Ursachen und Folgen, Bd. VI, Dok. Nr. 1337. Zum brit.- frz. Notenwechsel über die Schlußredaktion dieser Note s. Materialien zur Sicherheitsfrage, S. 14 ff.

Staatssekretär Dr. Kempner: Der von der Reichsregierung zur Prüfung der Entwaffnungsnote als Reichskommissar eingesetzte Generalmajor von Pawelsz hat im Verein mit der ihm beigegebenen Kommission, bestehend aus Vertretern der beteiligten Ressorts, die Entwaffnungsnote durchgeprüft. Nach dieser Prüfung könne man unterscheiden: durchgeführte Forderungen, durchführbare Forderungen, verhandlungsbedürftige Forderungen mit Aussicht auf Einigung einerseits und verhandlungsbedürftige Forderungen mit zweifelhafter Aussicht, undurchführbare Forderungen und unklare Forderungen andererseits. Die erste[357] Gruppe enthält etwa 70–80% der gegnerischen Forderungen, so daß wir etwa noch bezüglich 20–30% mit den Gegnern im Kampf liegen müssen. Die wichtigsten der umstrittenen Punkte sind folgende: Krupp, Reinsdorf, Oberbefehl, Sächsisches Gußstahlwerk, Bessemer-Werk Spandau, Haselhorst und Ausbildung des Heeres. (Im einzelnen wird Bezug genommen auf den bei unseren Akten befindlichen eingehenden Bericht des Generals v. Pawelsz)4.

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Der Bericht des Generals v. Pawelsz, bestehend aus einer Aufzeichnung über Verlauf und Ergebnis der Kommissionssitzungen (R 43 I /438 , Bl. 127-133) und einer 115 Seiten umfassenden Ausarbeitung (R 43 I /440 , Bl. 26-137), die zu fast allen Einzelforderungen der Entwaffnungsnote Stellungnahmen der Kommission, des RFMin. und des RWeMin. enthält, war am 24. 6. an die Rkei übermittelt worden. Zu den von Kempner genannten umstrittenen Punkten heißt es in der Ausarbeitung:

Krupp: Bei der all. Forderung nach Zerstörung der großen Maschinen in der Essener Werkhalle 10 handele es sich u. a. um Drehbänke zur Ausbohrung von schweren Stahlzylindern, die für die Herstellung von Hochdruckdampfkesseln und für die Verflüssigung von Kohle in Dtld. unentbehrlich seien. Da die Fa. Krupp in dieser Fabrikation ein Monopol besitze, würde eine Zerstörung der gesamten Drehbänke einen lebenswichtigen Teil der Kruppschen Werke lahmlegen und große Teile der dt. chemischen Industrie erheblich beeinträchtigen. Ein durch das AA der IMKK unterbreiteter Vorschlag, einen Teil dieser Maschinen zu zerstreuen, die meisten Drehbänke jedoch in Essen zu belassen, sei von General Walch als erwägenswert bezeichnet worden. Walch habe Ende März 1925 zugesagt, diese Frage in Essen im Beisein von Sachverständigen zu prüfen. Diese Prüfung habe bisher nicht stattgefunden.

Reinsdorf: Der für die Sprengstoffherstellung in Reinsdorf von der IMKK bewilligte Maschinenpark sei zu gering bemessen. Weitere Zerstörungen könnten daher nicht akzeptiert werden. Das habe die IMKK bereits zugegeben, doch getraue sie sich anscheinend nicht, diese Einsicht auch gegenüber dem frz. Kriegsministerium zu vertreten.

Oberbefehl: Das in der all. Note geforderte Zurückgreifen auf die Verfügung vom 20.9.19 (in der Note fälschlich: 25.9.19; die Verfügung ist gedruckt in: Materialien zur Entwaffnungsnote, S. 114 ff.) sei ausgeschlossen, da diese zu einer Zeit erlassen worden sei, in der die Reichswehr noch gar nicht bestanden habe. Eine Abänderung der dem Chef der Heeresleitung gemäß Verfügung vom 11.8.20 (s. Heeres-VOBl. 1920, S. 241) übertragenen Kommandogewalt könne nicht erfolgen. Diese Regelung stimme mit dem von der IMKK 1922 gebilligten Wehrgesetz (s. RGBl. 1921, S. 787 ) vollkommen überein.

Sächsisches Gußstahlwerk: Die auf Friedensproduktion umgestellten Gußstahlwerke in Döhlen-Deuben hätten ihren Maschinenpark seit 1923 weitgehend erneuert. Daher sei die Zerstörungsforderung von außerordentlicher grundsätzlicher Bedeutung. Die Dt. Reg. werde unter allen Umständen an dem Grundsatz festhalten müssen, daß nach den Bestimmungen des VV dt. Fabriken nicht daran gehindert sind, „die zur Herstellung von Friedensprodukten notwendigen Maschinen anzuschaffen, auch wenn Maschinen derselben Art früher […] zerstört worden sind, weil sie während des Krieges zur Herstellung von Kriegsmaterial gedient haben.“

Dt. Werke Spandau: Die Zerstörung des vierten Martinofens (s. dazu auch Anm. 13 zu Dok. Nr. 96) könne angeboten werden. Ein Bessemer-Stahlwerk sei nicht vorhanden. Die geforderte Einschränkung des Walzwerks müsse abgelehnt werden, da sie in technischer und wirtschaftlicher Hinsicht nicht nur völlig sinnlos sei, sondern auch eine Lebensfrage für das Werk als ganzes bedeute.

Haselhorst: Die Durchführung der all. Forderung (Beseitigung einiger in Aufstellung begriffener Werkstätten) in der zu den Dt. Werken gehörenden, längst auf Kraftfahrzeugherstellung umgestellten Fabrik würde zur Entlassung von 4000 Arbeitern und zu einem Produktionsausfall im Werte von jährlich 40 Mio RM führen. Die Forderung müsse aus wirtschaftlichen und politischen Gründen abgelehnt werden.

Ausbildung des Heeres: Eine Verfügung, die die Ausbildung an nicht genehmigten Waffenarten untersage, könne nicht akzeptiert werden, da der VV keine Bindung des dt. Heeres bezüglich der Ausbildung mit den dem Heere zugestandenen Waffen enthalte. Zurückzuweisen sei auch die Auflage, durch eine VO das Zusammenwirken von Luftfahrzeugen aller Art mit dem Heere zu verbieten. Der VV untersage dem Heere lediglich den Besitz von Luftstreitkräften. Es könne ihm aber nicht verwehrt werden, die Truppe in der Abwehr von Luftangriffen auszubilden und zu diesem Zweck Zivilflugzeuge heranzuziehen (R 43 I /440 , Bl. 26-137, hier: Bl. 121f, 127-132).

[358] Der Reichskanzler schlägt vor, es bei diesem Bericht bezüglich der Entwaffnungsnote vorläufig bewenden zu lassen. Es erscheine zweckmäßig, daß über die weitere Behandlung dieser Angelegenheit im Zusammenhang mit der Sicherheitsnote gesprochen werde. Im übrigen sei er der Meinung, daß, wenn es überhaupt zu Verhandlungen auch über die erwähnte Note komme, er die Lösung der Frage des Oberbefehls nicht für so völlig aussichtslos halte wie der vorerwähnte Bericht.

Reichsaußenminister Dr. Stresemann: Er geht zunächst auf die Entstehungsgeschichte des deutschen Memorandums5 ein. Es sei nicht richtig, daß unser Memorandum den englischen Wünschen entsprochen habe. England sei gegen den Vorschlag eines Rheinpakts gewesen und habe noch im Januar 1925 erklärt, der Schritt sei verfrüht. Wir sind mit unserem Memorandum herausgekommen, um damit einem feindlichen Mächtepunkt zuvorzukommen. Gerade gegen die englischen Vorschläge haben wir damit versucht, in die internationale Politik aktiv einzugreifen. Das deutsche Memorandum besteht im wesentlichen nur aus Anregungen, Kombinierungen und bezwecke die Schaffung einer Diskussionsbasis durch Vorschläge von Schiedsverträgen und ähnlichem. Bedeutung hat unser Memorandum gewonnen durch die Zustimmung des englischen Kabinetts6. Die Folge hiervon war, daß Frankreich die von ihm vorgesehene Form des Sicherheitspaktes für den Westen und den Osten nicht durchgesetzt hat7. Statt dessen hat Frankreich in seiner Note eine von seinem Standpunkt aus als genial zu bezeichnende neue Lösung vorgeschlagen durch den Vorschlag des östlichen Schiedsvertrages mit Polen und der Tschechoslowakei in Verbindung mit der Möglichkeit von Garanten. Gerade in diesem Vorschlag des östlichen Schiedsvertrages mit Polen und der Tschechoslowakei kulminiert die französische Note.

5

Zur Vorgeschichte des dt. Sicherheitsangebots, das am 20. 1. der Brit. und am 9. 2. der Frz. Reg. in ähnlich lautenden Memoranden (s. dazu Anm. 6 zu Dok. Nr. 43) unterbreitet wurde, s. die Ausführungen des RAM vor der Presse am 7. 3. in: Stresemann, Vermächtnis, Bd. II, S. 64 ff.; s. auch die Instruktion Stresemanns für Brockdorff-Rantzau vom 19. 3. in: Locarno-Konferenz 1925. Eine Dokumentensammlung, Dok. Nr. 9; s. auch die Aufzeichnung des RAM vom 1. 7. in: Stresemann, Vermächtnis, Bd. II, S. 111 ff.

6

S. dazu die Unterhausrede Chamberlains vom 24. 2. in: Schultheß 1925, S. 231.

7

S. dazu die Ausführungen des RK weiter unten.

Bei der Frage nach unserer Stellungnahme muß zunächst die Vorfrage gelöst werden, ob nach den Forderungen der Note die Völkerbundssatzung oder der Sicherheitspakt den Vorrang hat. Ersterer Ansicht seien die Sachverständigen des Auswärtigen Amtes. Zur Klarstellung vor einigen Tagen Besuch des Botschafters de Margerie8. Auf die Frage des Ministers Stresemann über den Vorrang der Artikel 4 und 6 der französischen Note8a erklärte der Botschafter[359] als Standpunkt der französischen Regierung, daß diese Spezialschiedsverträge unbedingt der Völkerbundssatzung vorgehen müßten. Danach wäre also Frankreich in der Lage, in dem Augenblick, wo ein Beteiligter des Schiedsvertrages einen Schiedsspruch nicht annimmt und einen feindlichen Akt beginnt, sofort mit Waffengewalt einzugreifen. Auf Stresemanns Frage, was denn der Artikel der französischen Note, der sich über den Vorrang der Völkerbundssatzung verhält8b, für einen Zweck habe, erwiderte de Margerie, es seien auf Grund der Schiedsverträge auch noch andere Beziehungen zwischen den Vertragsparteien denkbar, bei denen dann die Völkerbundssatzung vorgehen müsse. Auf seine zweite Frage, welche Bedeutung dem Satze beizumessen sei, daß die östlichen Schiedsverträge „gleiche Tragweite haben müßten wie die westlichen“ erwiderte de Margerie, jede gewaltsame Austragung von Differenzen solle hierdurch ausgeschaltet werden. Schließlich fragte Minister Stresemann den französischen Botschafter, ob Polen denn überhaupt bereit sei, einen solchen Schiedsvertrag zu schließen. De Margerie erwiderte, Briand habe ihm mitgeteilt, Polen kenne die Note und sei mit ihr einverstanden. Daher sei auch das deutsche Bedenken gegen die Bemerkung der Note, daß ohne die Schiedsverträge im Osten das ganze Werk unvollkommen sei, nicht stichhaltig, da sowohl Polen als auch die Tschechoslowakei zum Abschluß bereit seien; unser Bedenken habe daher nur theoretischen Wert.

8

Hierbei handelt es sich wohl um die Unterredungen mit de Margerie vom 18. und 20. 6. S. dazu die Aufzeichnungen des RAM in: Stresemann, Vermächtnis, Bd. II, S. 103 ff.

8a

Muß wohl heißen: Artikel IV und V. In Artikel IV äußert sich die Frz. Reg. zum Vorschlag des dt. Sicherheitsmemorandums, Schiedsverträge zwischen Dtld. und seinen westlichen Nachbarn abzuschließen, u. a. wie folgt: Um diesen Verträgen volle Wirksamkeit zu geben, „müßte ihre Innehaltung sichergestellt werden durch die gemeinsame und gesonderte Garantie derjenigen Mächte, die andererseits an der in den Rheinpakt aufgenommenen Gebietsgarantie teilnehmen, dergestalt, daß diese Garantie unmittelbar zur Wirkung kommt, wenn eine der Parteien, die es ablehnt, einen Streitfall dem Schiedsverfahren zu unterwerfen oder einen Schiedsspruch auszuführen, zu feindlichen Handlungen schreitet.

Falls einer der Vertragschließenden, ohne zu feindlichen Handlungen zu schreiten, seinen Verpflichtungen nicht nachkommt, soll der Völkerbundsrat die Maßnahmen vorschlagen, die zu ergreifen sind, um dem Vertrage Wirksamkeit zu verleihen.“

In Artikel V begrüßt die frz. Note eingangs die dt. Bereitschaft, auch mit allen übrigen Staaten, die hierzu geneigt wären, derartige Schiedsverträge abzuschließen, und fährt dann fort: Die All. Regg. seien der Ansicht, „daß ohne solche Abkommen zwischen Deutschland und denjenigen seiner Nachbarn, die zwar nicht Parteien des geplanten Rheinpaktes sind, aber den Vertrag von Versailles unterzeichnet haben, der europäische Friede […] nicht völlig gewährleistet werden könnte.

Die Alliierten Staaten haben nämlich aus der Völkerbundssatzung und den Friedensverträgen Rechte, auf die sie nicht verzichten, und Verpflichtungen, von denen sie sich nicht freimachen können. Diese so abgefaßten Schiedsverträge würden die gleiche Tragweite haben wie die in Abschnitt IV vorgesehenen. Jede Macht, die den Vertrag von Versailles sowie den geplanten Rheinpakt unterzeichnet hat, würde, wenn sie es wünscht, die Befugnis haben, sich zu ihren Garanten zu machen.“

8b

Gemeint ist Artikel VI der frz. Note: „Nichts in den in dieser Note ins Auge gefaßten Verträgen darf die Rechte und Verpflichtungen berühren, die den Mitgliedern des Völkerbundes aus der Völkerbundssatzung erwachsen.“

Der französische Botschafter habe sich in diesen Gesprächen ihm gegenüber über die zum Teil scharf ablehnende Haltung der deutschen Presse, wie z. B. des Berliner Tageblatts, erstaunt geäußert. Er habe ihm erwidert, die deutsche öffentliche Meinung habe durch das französische Vorgehen bereits so viele Enttäuschungen erlebt, so in diesem Jahre insbesondere bezüglich der Räumung des Ruhrgebiets, der Sanktionsstädte und der Kölner Zone, daß ein außerordentlich starkes Mißtrauen der gesamten deutschen öffentlichen Meinung wohl verständlich sei. De Margerie habe ihm darauf erwidert, diese Bemerkung erstaune ihn außerordentlich, da in Frankreich niemand daran zweifle, daß Frankreich sein in London gegebenes Wort bezüglich der Räumung des Ruhrgebiets[360] einlösen werde9. Er werde aber diese Mitteilungen sofort zum Anlaß nehmen, nach Paris zu telegraphieren. Das Ergebnis dieser Erörterungen sei mittlerweile ja durch den französischen Kabinettsbeschluß über die Räumung des Ruhrgebiets gestern bekanntgeworden.

9

Diese Zusicherung war von den MinPräs. Frankreichs und Belgiens, Herriot und Theunis, in gemeinsamem Schreiben an RK Marx am Tage der Londoner Schlußsitzung (16.8.24) gemacht worden. Das Schreiben ist gedruckt in: Ursachen und Folgen, Bd. VI, Dok. Nr. 1262 a. – Am 22.6.25 hatte Botschafter Hoesch aus Paris berichtet, er habe Briand mitgeteilt, „daß es dem deutschen Außenminister erwünscht wäre, im Interesse der Beruhigung deutscher öffentlicher Meinung gelegentlich bestimmte Erklärung abgeben zu können, daß fragliche Gebiete spätestens bis 16. August geräumt werden würden.“ Briand habe versichert, daß Frankreich zu seinen Verpflichtungen stehen werde. Er habe den Ministerrat „bereits mit Frage Ruhrräumung befaßt und sich auch schon an militärische Stellen wegen Einleitung Räumung gewandt. Er trage sich sogar – das sei aber ganz geheim – mit Absicht, Ruhrräumung beschleunigt vornehmen zu lassen, um Beweis französischen guten Willens zu geben.“ (Telegramm Nr. 459 in R 43 I /445 , Bl. 83-85). Das Ruhrgebiet und die Sanktionsstädte von 1921 (Duisburg, Ruhrort und Düsseldorf) werden bis zum 25.8.25 geräumt.

Über die Stellungahme des englischen Kabinetts ist zu sagen, daß der englische Außenminister Wert darauf gelegt hat, möglichst bald eine allgemein gehaltene Zustimmung der Deutschen Regierung zur Sicherheitsnote zu erhalten. Wir haben ihm erwidern müssen, daß dies nicht möglich sei, zumal die Note in ihren Schlußsätzen gerade auf eine ins einzelne gehende Stellungnahme Deutschlands mit entsprechenden Vorschlägen Wert lege. Eine Sondierung in London über die englische Auffassung bezüglich des Vorrangs der Völkerbundssatzung vor dem Sicherheitspakt hat ergeben, daß die englische Regierung auf dem genau entgegengesetzten Standpunkt der französischen Regierung steht und der Meinung ist, daß die Völkerbundssatzung unter allen Umständen vorgehen müsse. In dieser Hinsicht besteht also ein starker Gegensatz zwischen der französischen und englischen Auffassung.

Der Entscheidung der Deutschen Regierung unterliegen im gegenwärtigen Augenblick im wesentlichen drei Fragegruppen:

1. Stellungnahme zum polnisch-französischen Schiedsvertrag10,

10

Wahrscheinlich Irrtum des Protokollanten. Die frz. Sicherheitsnote (s. Anm. 3) spricht lediglich von Schiedsverträgen zwischen Dtld. und seinen östlichen Nachbarn, die durch Unterzeichnerstaaten sowohl des VV als auch des geplanten Rheinpaktes garantiert werden könnten.

2. Eintritt in den Völkerbund,

3. Etwaige Aufrechterhaltung der Einzelberechtigung zu Sanktionen.

Er als Außenminister halte die Zustimmung der Deutschen Regierung zu Punkt 1) für vollkommen ausgeschlossen.

Zu Punkt 2) müsse seines Erachtens die Stellungnahme der Deutschen Regierung und insbesondere zu Art. 16 der Völkerbundssatzung unverändert bleiben11.

11

Über die Vorbehalte gegenüber Art. 16 der Völkerbundssatzung, die von der RReg. mit Note an den Generalsekretär des Völkerbundes vom 12.12.24 und mit Memorandum an D’Abernon vom 25.2.25 geltend gemacht worden waren, s. Anm. 1 und 2 zu Dok. Nr. 43. Zur Antwortnote des Völkerbundsrates vom 14. 3. s. Anm. 1 zu Dok. Nr. 50.

Zu Punkt 3) sei zu sagen, daß dieses Verlangen in schroffem Widerspruch zu den Londoner Abmachungen des vorigen Jahres stehe. Nach diesen Abmachungen sei zur Vornahme von Sanktionen ein einstimmiger Beschluß der Reparationskommission[361] einschließlich des amerikanischen Bürgers notwendig12. Diese Erleichterung soll jetzt nach der französischen Ansicht aufgegeben werden, was für Deutschland deshalb selbstverständlich unannehmbar sei.

12

S. dazu Art. 1 und 2 der Anlage IV des Londoner Schlußprotokolls vom 16.8.24, RGBl. II, S. 351 .

Bezüglich des taktischen weiteren Vorgehens gehe seine Meinung dahin:

Es wäre falsch, trotz allen Drängens der Gegenseite die Note schon jetzt zu beantworten. Erst müsse die Ruhrräumung, die mit dieser Frage in keinerlei Verbindung gebracht werden dürfe, unter Dach und Fach gebracht werden. Bei dieser zögerlichen Behandlung käme uns der bereits erwähnte Widerspruch zwischen Art. 4 und 6 der Note zugute, der uns mit vollem Recht die Möglichkeit gebe, Klarheit über die Tragweite der Note insoweit zu verlangen. Bei diesen Rückfragen sind ferner folgende Punkte klarzustellen:

Die Gegenseite ist zu fragen, ob trotz etwaigen Eintritts in den Völkerbund tatsächlich noch Schiedsverträge nötig sind. Zur Klarstellung dieser unserer Frage sei darauf hinzuweisen, daß wir bei unserem Memorandum von der Voraussetzung ausgegangen seien, daß Deutschland nicht in den Völkerbund einträte und daher Schiedsverträge nötig gewesen wären. Da aber die Note von der Voraussetzung des Eintritts in den Völkerbund ausgehe, sei nach deutscher Auffassung für Schiedsverträge kein Raum, da eine Verquickung von Schiedsverträgen mit Völkerbund unseres Erachtens der Grundidee des Völkerbunds widerspräche. Ferner sei die Gegenseite zu fragen, ob die Garantie eines solchen Schiedsvertrages durch einen Garanten möglich sei, der dadurch an die Stelle des Völkerbundes träte. Schließlich müsse darauf hingewiesen werden, daß das Verlangen der Aufrechterhaltung von Sanktionen den Londoner Abmachungen widerspräche.

Die Absendung einer solchen rückfragenden Zwischennote scheine ihm nach den Verhandlungen des Auswärtigen Ausschusses etwa um den 10. Juli herum zweckmäßig. In dieser Zwischennote müsse zugleich eine Brücke zur Entwaffnungsnote geschlagen werden, um dadurch auch über diesen Punkt in einen Gedankenaustausch mit der Gegenseite zu kommen13.

13

Zur weiteren Beratung und Schlußredaktion der dt. Antwortnote, die am 20. 7. hinausgeht, s. u. a. Dok. Nr. 123 und 129.

Im Anschluß hieran erklärte der Reichsaußenminister es für erwünscht, im Zusammenhang mit der Besprechung über den Sicherheitspakt auch unser Verhältnis zu Rußland zu erörtern. Rußland wäre durch die ganzen Erörterungen sehr stark beunruhigt und habe dies uns gegenüber mehrfach zum Ausdruck gebracht. Ende Dezember 1924 hat die russische Regierung an uns Anregungen ergehen lassen, ob nicht zwischen Rußland und Deutschland die Schaffung eines engeren Vertragsverhältnisses möglich sei14. Welche Absichten Rußland mit[362] diesem Bündnisangebot gehabt hat, ist nicht völlig klar. Rußland wußte jedenfalls damals schon, daß sich Fäden zwischen uns und der Entente anspinnten. Zweck des russischen Antrages könne also der gewesen sein, uns nach dem Osten zu ziehen und uns dadurch mit dem Westen zu verfeinden. Wir haben vorläufig uns Rußland gegenüber zögerlich verhalten und nur gesagt, wir müßten zunächst den Gang der internationalen Erörterungen, wie er sich an unser Memorandum anschließe, abwarten15. Ob Rußland positiv an den Abschluß eines Neutralitätsvertrages oder einen neuen Rapallovertrag denkt oder nur negativ unsere Verhandlungen im Westen stören will, wissen wir nicht. Als die Russen darauf merkten, daß wir trotz ihrer Anregungen unser Memorandum nicht zu den Akten legten, verstärkten sich ihre Drohungen in bemerkenswerter Weise, aber nicht ihre Zugeständnisse in den schwebenden Wirtschaftsverhandlungen. Über alle diese Probleme habe er letzthin Besprechungen mit dem russischen Volkskommissar Litwinow in Berlin gehabt. Auf seine Bemerkung, daß Rußland uns unser aktives Vorgehen durch das Memorandum nicht übelnehmen könne, da es nicht gegen Rußland gerichtet sei, erwiderte Litwinow, Rußland verstehe den Abschluß eines Westpaktes durchaus, müsse aber schwerste Bedenken gegen den eventuellen Eintritt Deutschlands in den Völkerbund äußern. Deutschland mache sich dadurch von England abhängig. Es sei zu erwarten, daß England im Völkerbund in den meisten Deutschland interessierenden Fragen (z. B. Danzig, deutsche Minderheiten und Saargebiet) auf unserer Seite stehen werde. Für England seien dies aber höchstens politische Trinkgelder, die seine eigene Politik wenig berührten. Da sie aber für Deutschland von höchster Bedeutung seien, werde sich in der deutschen öffentlichen Meinung hierdurch eine England freundliche Stimmung bilden. Auf der anderen Seite treibe England aber eine ausgesprochen antirussische Politik, und England werde als Gegengabe verlangen, daß wir in dieser Hinsicht Gefolgschaft leisten16. Er habe darauf[363] Litwinow erwidert, wir seien gar nicht in der Lage, England in seiner etwaigen anti-russischen Politik machtpolitisch irgendwie zu unterstützen, so daß nach dieser Richtung russische Befürchtungen überflüssig seien17. Litwinow habe sich aber nicht beruhigen lassen, und eine Einigung zwischen ihnen sei nicht erzielt worden. Im Gegenteil habe Litwinow am Schluß erklärt, wenn Deutschland in den Völkerbund einträte, dann müßte auch Rußland anderswo Anschluß suchen. Als Beispiel habe er hierfür nicht, was vielleicht nahegelegen hätte, den Anschluß an Frankreich erwähnt, sondern ein Übereinkommen mit Polen. Ob diese Äußerungen Litwinows bezüglich eines Anschlusses an Polen ernst zu nehmen seien, sei mehr als zweifelhaft18.

14

In seiner Instruktion für Brockdorff-Rantzau vom 21.6.25 faßt Stresemann den sowj. Vorschlag, der am 29.12.24 in mündlicher Form unterbreitet worden war (vgl. die Ausführungen Luthers in der Ministerbesprechung vom 25. 6., Dok. Nr. 111), wie folgt zusammen: „Der Grundgedanke der Dezembervorschläge war die gegenseitige Zusicherung einer allgemeinen Neutralität für Krieg und Frieden. In eine Formel gebracht, würde diese Zusicherung etwa dahin lauten können, daß Deutschland und Rußland einander nicht angreifen werden, und daß keines der beiden Länder in eine politische oder wirtschaftliche Verbindung mit dritten Mächten eintreten wird, wenn diese Verbindung gegen den anderen Teil gerichtet ist.“ S. Locarno-Konferenz 1925. Eine Dokumentensammlung, Dok. Nr. 15.

15

S. die Instruktion Stresemanns für Brockdorff-Rantzau vom 19.3.25 in: Locarno-Konferenz 1925, Dok. Nr. 9.

16

Tatsächlich weisen all. Regierungsvertreter in Gesprächen mit dt. Diplomaten gelegentlich auf die Gefahren dt. Ostorientierung hin und geben der Erwartung Ausdruck, daß der dt. Völkerbundseintritt und der Sicherheitspakt Dtld. enger an den Westen binden werde. So berichtet Hoesch am 20. 7., Briand habe sich bei Erörterung der dt. Vorbehalte gegen Art. 16 der Völkerbundssatzung und gegenüber dem Hinweis, daß Dtld. auf seine Beziehungen zu Rußland Rücksicht zu nehmen habe, sehr unzugänglich gezeigt. Er habe Rußland als politische und „soziale Bedrohung der Welt“ bezeichnet und hinzugefügt: „Es sei gefährlich für uns, uns gewissermaßen mit russ. Interessen identifizieren zu wollen, und er möchte uns raten, diesen Standpunkt vor der Welt nicht weiter zu vertreten.“ (Telegramm Nr. 530). Noch eindringlicher hierzu Briand gegenüber Hoesch am 6. 8.: Dtld. sollte dem „Phantom einer engeren Bindung mit Rußland“ entsagen. Es dürfe sich nicht an Rußland ketten, „wenn es seiner Weltgeltung nicht schaden wolle, und es dürfe nicht vergessen, daß Rußland ein Bakterienherd sei, der die ganze Welt und zuerst Deutschland infizieren könne.“ (Telegramm Nr. 585). – Aus London berichtet Dufour am 7. 8. über eine Unterredung mit Tyrrel, der betont habe, der geplante Sicherheitspakt liege „im Interesse nicht nur des Britischen Reichs, sondern auch Deutschlands und Frankreichs sowie aller Länder, die ihre jetzige ‚Zivilisation‘ der bolschewistischen vorziehen. Der Sicherheitspakt werde neben dem Frieden hoffentlich eine Annäherung zwischen den Signatarmächten herbeiführen, die nötigenfalls zu einer gemeinschaftlichen Haltung und Abwehr gegen von außen hereingetragenen inneren kommunistischen Umsturz Veranlassung geben könnte.“ (Telegramm Nr. 431; diese Telegramme abschrl. in R 43 I /445 , Bl. 47-53, 31-35, 19-23).

17

In einer Unterredung mit Litwinow hatte Stresemann am 13. 6. hierzu u. a. weiter ausgeführt: Er könne die sowj. Auffassung über eine zwangsläufige dt. Westorientierung, die sich an den Eintritt Deutschlands in den Völkerbund anschließen werde, nicht teilen. Es sei doch nicht so, „daß Frankreich und England ein einheitliches Gebilde darstellen, das gemeinschaftlich seine Absichten durchsetze. Der Kampf um das Genfer Protokoll zeige das zur Genüge. Man vergesse in Rußland, daß es eine ganze Anzahl Nationen im Völkerbund gibt, die sich um Deutschland scharen würden, wenn es dem Völkerbund angehörte, da sie die Vorherrschaft Frankreichs gründlich satt hätten. Schließlich sei auch die Einstimmigkeit, die für die Beschlüsse im Völkerbundsrat gefordert würde, eine Gewähr dafür, daß Deutschland durch sein Veto nicht nur eigene Gefahren abwehren, sondern auch Rußland selbst nützlich sein könne.“ So könnte Dtld. eine Bundesexekution gegen Rußland verhindern, „indem wir ihr widersprächen, und dadurch allein würde Deutschland in der Lage sein, eine antirussische Politik praktisch zu verhindern, wie es auch in der Lage sei, das Aufkommen einer ausgesprochen antirussischen Politik zurückzudämmen.“ (Aufzeichnung Stresemanns vom 13. 6. im Pol. Arch. des AA, Büro RM, 18 Völkerbund, Bd. 6).

18

Bei seinem Zusammentreffen mit Stresemann am 13. 6. (s. Anm. 17) hatte Litwinow auf die poln. Befürchtung hingewiesen, „daß der Versailler Vertrag in bezug auf die Ostgrenzen nicht mehr die unbedingte Garantierung seitens der Mächte des Versailler Vertrages finde.“ Er halte es daher nicht für ausgeschlossen, „daß Polen versuchen werde, mit Rußland engere Fühlung zu nehmen. Es wäre dies eine Entwicklung, die er bedauern würde. Aber schließlich werde man doch auch Rußland nicht übelnehmen, wenn die Entwicklung Deutschland in eine antirussische Politik hineintreibe, seinerseits auch dieser neuen Situation gegenüberzutreten und sich zu fragen, welche Konsequenzen sich daraus ergeben.“ Zudem halte er es nicht für ausgeschlossen, „daß Frankreich eine Annäherung an Rußland suchen werde. Für Rußland werde es sich darum handeln, zu entscheiden, welche Konzessionen man ihm biete und was sein Interesse erheischt.“

Für uns entstehe die Frage, ob gegenüber den weitgehenden Wünschen Rußlands, das am liebsten mit uns ein Bündnis schließen möchte, ein Entgegenkommen unsererseits möglich ist. Die Russen hatten an ein nichtöffentliches Abkommen gedacht. Dies habe er aber bereits abgelehnt, da solche Geheimabkommen mit der außen- und innenpolitischen Lage Deutschlands nicht mehr verträglich seien. Ein Entgegenkommen sei aber nach seiner Meinung möglich durch Anknüpfung einer Präambel an das vor dem Abschluß stehende Wirtschaftsabkommen, worin wir die wirtschaftlichen Vereinbarungen durch einen außenpolitischen Zusatz dahin verstärken, daß wir unter keinen Umständen eine anti-russische Politik treiben würden. (Minister Dr. Stresemann verliest darauf einen im Auswärtigen Amt aufgestellten Entwurf einer solchen Präambel, ohne ihn indes zu den Akten zu geben)19. Nach seiner Meinung sei[364] es möglich, eine solche Präambel noch durch mündliche Abrede zu ergänzen. Bei der Frage nach der Wirkung einer solchen Regelung des deutsch-russischen Verhältnisses sei zu sagen, daß die Wirkung bei einem etwaigen Eintritt Deutschlands in den Völkerbund gut sei, da wir durch die Präambel gleichzeitig mit dem Eintritt in den Völkerbund deutlich und öffentlich erklärten, nicht an den Rockschößen der Entente hängen zu wollen. Der deutsche Botschafter in Moskau Graf Rantzau habe ihm allerdings erklärt, er könne mit der Präambel nichts anfangen, da sie den Russen nichts biete. Hierdurch zeichne sich wieder die ganz große deutsche außenpolitische Frage ab, ob es für Deutschland möglich sei, sich gleichzeitig nach dem Westen und nach dem Osten zu orientieren. Nach seiner Meinung sei es bei der Lage Deutschlands nur möglich, zwischen beiden Gedankengängen einen Ausgleich zu versuchen. Eine reine Orientierung nach dem Osten sei nach seiner Meinung völlig ausgeschlossen. Das vordringlichste deutsche politische Problem sei die Räumung der Kölner Zone. Wenn diese erst einmal geräumt sei, werde durch die sich bereits am Horizont abzeichnenden finanzpolitischen Verhandlungen zwischen Frankreich und Nordamerika das ganze Problem der Räumung ins Rollen kommen, vielleicht schon in den Jahren 1926 und 1927. Alles dies werde aber durch einen einseitigen Anschluß nach dem Osten gefährdet.

19

Wahrscheinlich handelt es sich hierbei um den Präambeltext, den Stresemann in seiner Instruktion vom 21. 6. Brockdorff-Rantzau übermittelt hatte. Er lautet: „Beide Regierungen sind von der Erkenntnis durchdrungen, daß das Wohl des deutschen und des russischen Volkes eine freundschaftliche, friedliche Zusammenarbeit beider Länder erfordert. Sie sind deshalb entschlossen, die gegenseitigen Beziehungen im Geiste des Vertrages von Rapallo weiter zu pflegen und in allen die beiden Länder gemeinsam berührenden politischen wie wirtschaftlichen Fragen in dauernder freundschaftlicher Fühlung gegenseitige Verständigung anzustreben, unter dem Gesichtspunkte, für den allgemeinen Frieden Europas zu wirken und sich von allen etwa hervortretenden Bestrebungen fernzuhalten, die diesen Frieden gefährden könnten.“ Die Instruktion ist gedruckt in: Locarno-Konferenz 1925. Eine Dokumentensammlung, Dok. Nr. 15.

Auf eine Zwischenfrage des Herrn Reichsministers Dr. Neuhaus erwiderte Herr Reichsminister Dr. Stresemann, er halte die außenpolitische Präambel auch für möglich, wenn, wie es den Anschein habe, die Handelsvertragsverhandlungen mit Rußland nicht in vollem Umfang zum Abschluß kämen und eine Einigung nur über die Nebenkonventionen (Konsulatsvertrag, Rechtshilfe, Veterinärangelegenheiten und ähnliches) zustande komme20.

20

Der am 12.10.25 in Moskau unterzeichnete dt.-sowj. Wirtschaftsvertrag (RGBl. 1926 II, S. 1 ) enthält keine solche Präambel. S. aber die Präambel zum dt.-sowj. Vertrag vom 24.4.26 („Berliner Vertrag“), die in knapper Form auf die Notwendigkeit des „allgemeinen Friedens“, „vertrauensvoller Zusammenarbeit“ und „freundschaftlicher Beziehungen“ hinweist (RGBl. 1926 II, S. 359 ).

Einer Bemerkung des Herrn Reichskanzlers daß es überhaupt noch durchaus zweifelhaft sei, ob den Russen die vorgeschlagene Präambel genügen werde, stimmte Herr Minister Dr. Stresemann zu.

Reichsminister Dr. Frenken: Die zur Entscheidung stehende Frage sei die, ob die Reichsregierung beabsichtige, die Gedankengänge des deutschen Memorandums weiter zu verfolgen oder nicht. Er müsse dies für seine Person ablehnen, da es für ihn unmöglich erscheine, die unter dem Zwange des Vertrages von Versailles geschaffene Grenze Deutschlands im Westen durch einen freien Vertrag erneut anzuerkennen. Ob eine solche freiwillige Anerkennung der Grenze bezüglich Elsaß-Lothringen möglich sei, wolle er einmal dahingestellt sein lassen. Anders verhalte es sich aber mit den Kreisen Eupen und Malmédy,[365] die schon zu Deutschland gehört hätten zu einer Zeit, als der belgische Staat überhaupt noch nicht bestanden habe. Es handele sich um rein deutsche Gebiete mit blühender Landwirtschaft und Industrie und etwa 80–100 000 Einwohnern, die wir seiner Meinung nach unter keinen Umständen freiwillig preisgeben dürften. Solcher Preisgabe ständen als Vorteile der angeknüpften Verhandlungen greifbar jedenfalls nichts gegenüber. Nachdem aber einmal die Verhandlungen durch die Überreichung des deutschen Memorandums so weit gediehen seien, habe auch er gegen weitere Verhandlungen nichts einzuwenden. Diese müßten aber seiner Meinung nach das Ziel haben, daß das deutsche Memorandum in sich zerfällt.

Reichsminister Dr. Stresemann: Bezüglich Eupen und Malmédy habe er eine Besprechung mit dem französischen Botschafter de Margerie gehabt, der ihn gefragt habe, ob die Nichtnennung von Belgien in unserem Memorandum einen Bezug auf diese beiden Kreise habe. Er habe erwidert, wir hätten Belgien nicht erwähnt wegen der etwaigen Beteiligung noch anderer Mächte, z. B. Hollands. Nach unserer Ansicht schließe der Sicherheitspakt freundschaftliche Verhandlungen zwischen den Vertragsgegnern wegen der Grenzen nicht aus. Nach dieser Richtung könne er mitteilen, daß sehr einflußreiche Kreise der belgischen Regierung bereit seien, die beiden Kreise an Deutschland zurückzugeben bei dem deutschen Entgegenkommen hinsichtlich des bekannten Mark-Abkommens21. Ähnliche Mitteilungen hierüber habe ihm noch letzthin Herr Reichsbankpräsident Dr. Schacht gemacht22. Solche Gedanken gingen insbesondere von den belgischen Sozialisten, den Liberalen und den Christlich-Sozialen aus. Auch im gegenwärtigen Augenblick könne er nur als seine Ansicht wiederholen, daß der Sicherheitspakt freiwillige Vereinbarungen zwischen zwei Staaten[366] über ihre Grenzen nicht ausschließe. Entgegen der Ansicht des Reichsministers Dr. Frenken biete das Sicherheitsabkommen Deutschland durchaus Vorteile. Diese seien in der Garantie Frankreichs unserer Grenze und namentlich in der Verpflichtung Englands zu erblicken, im Falle der Verletzung unserer Grenze durch Frankreich an unserer Seite zu kämpfen. Bei dieser Sachlage könne er der Ansicht des Herrn Reichsministers Dr. Frenken, die Verhandlungen möchten mit dem Ziel geführt werden, unser Memorandum totzuschlagen, unter keinen Umständen beitreten. Er sei auch nicht in der Lage, eventuell solche Verhandlungen zu führen und müsse gegebenenfalls bei einem entsprechenden Kabinettsbeschluß für seine Person die Folgerungen hieraus ziehen.

21

Zwischen Erzberger und dem Direktor der belg. Nationalbank, Francqui, am 25.11.19 getroffene, später hinfällig gewordene Übereinkunft, wonach Dtld. sich zur Rücknahme von 5,5 Mrd. M verpflichtete, die von den dt. Besatzungsbehörden in Belgien durch Zwangstausch (1 M gegen 1,25 Franken) in Umlauf gebracht, nach Kriegsende von der belg. Nationalbank wieder rückgetauscht worden waren.

22

In einer Unterredung mit Ebert hatte Schacht schon am 2.12.24 hierzu mitgeteilt: Der belg. Finanzmann Francqui habe ihm kürzlich aus eigener Initiative gesagt, „Eupen und Malmédy fräßen wie ein Krebs an der Wiederherstellung guter Beziehungen zwischen Belgien und Deutschland; die Abtrennung an Belgien sei für sie kein Gewinn gewesen, ob sich nicht eine vernünftige Regelung für deren Rückgabe an Deutschland finden lasse.“ (Aufzeichnung Eberts vom 2.12.24 in: Friedrich Ebert, Schriften, Aufzeichnungen, Reden. Bd. II, hrsg. von F. Ebert, jun., S. 346 ff. – Über erneute diesbez. Gespräche in Brüssel, insbes. mit Hautain, dem Gouverneur der belg. Staatsbank, und mit Ministerpräsident Theunis hatte Schacht am 25.3.25 auch StS v. Schubert berichtet. Schubert vermerkt dazu in einer Aufzeichnung gleichen Datums: „Herr Schacht ist der Ansicht, daß unsere Aussichten auf eine Rückgewinnung von Eupen und Malmédy durchaus günstig zu beurteilen seien. Er ist aber der Ansicht, daß es geradezu katastrophal sein würde, wenn wir die Frage jetzt aufrollen und sie in irgendeiner Weise mit dem Sicherheitspakt im Westen verknüpfen wollten. […] Herr Schacht vertrat ferner die Meinung, daß die Belgier uns sehr nötig haben werden, und zwar einmal aus wirtschaftlichen Rücksichten und zweitens auch wegen der ihnen immer dringender werdenden endgültigen Regelung der Markangelegenheit. Herr Schacht hat den Belgiern klargemacht, daß wir zur Abdeckung der Markaffaire zwar keine Anleihe in Deutschland aufnehmen könnten, da dies gegen das Londoner Abkommen […] verstoßen würde. Wohl aber könnten wir uns vielleicht das Geld von Amerika verschaffen.“ Schacht habe schließlich erklärt, „daß, wenn die Frage jetzt schon gestellt würde, […] 60% des belgischen Parlaments etwa im Prinzip für eine Rückgabe von Eupen und Malmédy sein würden.“ (Pol. Arch. des AA, Büro StS, FS Die Sicherheitsfrage, Bd. 5).

General von Seeckt: Nach seiner Ansicht seien wir auf der Suche, wie wir aus einer unmöglichen Situation herauskämen. Er stehe ganz auf dem Standpunkt des Herrn Reichsministers Dr. Frenken und frage sich auch schon seit Wochen und Monaten dauernd vergeblich, wo die Vorteile aus dem Sicherheitsabkommen für Deutschland lägen. Das Sicherheitsabkommen biete Frankreich einseitige Vorteile, denn wir müßten uns darüber klar sein, daß die Furcht Frankreichs vor Deutschland keine Finte, sondern durchaus real sei. Dieser Furcht Frankreichs würde durch den Abschluß des Sicherheitspakts zugunsten Frankreichs der Boden entzogen. Dem stände als größter Nachteil für uns unsere erneute Festlegung auf unsere jetzigen Grenzen gegenüber. Wir hätten unter Zwang den Vertrag von Versailles unterschrieben; wir seien nicht in der Lage und beabsichtigten daher nicht, diesen Vertrag zu brechen. Im Ernst könnten wir aber unter keinen Umständen z. B. auf Elsaß-Lothringen verzichten. Es sei daher nach seiner Ansicht ein bedauerlicher Fehler der deutschen Politik, wenn wir noch einmal eine Bestimmung dieses Vertrages erneut freiwillig unterschrieben. Wenn Herr Reichsminister Dr. Stresemann gesagt habe, der Abschluß des Sicherheitspaktes stehe einem Übereinkommen zweier Staaten über ihre Grenzen auch in Zukunft nicht im Wege, so lehre uns demgegenüber die Geschichte, daß die Grenzen der Länder nie durch Verträge, stets aber durch die Waffen gezogen worden seien. Infolgedessen würden wir keinerlei Grenzvereinbarungen, wo es auch immer sei, erreichen ohne die Waffen. Wenn Reichsminister Dr. Stresemann gesagt habe, wir könnten an eine Wiedergewinnung von Elsaß-Lothringen nicht denken, so müsse er sagen, Deutschland dürfe nur hieran denken. Im übrigen sei auch er nicht gegen eine Fortspinnung der angeknüpften Fäden. Diese Verhandlungen müßten unter den von Reichsminister Dr. Stresemann aufgezeichneten Voraussetzungen geführt werden, und er zweifle nicht, daß diese Verhandlungen dann zum Scheitern kämen, was er sehr begrüßen würde.

Auf England sei für uns kein Verlaß. Allerdings werde es sich stets nach Stützen in Europa umsehen gegenüber einem starken Frankreich. Die deutsch-russische Frage sei uralt und sei befriedigend nur zu Bismarcks Zeiten geregelt gewesen. Eine Verständigung mit Rußland sei unter allen Umständen notwendig und der Eintritt in den Völkerbund unter Aufrechterhaltung des Art. 16 unmöglich. Selbst wenn sich eine deutsche Regierung finden sollte, die diesen Völkerbundspakt mit Art. 16 schlucken wollte, so müsse sich niemand darüber[367] einer Täuschung hingeben, daß wir den französischen Soldaten trotzdem nicht durchmarschieren und unsere Eisenbahn nicht benutzen lassen würden. Unannehmbar sei auch das Völkerbundsstatut hinsichtlich der vorgesehenen Investigationen, also einer dauernden Kontrolle in Deutschland23. Wir könnten aber unsere Tätigkeit im Völkerbund nicht damit beginnen, daß wir gleich gegen die Einrichtung der Investigationen mit Erfolg angingen. Eine Verbindung von Deutschland mit Österreich stelle selbstverständlich eine starke Belastung für uns dar; trotzdem entspräche sie aber dem Sehnen beider Völker. Aber auch hier würden wir uns den Weg durch den Eintritt in den Völkerbund verbauen. Schließlich müsse er vor dem Gedanken, den ganzen Fragenkomplex auf einer internationalen Konferenz zu regeln, warnen, und er empfehle in dieser Hinsicht eine Durchsicht der Konferenzakten von Algeciras. Auch damals hätten wir allein einer geschlossenen Front gegenübergestanden, und die Folgen würden heute ebenso wie damals unheilvoll sein. Bei einer solchen Konferenz könnte ein Ergebnis von uns nur mit größten Opfern erkauft werden, oder sie müsse gesprengt werden; beides wäre aber ein Unglück. Er empfehle daher, klar an folgenden Richtlinien festzuhalten:

23

Seeckt bezieht sich offenbar auf den vom Völkerbundsrat am 27.9.24 angenommenen „Organisationsplan für die Ausübung des Untersuchungsrechts“ nach Art. 213 des VV. S. Anm. 2 zu Dok. Nr. 50.

Die Ruhrräumung hängt mit dem Dawes-Abkommen zusammen und die Räumung der ersten Zone mit der Entwaffnung. Alles weitere müssen wir dem Gang der Dinge überlassen, bis wir die Fesseln des Vertrages von Versailles abschütteln können.

Reichsminister Dr. Frenken: Die Ansicht des Herrn Reichsministers Dr. Stresemann hinsichtlich der Möglichkeit einer Grenzberichtigung gegenüber Belgien seien reine Utopien. Das zeige die Geschichte des 19. Jahrhunderts im Falle des Geländestreifens Neutral-Moresnet24. Belgien würde niemals an eine Abgabe von Eupen und Malmédy denken, wenn es nicht dazu gezwungen würde. Er könne nur darauf hinweisen, daß ihm anläßlich der Jahrtausendfeier im Rheinland25 von allen Seiten der Ruf entgegengeklungen sei, am Rhein wolle man die Drangsal der Besetzung lieber noch länger tragen, als dem ganzen Vaterland neue Ketten zu schmieden.

24

Teil des seit 1920 zur belg. Provinz Lüttich gehörenden, südwestl. Aachen gelegenen Moresnet-Gebiets. Neutral-Moresnet war seit dem Aachener Grenzvertrag vom 1816 von Preußen und den Niederlanden, seit 1831 von Belgien und Preußen gemeinschaftlich verwaltet worden.

25

S. zuvor Dok. Nr. 105, P. 2.

Reichsminister Dr. Brauns: Auch er halte den Inhalt des deutschen Memorandums zum Teil für uns für außerordentlich bedenklich. Unsere Politik müsse darauf gerichtet sein, die Verpflichtungen des Vertrages von Versailles nicht erneut zu bestätigen. Eine andere Frage sei aber, wie jetzt weiter zu verfahren sei. Er empfehle den Weg zu gehen, wie ihn Dr. Stresemann empfohlen habe. Wie die anzuknüpfenden Verhandlungen liefen, könnten wir nicht wissen, jedenfalls gäben wir dadurch den Ball, den Frankreich uns zugeworfen habe, an Frankreich zurück. Hinsichtlich unseres Verhältnisses zu Rußland[368] schiene ihm die vorgeschlagene Präambel bedenklich. Rußland würde doch nur befriedigt sein, wenn wir nicht in den Völkerbund einträten.

Reichsminister Dr. Neuhaus: Er müsse ganz der Meinung der Herren Vorredner beitreten. Er würde es für ein Gottesglück ansehen, wenn aus unserem Angebot nichts werde, da er keine praktischen Vorteile sehe. England werde niemals einwilligen, daß Frankreich sich die Rheinlande einverleibe. Dies stehe auch ohne Abschluß des Sicherheitspaktes fest. Bezüglich der Frage, wie wir aus der Sache jetzt herauskämen, träte er der Auffassung des Herrn Reichsarbeitsministers durchaus bei.

Reichsminister Schiele: Auch er beurteile die durch unser Memorandum geschaffene Lage so, daß uns ein Netz über den Kopf geworfen werden solle, das zum Teil jedenfalls aus unserem eigenen Memorandum geknüpft sei. Als das Reichskabinett das letzte Mal einen Bericht des Reichsaußenministers über diese Frage entgegengenommen habe, habe Herr Reichsminister Dr. Stresemann den Abschluß eines solchen Westpakts empfohlen wegen der dadurch entstehenden Aussichten für uns bezüglich des Ostens26. Dem damaligen Vortrage sei zu entnehmen gewesen, daß durch die Sicherheit der Westgrenze gewissermaßen ein Ventil im Osten sich öffne. In schroffem Widerspruch dazu stehe aber der jetzt bekanntgewordene Wortlaut unseres Memorandums, das selbst die Anregung zu weiteren Schiedsverträgen mit allen anderen Staaten vorsehe. Was die Frage des Eintritts Deutschlands in den Völkerbund angehe, so sei er der Meinung, daß mit den im vorigen Jahr von uns der Gegenseite mitgeteilten vier Voraussetzungen für uns die Erörterung abgeschlossen sein müsse27. Verhandlungen über diese Punkte, insbesondere auch über die Kriegsschuldfrage, seien nach seiner Meinung für Deutschland unmöglich.

26

Hierbei handelt es sich wahrscheinlich um die Ministerbesprechung vom 21. 3., in der das Gesamtkabinett zum ersten Mal über die deutsche Sicherheitsinitiative unterrichtet wurde. S. Dok. Nr. 54.

27

Über die in der dt. Note an die Ratsmächte vom 29.9.24 genannten Vorbedingungen für den dt. Eintritt in den Völkerbund s. Anm. 17 zu Dok. Nr. 62.

Reichsminister Dr. Stresemann: Wie wenig wir durch Eintritt in den Völkerbund gezwungen sind, auf die Revision unserer Grenzen zu verzichten, zeige uns Ungarn; dieses Land gehöre gleichfalls dem Völkerbund an, aber weder die Regierung noch der letzte Ungar dächten daran, darin einen Verzicht auf die alten Grenzen Ungarns er erblicken.

Unser Memorandum hätte nur den Abschluß solcher Schiedsverträge im Auge, wie wir sie bisher geschlossen hätten, so mit der Schweiz28 und Schweden29. Wenn auch Frankreich in seiner letzten Note darüber hinausgehe und „restlose“ Schiedsverträge verlange, sei es sich dieses Unterschiedes zwischen unserem Anerbieten und seiner Forderung durchaus bewußt gewesen, denn wir wissen, daß Frankreich sich unsere Schiedsverträge mit Schweden und der Schweiz zu eigenem Studium hat kommen lassen. Selbst wenn er nach wie vor zu unserem Memorandum stehe, liege darin keineswegs eine Billigung des von Briand geforderten Schiedsvertrages.

28

RGBl. 1922 I, S. 217 .

29

RGBl. 1925 II, S. 863 .

[369] Aus der Geschichte Belgiens Schlußfolgerungen auf die heutige Haltung Belgiens hinsichtlich der Kreise Eupen und Malmédy zu ziehen, wie es der Herr Minister Frenken getan habe, sei falsch. Das Denken der ganzen Welt sei heute materiell eingestellt, so insbesondere auch das belgische. Er halte es deshalb für durchaus möglich, für einige hundert Millionen Mark die Kreise Eupen und Malmédy von Belgien zurückzuerhalten.

Den Ausführungen des Herrn Generals v. Seeckt stimme er im allgemeinen bei, aber nicht dessen Schlußfolgerungen. Die von ihm Deutschland zugedachte Rolle könnten wir erst spielen, wenn wir materiell und militärisch eine Macht seien. Dies sei aber auf lange Zeit hinaus nicht der Fall. Trügerisch sei auch die Ansicht, daß England ohne Sicherheitspakt nie zulassen werde, daß Frankreich sich die Rheinlande einverleibe, denn in entscheidenden Augenblicken habe England uns nie geholfen. Anders wäre das erst, wenn es vertraglich durch den Sicherheitspakt gebunden sei.

Über das, was geschehen soll, scheine im Kabinett eine materielle Einigung vorhanden zu sein, aber die Tendenzen seien verschieden. Auch er glaube, daß die von ihm fixierten Voraussetzungen für unser weiteres Verhandeln schließlich zu einem Abbruch der Verhandlungen führen werden. Da er aber auf der Basis unseres Memorandums und der von uns vorgeschlagenen Schiedsverträge weiterarbeiten wolle, unterscheide er sich grundsätzlich von der Ansicht verschiedener Herren Vorredner. Es sei ihm für seine Person unmöglich, mit einer solchen im Innern gebrochenen Front sowohl nach außen als auch nach innen vor Reichstag und vor Ministerpräsidenten der Länder die Verhandlungen zu führen.

Der Herr Reichskanzler stellte zur Vermeidung etwaiger Mißverständnisse darauf kurz fest, daß die Aussprache im wesentlichen der Orientierung der anderen Herren Reichsminister diene, die in dem weitmaschigen Netz der auswärtigen Politik nicht so vertraut seien wie die Herren des Auswärtigen Amts, und es könne daher im allgemeinen Interesse nur erwünscht sein, sich in diesem ganz vertrauten Kreise freimütig über die Probleme auszusprechen.

Reichsminister Graf Kanitz: Er als Ostpreuße teile durchaus die schweren Bedenken gegen das Memorandum. In Ostpreußen habe das Memorandum geradezu Entsetzen und Schrecken erregt, da man, wenn es vielleicht auch nicht die Absicht des Memorandums gewesen sei, schlimme Folgerungen nach dem Osten hin fürchte30. Er müsse demgegenüber sagen, daß Ostpreußen auf die Dauer nur deutsch zu halten sei, wenn Polen allmählich verschwinde, insbesondere aus dem Korridor. Bezüglich des Sicherheitspaktes im Westen gehe seine[370] Meinung dahin, daß es wohl noch nie in der Geschichte vorgekommen sei, daß ein geschlagenes Land ihm aufgezwungene Grenzen nachher freiwillig erneut bestätige. Die Präambel für Rußland halte er für verfrüht. Die Russen müßten sich einen derartigen Akt deutscher Freundlichkeit erst noch verdienen.

30

Ostpr. Besorgnisse, daß die RReg. sich bei der Weiterbehandlung der Probleme des Sicherheitspaktes und des Völkerbundes auch zu Konzessionen nach Osten drängen lassen könnte, waren dem RK schon durch Exz. von Berg-Markienen und Graf Eulenburg bei einem Empfang in der Rkei am 20. 5. vorgetragen worden. Luther hatte dazu erklärt: „Der Sicherheitspakt habe den Zweck, zu verhindern, daß ein Dreimächteabkommen zwischen Frankreich, England und Belgien zustandekomme und einseitig das Garantieproblem löse.“ Aus den dt. Vorschlägen gehe eindeutig hervor, „daß der Inhalt des Vertrages sich auf die Westgrenze Deutschlands beschränken müsse. Ein Überspringen auf die Ostgrenze würde den Grundgedanken des Pakts völlig umwerfen.“ (Vermerk Wachsmanns vom 20. 5. in R 43 I /424 , Bl. 243).

Reichsminister Dr. Geßler: Wie wir uns auch zum Memorandum stellen möchten, wir könnten jetzt nicht mehr abbrechen. Auch der Pakt im Westen werde mit dem inneren Vorbehalt geschlossen, daß wir auf kein Stück deutschen Landes verzichten könnten; er sei also nicht viel mehr als ein Waffenstillstand. Diesen inneren Vorbehalt mache selbstverständlich auch Frankreich, und zwar hinsichtlich der Rheinlande. Unsere einzige Sicherheit und einziger Vorteil sei also die Verpflichtung und Einbeziehung Englands in den Pakt. Diese Sicherheit sei zwar gering, da England einen solchen Vertrag nur halten werde, wenn er ihm nütze. Immerhin müsse man aber zum Schluß kommen, daß der Pakt eine gewisse Sicherung des Rheinlandes bedeute. Nach den Erfahrungen des Jahres 1923 seien aber die Rheinlande politisch nach wie vor sehr gefährdet. Deshalb möchte er für den Sicherheitspakt stimmen, wenn wir unter uns einig seien, daß wir den erwähnten inneren Vorbehalt machen. Diesen inneren Vorbehalt müsse er bezüglich Elsaß-Lothringen gerade auch als Süddeutscher machen, da Elsaß-Lothringen in den Händen Frankreichs geradezu wie eine auf das Herz des ganzen deutschen Südens gerichtete geladene Pistole wirke.

Die Gestaltung im Osten sehe auch er mit Besorgnis an, da auch er vermute, daß wir auf Grund der geplanten Westverträge auch im Osten zu ähnlichen Folgerungen getrieben werden könnten. Solche Erwägungen kämen aber verspätet, da wir mitten in der Aktion seien, die wir jetzt nicht abbrechen könnten. Er sei also mit den praktischen Vorschlägen des Herrn Ministers Stresemann und dessen formulierten Bedingungen durchaus einverstanden. Gleichzeitig müßten wir aber England klarmachen, daß wir über eine gewisse Linie hinaus nicht gehen könnten. Wohl zu überlegen sei auch die rein taktische Frage, ob wir den Notenwechsel fortsetzen oder auf eine Konferenz hintreiben sollten. Auch im letzteren Falle gehe es nicht ohne vorherige genaue Vorbereitungen und Festlegungen zwischen den Mächten, da wir sonst allein stünden. Hinsichtlich der Präambel für Rußland habe er Bedenken, da er gerade deren Rückwirkung auf England fürchte. Er stelle die Frage, ob wir nicht gerade durch diese Präambel das verdürben, was wir durch den Sicherheitspakt gewinnen wollten.

Reichsminister Dr. Krohne: Über die Stellungnahme des Auswärtigen Amts, das deutsche Memorandum und die Schiedsvertragsvorschläge habe Herr Minister Stresemann bald nach Bildung des gegenwärtigen Kabinetts hier in demselben Saal stundenlange eingehende Mitteilungen gemacht und keinen Widerspruch gefunden31. Auf einen Zwischenruf des Herrn Ministers Neuhaus, daß sich eine Diskussion an die damaligen Mitteilungen gar nicht angeschlossen habe, erwiderte Herr Minister Krohne, wenn schon damals solche Bedenken gegen das deutsche Memorandum vorgelegen hätten, wären diese trotzdem[371] auch ohne Diskussion damals zweifellos zur Sprache gebracht worden. Die Verantwortung dafür, den bisherigen Standpunkt des Auswärtigen Amts zu verlassen, die Verhandlungen abzubrechen und die weitere Entwicklung ohne eigene Aktivität abzuwarten, könne das Kabinett nur übernehmen, wenn es wisse, was in dieser Zwischenzeit geschehe. Dies aber wäre nur möglich, wenn man mit voller Gewißheit England vertrauen könnte, daß es die Rheinlande auch ohne Sicherheitspakt nicht an Frankreich kommen lasse. Diese Gewißheit hätten wir aber nicht.

31

S. Anm. 26.

Reichskanzler Dr. Luther: Von einer Reihe der Herren Vorredner sei eine Politik empfohlen worden, daß Deutschland überhaupt nichts unternehme, weder im Westen noch im Osten, und man die weitere politische Entwicklung nach dem Vertrag von Versailles abwarten solle. Eine solche passive Haltung halte er auf die Dauer für völlig unmöglich. Bezüglich des Ostens hätten die Herren Vorredner sicherlich recht; es sei zweifelhaft, ob wir einen neuen Rapallo-Vertrag schließen sollen. Was aber im übrigen geschehe, wenn wir stillstünden, sei unabsehbar; jedenfalls bleibe die Politik nicht stehen.

Was den Westen angehe, so sei der Gedanke des Sicherheitspakts zu dreien gegen uns bestimmt keine Phantasie. Chamberlain habe noch vor nicht langer Zeit den diesbezüglichen französischen Standpunkt vertreten32. Das sei der Zustand, wenn wir uns rein als Objekt hinstellen. Das Auswärtige Amt möchte nun Deutschland wieder als Subjekt in die Politik einschalten. Daß dies keine Lächerlichkeit sei, zeige jetzt das gleichzeitige Vorliegen des russischen und des westlichen Angebots. Sollen wir jetzt zwischen West und Ost optieren? Das alte Deutschland in seiner schimmernden Wehr, der Kontinuität seiner inneren Verwaltung, seiner straffen Durchbildung und Staatsgewalt habe es nicht vermocht, hier zu einer klaren Entscheidung zu kommen. Noch viel weniger könne dies das heutige Deutschland. Es bleibe uns also nichts übrig, als nach beiden Seiten hin zu paktieren.

32

Gemeint ist wohl die Birminghamer Rede Chamberlains vom 1.2.25, in der er das frz. Sicherheitsbedürfnis unterstrichen und sich für die Wiederbefestigung des engen Einvernehmens zwischen England und seinen All. ausgesprochen hatte (Schultheß 1925, S. 228).

Wie habe nun das Angebot des Auswärtigen Amts gewirkt? In Amerika hätten wir jedenfalls, wie jeder kühle Beobachter zugeben müsse, in dem großen Kampf Europas um die Seele des Weltherrschers Nordamerika durch unser Vorgehen bemerkenswerte Fortschritte gemacht. Das zeige sich zwar nicht in einer größeren Freundlichkeit uns gegenüber, wohl aber in einer anderen Einstellung Frankreich gegenüber, das jetzt mehr und mehr als Friedensstörer der Welt in Amerika angesehen werde. Nordamerika sei ein nüchterner Rechner. Es habe Geld zuviel [!] und suche sichere Anlage in einem beruhigten Europa, und Amerika beginne jetzt einzusehen, daß diese für es notwendige Beruhigung Europas durch das französische friedensstörende Verhalten vorläufig noch verhindert werde. In England sei als wesentliche Wirkung unseres Memorandums seine Loslösung von seiner bisherigen einseitigen franzosenfreundlichen Stellung zu erkennen. Daß hinsichtlich unserer Ostgrenze das Vorgehen des Auswärtigen Amts mit Sorge angesehen worden sei, erscheine selbstverständlich,[372] aber wir hätten doch nicht in der Öffentlichkeit sofort sagen können, einer der inneren Gründe des deutschen Memorandums sei die Wiederherstellung unserer alten Grenzen im Osten. Die vom Auswärtigen Amt nach dieser Richtung vorgeschlagene Lösung erscheine ihm nicht verfehlt.

Bei der Frage nach unserem weiteren Vorgehen müsse man feststellen, was ohne unser Angebot geschehen sei und werde. Es sei richtig, daß in der Rheinprovinz gegenwärtig die politische Inbrunst bei den Neinsagern sei. Aber wer gebe die Gewähr auf längere Zeit hierfür? Er als Essener Oberbürgermeister habe diese Dinge vor den Toren des Rheins auch von der anderen Seite aus gesehen. Wenn die Sache beginne, den Charakter der Hoffnungslosigkeit anzunehmen, dann werde gerade am Rhein der Ruf nach dem Eintritt in den Völkerbund am stärksten, und zwar schlechthin erschallen. Damit wäre dann aber das geschehen, was er für katastrophal halte, nämlich die einseitige Einstellung nach Westen.

Nach den Ausführungen der bisherigen Redner sei das Kabinett sich über die jetzt zu ergreifenden Maßnahmen einig. Für den Reichsaußenminister, aber ebenso auch für ihn sei es völlig ausgeschlossen, an die Durchführung dieser Maßnahmen heranzugehen mit der Tendenz, das, was bisher auf Grund unserer Initiative geworden sei, möglichst bald wieder zu zerschlagen.

Reichsminister Dr. Brauns: Die Aussprache sei seiner Meinung nach so weit gediehen, daß über die wesentlichsten Punkte Einigkeit festzustellen sei: ein Optieren zwischen West und Ost sei nicht möglich; das vom Herrn Reichsaußenminister vorgeschlagene Vorgehen für die nächste Zeit finde allgemeine Billigung, richtig sei auch, daß wir wieder Subjekt der Weltgeschichte werden müssen. Wie auf Grund dieser Maßnahmen und Schritte, über die allgemeine Einigkeit herrsche, nun die weitere Entwicklung laufe, müsse man abwarten. Erst wenn die Folgen klar zu erkennen seien, stünden wir vor neuen Entscheidungen. Er persönlich lehne übrigens den Gedanken eines Westpaktes nicht grundsätzlich ab.

General v. Seeckt: Auf gute Beziehungen zu Rußland lege er großes Gewicht. Sie würden ein starkes Aktivum unserer Politik bedeuten. Über den Zeitpunkt der Veröffentlichung unserer Präambel könne man aber noch streiten. Ihm erscheine eine baldige Veröffentlichung wünschenswert, damit bald klar wird, daß wir nicht allein stehen. Hinsichtlich Ostpreußens müsse er nochmals das unterstreichen, was Graf Kanitz gesagt habe. Es dürfe auch nicht der leiseste Verdacht dahin entstehen, daß wir die Grenzverhältnisse im Osten als zu recht bestehend ansehen. Wenn England auf den Eintritt Deutschlands in den Völkerbund dränge und für das deutsche Memorandum sei, so tue es dies nur um seiner selbst willen. Der geplante Pakt nütze weit mehr unseren Gegnern als uns. Wann wir aktiv in die Politik eingreifen müßten, sei die große Frage; jedenfalls arbeite nach seiner Meinung die Zeit für uns. Den jetzigen Zeitpunkt halte er nicht für günstig. Aber durch das deutsche Memorandum sei der erste Schritt geschehen und deshalb müsse die Sache jetzt weiter verfolgt werden. Unbedingt müßten wir aber an den Vorbehalten des Herrn Ministers Stresemann festhalten. Er verfolge die weiteren Verhandlungen mit der starken Hoffnung, daß sie mit einem Fehlschlage endeten.

[373] Reichsminister Schiele: Entscheidend sei für ihn die innere Energie, mit der wir weiterarbeiten. An unseren Vorbehalten, die mehrfach erörtert seien und über die Einigkeit herrsche (Kriegsschuldfrage, Völkerbund, Art. 16 usw.) müßten wir unbedingt festhalten. Wenn die Reichsregierung das weiterhin tue, habe er keine Bedenken gegen die Fortsetzung der Verhandlungen.

Reichsminister Dr. Geßler kommt erneut auf seinen Gedanken zurück, daß unser weiteres Vorgehen begleitet sein müsse von einem Schritt in London und erörtert in diesem Zusammenhang einige Personalfragen der Deutschen Botschaft in London, auf die Herr Minister Stresemann darauf kurz eingeht33.

33

Hierzu keine weiteren Hinweise in R 43 I ermittelt.

Reichsminister Dr. Stresemann: Er schlage vor, morgen die heutigen Besprechungen fortzusetzen. Seines Erachtens müßten sie das klare Ergebnis haben, daß der Außenminister und wohl auch der Reichskanzler weiterhin die Grundgedanken des deutschen Memorandums zu vertreten in die Lage versetzt würden. Die Verhandlungen aber fortzusetzen mit dem Gedanken und der Hoffnung, daß sie zum scheitern kommen, sei unmöglich. Die innere Reservatio könne niemandem genommen werden. Als Deutsche Reichsregierung müßten wir aber ehrlich zum Memorandum stehen. Das Kabinett habe sich zu der Frage zu äußern, wie es zu seinem Außenminister stehe.

Auf Anregung des Herrn Reichsministers Dr. Stresemann erläutert darauf Herr Ministerialdirektor Gaus vom Auswärtigen Amt den Unterschied des von uns bisher betonten Charakters unserer Schiedsverträge gegenüber den in der französischen Note verlangten Schiedsverträgen34. Unsere Äußerungen im Memorandum hätten gerade wegen der späteren Bezugnahme auf unsere Verträge mit der Schweiz und Schweden gar nicht mißverstanden werden können. Die jetzt von Frankreich verlangten restlosen Schiedsverträge seien demgegenüber etwas ganz Neues und viel Weitergehendes. Man könne nicht sagen, daß wir zu diesem französischen Verlangen in unserem Memorandum die Anregung gegeben hätten.

34

Über diesen Unterschied Gaus in einer nicht datierten, wahrscheinlich Mitte September 1925 verfaßten Ausarbeitung „Das System der Schiedsverträge“: Dtld. habe sich in seinen nach dem Kriege abgeschlossenen Schiedsverträgen ganz an das Schema des Völkerbundes gehalten, der in seiner Satzung (Art. 13) diejenigen internationalen Konfliktmöglichkeiten, die ihrer Natur nach zur schiedsgerichtlichen Erledigung geeignet seien, in Form einer Empfehlung festgelegt habe. Die frz. Forderung nach restlosem Schiedsgerichtsobligatorium stelle demgegenüber eine Überspannung des Schiedsgedankens dar und könnte dazu führen, daß Schiedsgerichte in Fällen, in denen es an einer vertraglichen oder international-rechtlichen Grundlage fehle, nicht Recht, sondern einen Akt überstaatlicher Gewalt auszuüben gezwungen wären. „Hätten wir z. B. ein restloses Schiedsgerichtsobligatorium mit Polen, so würde die Schiedsinstanz auf deutschen oder polnischen Antrag den jetzt schwebenden deutsch-polnischen Handelskonflikt dadurch zu bereinigen haben, daß sie durch Schiedsspruch den gesamten deutsch-polnischen Handelsverkehr regelte, ohne daß sie sich dabei auf irgendeine vertragliche Grundlage stützen könnte.“ Würde Dtld. mit Polen aber einen Schiedsvertrag nach dt. Muster abschließen, so wäre die Sachlage die, „daß wir uns in allen politisch wichtigen Fällen nur auf ein Vergleichsverfahren einzulassen und die Vorschläge der Vergleichsinstanz nicht anzunehmen brauchten, daß sich dann noch der Völkerbundsrat mit der Sache zu befassen hätte, und daß das Weitere davon abhinge, ob der Völkerbundsrat zu einem einstimmigen Votum kommt oder nicht. Bei einem einstimmigen Votum, das von Polen akzeptiert wird, dürften wir gegen Polen keinen Krieg führen. Wird dagegen ein einstimmiges Votum nicht erzielt oder wird es von Polen nicht angenommen, so gewinnen wir volle Handlungsfreiheit.“ (R 43 I /441 , Bl. 97-122, hier: Bl. 103-112).

Reichskanzler Dr. Luther: Wenn auch über die zu beschreitenden Wege Einigkeit herrsche, sei es doch nicht möglich, praktische Politik zu treiben mit der Absicht, sie kaputt zu machen. Zur Erleichterung der Schlußaussprache empfehle[374] er, daß morgen vormittag ein Ausschuß des Kabinetts sich mit der Abfassung eines Kommuniqués befasse, das einer sodann einzuberufenden erneuten Ministerbesprechung vorzulegen sei.

Der Herr Reichskanzler stellte darauf als einstimmigen Beschluß des Reichskabinetts fest, daß dieser Ausschuß, bestehend aus dem Herrn Reichskanzler, den Herren Reichsministern Stresemann, Brauns, Schiele und Frenken, morgen 10.30 Uhr vorm. in der Reichskanzlei zusammentrete und daß daraufhin eine erneute Ministerbesprechung morgen 5 Uhr nachmittags in der Reichskanzlei stattfinde35.

35

Zu dieser Ministerbesprechung und zur Annahme des Kommuniqués s. Dok. Nr. 111, P. 2.

In seinem Schlußwort betonte der Herr Reichskanzler erneut die unbedingte Notwendigkeit völliger Geheimhaltung der in dieser Ministerbesprechung erörterten Angelegenheiten.

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