2.118.1 (lut1p): [Deutsche Arbeitnehmer in Ostoberschlesien; deutsch-polnische Handelsvertragsverhandlungen]

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[Deutsche Arbeitnehmer in Ostoberschlesien; deutsch-polnische Handelsvertragsverhandlungen]

Herr Rohde führte aus, daß die Not in Ostoberschlesien immer größer werde. Ein großer Teil der Betriebe werde geschlossen. In erster Linie würden deutsche Angestellte und Arbeiter entlassen. In den Verwaltungen der Betriebe seien durchweg noch deutsche Angestellte beschäftigt. Die Gesamtzahl der in der Großindustrie Ostoberschlesiens beschäftigten Angestellten betrage etwa 7000; die Gesamtzahl der Arbeiter in der Großindustrie ungefähr 107 000. Zur Zeit gebe es 40 000 Arbeitslose. Die Erwerbslosenfürsorge sei gering. Die Gruben arbeiteten nur noch zum Teil. Wenn noch mehr deutsche Arbeiter und Angestellte entlassen würden, entstehe die große Frage, was aus ihnen werden solle. Fast sähe es so aus, als wenn die Deutsche Regierung sie im Stich lassen wolle2. Vielleicht könne doch die Reichsregierung mit der polnischen Regierung einen provisorischen Handelsvertrag abschließen und Polen noch mehr entgegenkommen.

2

Über die finanzielle Unterstützung dt. Arbeitnehmer in Ostoberschlesien durch die RReg. s. Dok. Nr. 138, P. 3.

Der Reichswirtschaftsminister erwiderte, daß die Deutsche Regierung bei den Verhandlungen mit Polen das größte Entgegenkommen gezeigt habe. Die polnischen Forderungen seien jedoch unerfüllbar. Polen verlange ein Kohlenkontingent von ungefähr 300 000 Tonnen und wolle selbst bei diesem für uns unerfüllbaren Zugeständnis nicht einmal die Meistbegünstigung zugestehen3. Die Deutsche Regierung habe den Zollkrieg mit Polen4 nicht gewollt.

3

Lt. Pressemeldungen am Vormittag des 8. 7. von der poln. Handelsdelegation als Minimalforderung bezeichnet. Polen werde zudem nur einen Handelsvertrag akzeptieren, der beiden Seiten ausgeglichene Bilanzen garantiere (s. z. B. „Tägliche Rundschau“ vom 8.7.25).

4

S. dazu Dok. Nr. 115, Anm. 7, 12 und 13.

Der Reichskanzler führte aus, daß die Deutsche Regierung durch Polen in eine Situation gedrängt sei, aus der es zunächst keinen Ausweg gebe. Er befürchte auch, daß die Konjunktur der Steinkohle sich vorläufig nicht ändern werde. Er wolle nur hoffen, daß der Zollkrieg mit Polen bald ein Ende haben werde.

Herr Rohde wies darauf hin, daß die Ausfuhr gewisser Fabrikate aus Ostoberschlesien nach Deutschland außerordentlich umfangreich gewesen sei. Er[415] bitte zu erwägen, ob nicht auf Antrag deutscher Abnehmer Einfuhrbewilligungen für solche Fabrikate Ostoberschlesiens erteilt werden könnten, die in den in deutschen Händen befindlichen Eisenwerken hergestellt seien, um damit die Entlassung deutscher Arbeiter und Angestellten zu verhindern; zum mindesten müßten derartige Anträge deutscher Abnehmer beschleunigt bearbeitet werden.

Der Reichskanzler erklärte, daß eine schnelle Bearbeitung der Anträge, welche deutsche Arbeiter in Polnisch-Oberschlesien interessierten, von außerordentlicher Bedeutung sei. Es müsse vermieden werden, daß deutsche Arbeiter entlassen und polnische dafür eingestellt würden.

Der Reichswirtschaftsminister stimmte dieser Auffassung zu und erklärte, die in Frage kommenden Dienststellen auf die Wichtigkeit einer schleunigen Bearbeitung derartiger Anträge hinweisen zu wollen. Hierbei machte er ausdrücklich darauf aufmerksam, daß diese Ausnahmen von dem Einfuhrverbot nur für solche ostoberschlesischen Betriebe gewährt werden könnten, die ihre deutschen Angestellten und Arbeiter nicht entließen und sofort aufhören müßten, wenn zu Entlassungen deutscher Arbeitskräfte übergegangen würde5.

5

Nähere Einzelheiten hierzu nicht ermittelt.

Die Sitzung wurde hierauf geschlossen.

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