2.42.2 (lut1p): 2. Zolltarifnovelle.

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2. Zolltarifnovelle2.

2

Zum Entwurf eines Gesetzes über Zolländerungen s. Dok. Nr. 26, dort bes. Anm. 1 und 2.

Der Reichskanzler ersuchte den Ministerialdirektor Ernst, zunächst nur die Frage der parlamentarischen Behandlung der Zolltarifnovelle zu erörtern.

Ministerialdirektor Ernst berichtete über die Lage.

Der Reichswirtschaftsminister ging auf die sachlichen Bedenken ein, die einer Verzögerung der Einbringung der Zolltarifnovelle entgegenständen und wies besonders auf die Gefahr für die schwebenden Handelsvertragsverhandlungen[152] hin. Gleichwohl glaube er aber, sich mit Rücksicht auf die innenpolitischen Bedenken der Auffassung anschließen zu sollen, im gegenwärtigen Augenblick die Einbringung der Zolltarifnovelle bis nach der Präsidentenwahl zu vertagen.

Der Reichsernährungsminister schloß sich dieser Auffassung an und betonte besonders, daß eine Trennung der Zolltarifnovelle in eine Vorlage über Industriezölle und in eine solche über landwirtschaftliche Zölle unter keinen Umständen in Frage kommen dürfe. Die Agrarzollvorlage sei parlamentarisch nur zu erledigen, wenn sie einheitlich und im Zusammenhang mit den übrigen schwebenden Zollfragen behandelt werde.

Ministerialdirektor Ritter äußerte sich zu der Frage der Auswirkung einer Vertagung der Zolltarifnovelle auf die schwebenden Handelsvertragsverhandlungen und schildert diese als äußerst ernst. Er befürchtete, daß alle schwebenden Handelsvertragsverhandlungen unterbrochen werden müßten3 und dann höchstwahrscheinlich nicht vor Herbst d. J. zustande kommen würden. Dabei würde im Herbst d. J. die Verhandlungsbasis für Deutschland allen Ländern gegenüber erheblich erschwert sein. Ohne auf die innenpolitische Seite der Angelegenheit eingehen zu wollen, hielte er sich für verpflichtet, auf diese Gefahren einer dauernden Schädigung der deutschen Wirtschaft hinzuweisen. Es müsse angesichts dieser Sachlage doch geprüft werden, ob nicht zur schnelleren Regelung der Zolltarifnovelle ein Ermächtigungsgesetz eingebracht werden müsse, das der Regierung die Möglichkeit gebe, durch Erhöhung der Zollsätze die Voraussetzung für die Fortführung der Handelsvertragsverhandlungen zu geben4.

3

Das Fehlen eines gültigen Zolltarifs hatte vor allem bei den dt.-ital. Wirtschaftsverhandlungen zu großen Schwierigkeiten geführt. Telegrafische Berichte der dt. Verhandlungsdelegation sprechen im Februar und März 1925 übereinstimmend davon, daß Italien einen definitiven Vertrag nicht unterzeichnen werde, falls nicht vorher die Zolltarifnovelle Gesetz geworden sei (Telegramme Stockhammern und Neurath an AA vom 10. 2., 12. 2. und 4. 3. in R 43 I /2417 , Bl. 130 f., 197).

4

Für das gleiche Vorgehen tritt der Dt. Industrie- und Handelstag mit Schreiben an den RWiM vom 11. 3. ein: Die RReg. sollte sich auf dem Wege einer Ermächtigung die kurzfristige Möglichkeit verschaffen, „Zollsätze zu erhöhen und festzusetzen, mit der Ausnahme der Getreidezölle, deren Wiederinkraftsetzung gegenwärtig weder wirtschaftlich noch handelspolitisch notwendig erscheint.“ (R 43 I /2417 , Bl. 199-201).

Der Reichsminister des Innern entgegnete, daß ein derartiges Ermächtigungsgesetz bereits vom Reichsrat verabschiedet sei und dem Reichstag vorliege5. Er könne infolgedessen die Notwendigkeit, ein Spezialermächtigungsgesetz einzubringen, nicht einsehen6.

5

Es handelt sich um den „Entwurf eines Gesetzes über Zölle und Umsatzsteuern“, der dem RT am 22.8.24 zugeleitet worden war (RT-Drucks. Nr. 457, Bd. 383 ). Der Entwurf wurde vom zweiten RT nicht erledigt.

6

Zur Frage des Ermächtigungsgesetzes s. weiter Dok. Nr. 59, P. 1.

Der Reichskanzler stellte daraufhin fest, daß sich ein Widerspruch gegen die Vertagung der Zolltarifnovelle nicht erhebe. Er bat den Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft, die Kartoffelfrage eingehend in einer Denkschrift zu behandeln, die dem Kabinett zu unterbreiten sei7.

7

Zur vorangegangenen Beratung über die Zollsätze für Kartoffeln s. Dok. Nr. 37, P. 1. Der REM übersendet am 27. 3. umfangreiches „Material zur Frage der Einführung eines Zollsatzes für Herbstkartoffeln.“ Darin wird anhand von tabellarischen Zusammenstellungen über Anbaufläche, Produktion, Verbrauch und industrielle Verwertung dargelegt, daß die Kartoffeleinfuhr (1924: 290 000 t) für die dt. Bedarfsdeckung ohne Bedeutung sei. Es gelte allerdings, den dt. Anbau (Ernte 1924: 36 Mio t) auf der erreichten Höhe zu halten. „Ohne Zweifel wird die Erzeugung nachteilig beeinflußt, wenn […] der deutsche Produzent sich einer willkürlichen Konkurrenz seitens des Auslandes preisgegeben sieht.“ Derartige Einflüsse könnten schon durch geringe Einfuhren hervorgerufen werden, besonders wenn diese in der Hauptabsatzzeit der dt. Kartoffel (Oktober-Dezember) zugelassen würden. Die Einführung eines Herbstkartoffelzolls sei daher dringend erforderlich (R 43 I /2417 , Bl. 241-247).

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