2.51.1 (lut1p): Aufwertungsfragen.

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Die Kabinette Luther I und II (1925/26), Band 1.Das Kabinett Luther I Bild 102-02064Reichspräsident Friedrich Ebert verstorben Bild 102-01129Hindenburgkopf Bild 146-1986-107-32AStresemann, Chamberlain, Briand Bild 183-R03618

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Aufwertungsfragen.

Einleitend gab der Reichskanzler eine kurze Zusammenfassung über die bisherigen Verhandlungen und den Zweck der den Parteien am gestrigen Tage überreichten beiden Grundzüge über die Aufwertung der Hypotheken und der Anleihen1. Er erbat die Stellungnahme der Parteien zu den vorgelegten Fragen in der Reihenfolge der Stärke der Parteien.

1

Aufzeichnungen über Besprechungen Luthers mit Parteiführern am 17. 3. in R 43 I nicht ermittelt. Zu den genannten „Grundzügen“ s. Anm. 17 und 18 zu Dok. Nr. 48.

Der Abgeordnete Schultz-Bromberg erklärte: Seine Freunde ständen auf dem Standpunkt, daß der Entwurf zwar als Grundlage angesehen werden könne, daß die Fraktion sich aber Abänderungsvorschläge vorbehalten müsse. Er sehe davon ab, deren Wünsche sämtlich anzuführen, wolle aber einige von ihnen skizzieren: Die Aufwertung der öffentlichen Anleihen müsse über den Entwurf hinaus zugestanden werden und sich der Regelung der Hypothekenaufwertung annähern, insbesondere hinsichtlich des Altbesitzes an Anleihen. Die Hypothekenzusatzaufwertung dürfe nicht nur auf die innerhalb der ersten 50% liegenden bestwertigen Hypotheken beschränkt bleiben. Das Jahr 1940 als Fälligkeitsdatum der Zusatzaufwertung sei zu weit hinausgeschoben. Die Industrieobligationen dürften von der Zusatzaufwertung nicht ausgenommen werden.

[186] Der Reichskanzler stellte die Frage, ob trotz der Anführung dieser Beispiele von Wünschen, die sich z. T. erheblich von den Grundzügen zu entfernen schienen, damit gerechnet werden könne, daß die Deutschnationale Volkspartei die Grundzüge als geeignete Verhandlungsgrundlage anerkenne. Der Gedanke der gestrigen Verhandlungen sei gewesen, Klarheit darüber zu schaffen; der Kern des in den Grundzügen enthaltenen Gebäudes müsse bestehen bleiben.

Der Abgeordnete Schultz-Bromberg erklärte darauf: seine Fraktion sehe den Entwurf als geeignete Grundlage an, behalte sich aber Abänderungsanträge vor. Er habe nur die wesentlichsten Punkte herausheben wollen, auf die sich die Abänderungsanträge erstrecken würden.

Der Abgeordnete Schetter erkannte für die Zentrumsfraktion den Entwurf als ausreichende Grundlage an. Der Entwurf sei aber in manchen Punkten verbesserungsbedürftig. In der Anleiheaufwertung müßten die Kommunalanleihen anders behandelt werden als die übrigen öffentlichen Anleihen. Der zu Gunsten der Altbesitzer in Aussicht genommene Betrag von 80 Millionen sei zu gering, ein höherer Betrag sei tragbar. Der Zinssatz könne herabgesetzt, die Aufwertungsquote müsse gesteigert werden. Die Fraktion des Zentrums sei mit der grundsätzlichen Staffelung, d. h. damit, daß ein Teil der Anleihebesitzer völlig unberücksichtigt bleibe, ein anderer Teil, nämlich die Altbesitzer, in etwas berücksichtigt würden, und ein weiterer Teil, nämlich die Sozialbedürftigen, besonders bedacht würden, einverstanden. Hinsichtlich der Hypotheken dürfe die Zusatzaufwertung nicht auf die besten Hypotheken beschränkt werden. Auch die Industrieobligationen dürften nicht unberücksichtigt bleiben. Die Rückwirkung werde vielleicht noch weiter zurückverlegt werden müssen. Seine Fraktion denke ferner an eine entgegenkommendere Regelung der Aufwertung der Sparkassenguthaben und der indirekten Kapitalanlagen2. Sie möchte nicht, daß der Aufwertungssatz hier zu weit hinter den anderen Sätzen zurückbleibe. Im Prinzip betrachte seine Fraktion die Vorlage als geeignete Grundlage, auf der weitergebaut werden könne.

2

Nach der Vorlage des RJM vom 26. 2. (s. Anm. 2 zu Dok. Nr. 48) soll die Aufwertung von Ansprüchen aus Sparkassenguthaben sowie aus Lebens-, Kranken-, Unfall- und Haftpflichtversicherungsverträgen dermaßen erfolgen, daß die aufgewerteten Vermögen einem Treuhänder überwiesen und von diesem nach einem von den Landesregierungen oder der RReg. zu genehmigenden Teilungsplan verteilt werden. Bestimmungen über die Höhe des Aufwertungssatzes sind in der Vorlage nicht enthalten (R 43 I /2455 , Bl. 189-201). Diese Verfahrensregelung entspricht weitgehend derjenigen der Endfassung des „Gesetzes über die Aufwertung von Hypotheken und anderen Ansprüchen“ vom 16.7.25 (RGBl. I, S. 117 ), das lediglich bei Sparkassenguthaben einen konkreten Aufwertungssatz vorschreibt. Er müsse mindestens 12½% des Goldmarkbetrags erreichen, möglichst aber dem Aufwertungssatz entsprechen, der sich für die Anleihen des Schuldners oder seines Garanten ergibt.

Der Abgeordnete Wunderlich erklärte für die Deutsche Volkspartei, daß auch sie die Richtlinien als geeignete Grundlage ansehe, wenn sie auch der Meinung sei, daß Einzelheiten nicht befriedigten und Schwächen abgeändert werden müßten. Die schematische Gleichbehandlung der Reichs-, Länder- und Gemeindeanleihen erscheine nicht als tragbar, vielmehr müßten die Gläubiger der Gemeindeanleihen besser behandelt werden als die übrigen. Bei den Hypotheken würde eine schematische generelle Aufwertung der Darlehenshypotheken[187] zu Unbilligkeiten führen. Seine Fraktion sei der Meinung, daß eine gewisse Individualaufwertung3 in einem elastischen nachgiebigen Verfahren vorgeschlagen werden müsse, das unter erheblichen Kautelen eine Erhöhung nach oben und nach unten ermögliche. Es sei wenig zweckmäßig, zwischen Haupt- und Zusatzhypotheken zu unterscheiden. Die vorgesehene Regelung sei künstlich und mache das Grundbuch unübersichtlich. Seine Fraktion verstehe nicht, daß Verzinsung und Tilgung der Zusatzhypotheken anders behandelt werden sollen als die der Hauptsumme. Sie verstehe ferner nicht die Hinausschiebung der Fälligkeit der Zusatzhypothek bis 1940. Die für den 31. Januar 1912 in Aussicht genommene Frist4 müsse weiter zurückverlegt werden, etwa auf den 1. Januar 1910. Die Industrieobligationen dürften nicht unberücksichtigt bleiben. Mügels Vorschläge über Einführung von Genußscheinen böten eine geeignete Grundlage einer gerechteren Regelung.

3

S. Anm. 21 zu Dok. Nr. 24.

4

Wohl Irrtum des Protokollanten. Gemeint ist vermutlich die in den „Grundzügen“ des RJMin. mit dem 31.12.1911 terminierte Frist, in der die Aufwertung von Restkaufgeldforderungen zulässig sein solle. S. Anm. 17 zu Dok. Nr. 48.

Der Abgeordnete Jörissen erklärte für die Wirtschaftliche Vereinigung, daß diese besondere Bedenken zunächst gegen die Rückwirkung der Aufwertung bei den Hypotheken bis zum 1. Januar 1923 habe. Man wisse nicht, weshalb gerade dieser Zeitpunkt gewählt sei. Für das gesamte Wirtschaftsleben sei sehr zweifelhaft, ob und inwiefern eine solche Rückwirkung nicht schädigend auf eine ganze Anzahl von Existenzen einwirken würde. Die Wirtschaftliche Vereinigung müsse sich hier bis zur Kenntnis des Wortlautes des Gesetzes ihre Stellungnahme vorbehalten. Ebenso müsse sie sich hinsichtlich der Ziffer 4 der Grundzüge die Stellungnahme bis zur Kenntnis des Gesetzestextes vorbehalten, um übersehen zu können, wie es sich auswirken würde, wenn viele Hypotheken über 15% aufgewertet werden sollten. Nach der Lage des städtischen und ländlichen Grundbesitzes sei eine Möglichkeit zu höherer Aufwertung voraussichtlich nicht gegeben. Hinsichtlich des landwirtschaftlichen Grundbesitzes lägen Bedenken vor, ob er nicht zu schlecht behandelt werde, weil der gemeine Wert durchaus nicht dem effektiven und verzinslichen Werte entspreche. Ferner habe seine Fraktion Bedenken in bezug auf die Aufwertung der Restkaufgelder und sonstiger hypothekarisch gesicherter Forderungen insofern, als sie wünsche, daß dort eine Höchstgrenze für die Aufwertung festgesetzt werde, damit der Richter nicht nach oben darüber hinaus gehen könne ohne Berücksichtigung der allgemeinen Entwertung. Er bitte um Erklärung, aus welchen Gründen für die Restkaufgeldhypotheken das Jahr 1911 als maßgebend bestimmt worden sei. Hinsichtlich der Industrieobligationen sei der Wirtschaftlichen Vereinigung verständlich, daß die Industrie vorbelastet sei, inwieweit sie aber vorbelastet sei, sei ihr nicht klar5. Die Industrie habe doch nur Bürgschaften zu stellen, ohne selbst belastet zu werden. Die Zinsen der Industrieobligationen würden doch durch allgemeine Steuern aufgebracht. Bei der Anleiheaufwertung sei nicht einzusehen, warum sie auf 5% beschränkt bleiben solle, wenn schon die ganze Aufwertung erst nach Erledigung der Reparationslasten in Kraft treten[188] solle. Wenn diese Lasten nicht mehr bestünden, dann würden sich doch Mittel zur Höheraufwertung zur Verfügung stellen lassen. Es sei nicht recht verständlich, weshalb die Gemeinden mit dem Reich und den Ländern gleichmäßig behandelt werden sollten, wo es doch zahlreiche Gemeinden gäbe, die sich sehr gut erholt hätten.

5

Zur Vorbelastung der Industrie s. Anm. 11 zu Dok. Nr. 48.

Die Wirtschaftliche Vereinigung erkenne den Entwurf zwar als geeignete Grundlage zur Verhandlung an, müsse sich aber vorbehalten, Abänderungsanträge zu stellen.

Der Reichskanzler wies darauf hin, daß von den vorgetragenen Wünschen einzelne so weit gingen, daß ihre Erfüllung das ganze Regierungsgebäude umwerfen würde. Das Ziel der heutigen Besprechung sei die Herbeiführung einer politischen Verständigung, nämlich die Frage, ob die Regierung in die Lage gesetzt werden solle, eine Vorlage zu bringen. Die Entscheidung darüber setze voraus, daß bei allen Parteien die Tendenz vorhanden sei, sich so nahe als irgend möglich an der Vorlage zu halten, nicht aber umgekehrt die Tendenz, möglichst alle ihre Wünsche in den Vordergrund zu stellen.

Der Abgeordnete Leicht stellte die Frage, ob die Verhandlungen vertraulich seien, und ob die Regierung beabsichtige, die Vorlage noch vor der Präsidentenwahl herauszubringen.

Der Reichskanzler bestätigte die Vertraulichkeit der Verhandlungen und gab bekannt, daß er der Wunsch der Parteien gewesen sei, die Vorlage noch vor der Wahl veröffentlicht zu sehen.

Der Abgeordnete Leicht gab seiner Befriedigung darüber Ausdruck, daß unter den Wünschen der anderen Parteien etliche seien, die auch die Bayerische Volkspartei habe. Trotzdem aber habe diese die Grundzüge hinsichtlich der Hypothekenaufwertung als geeignete Verhandlungsgrundlage erklärt, sich freilich Anträge vorbehalten. Die Regierungsvorschläge hinsichtlich der Anleiheaufwertung würden von der Bayerischen Volkspartei aber als außerordentlich besserungs- und abänderungsbedürftig angesehen, insbesondere in dem Sinne, daß eine Gleichstellung und Gleichbehandlung der Länder und Gemeinden mit dem Reich nicht als berechtigt anerkannt werden könne. An dieser Gleichstellung festzuhalten, erscheine seiner Fraktion nicht als tragbar, da eine Reihe von Städten wesentlich leistungsfähiger seien als das ja im Grunde bankrotte Reich. Weitere Einzelheiten wolle er zur Zeit nicht zur Sprache bringen.

Der Reichskanzler wies darauf hin, daß es keinen Zweck habe, hier die Einzelheiten durchzusprechen. Er werde jedoch das Ergebnis der heutigen Besprechung dem Kabinett mitteilen und wolle gegenwärtig nur auf einzelne von den vorgebrachten Wünschen eingehen.

Wenn die öffentlichen Anleihen nicht auf 5, sondern beispielsweise auf 10% konvertiert würden, dann würden trotzdem die gegenwärtigen Besitzer nichts davon haben, denn das Papier sei ohne Verzinsung doch kaum kursfähig. Wohl aber würde dadurch für eine spätere Zeit (nach etwa 40 Jahren) für das Deutsche Reich eine Verschuldung konstruiert werden, die größer sei als die Schuld des Deutschen Reiches vor dem Kriege. Zu wessen Nutzen würde das sein? Nicht zu dem der Deutschen, denn die Anleihe würde zu ganz erheblichem Umfange in ausländische Hände übergehen, sie würde uns hernach von Banken[189] der Wallstreet und sonst woher präsentiert werden. Wenn das deutsche Volk nach 40 Jahren dann glaube, die Reparationslasten glücklich los zu sein, dann würden die internationalen Bankiers die Anleihestücke präsentieren. Unsere Enkel würden dann die Freude haben, die Reparationslasten auf einer anderen Basis weiter fortzusetzen. Darum habe das Kabinett immer die umgekehrte Tendenz gehabt. Die Aufwertungsquote müsse gering sein und vor allen Dingen den Altbesitzern geholfen werden.

Die vorgetragenen Bedenken gegen die schematische Behandlung der Hypothekenaufwertung seien nichts anderes als der Wunsch einer individuellen Behandlung der Aufwertung. Würde dem stattgegeben, dann bestünde überhaupt keine Kreditmöglichkeit mehr, sondern würden alle Kreditquellen verstopft werden, wohl aber Millionen von richterlichen Entscheidungen notwendig werden. Diese Entscheidungen würden Jahre in Anspruch nehmen, und während dieser Jahre wäre jede Kreditaufnahme ausgeschlossen. Zudem könne niemand objektiv richtig entscheiden, wie weit die Leistungsfähigkeit des einzelnen gehe. Dazu seien schon nicht einmal die Leiter der Finanzämter hinsichtlich der Steuerveranlagungen in der Lage. Wie solle da ein Richter mit auch nur einiger Aussicht auf Erfolg objektiv die Leistungsfähigkeit feststellen können?

Beanstandet worden sei der Gedanke, daß nach Freihaltung eines Zwischenraums für weitere Kreditaufnahmen die Zusatzaufwertung eingetragen werden solle. Aber dieser Zwischenraum finde sich doch sogar im Bestschen Entwurf6. Neue Kredite seien nur zu bekommen, wenn sie an verhältnismäßig früher Stelle im Grundbuch eingetragen werden könnten. Der Zwischenraum sei die Formel, durch welche die wirtschaftliche Tragbarkeit der ganzen Hypothekenaufwertung herbeigeführt werden solle. Bei den Hypotheken sei allgemein die Aufwertung auf 25% gefordert worden. Jedoch sei unter den Kritiken der 3. Steuernotverordnung keine berechtigter gewesen als die, daß durch sie der uralte Grundsatz der Rangverschiedenheit vernachlässigt werde7. Wenn eine Schornsteinhypothek auf 25% aufgewertet werde, so sei das ein glattes Geschenk, wo andere Vermögensanlagen auf 1/10 oder noch weniger zusammengelegt seien. Daher sei die allgemeine Aufwertung auf 25% unmöglich. Die Besserstellung der ersten Hypotheken, die ungefähr den Begriff der Mündelsicherheit wahren solle, bringe die notwendige Besserstellung der mündelsicheren Anlagen.

6

S. Anm. 21 zu Dok. Nr. 24.

7

Die Dritte Steuernotverordnung vom 14.2.24 (RGBl. I, S. 74 ) schreibt bei Hypotheken und Industrieobligationen einen Aufwertungssatz von 15% des Goldmarkbetrages vor.

Die Industrieobligationen seien erheblich stärker belastet als die Hypotheken. Neben der 15%igen Aufwertung, die ja bereits zu zahlen sei, sei auf sie die Obligationsteuer8 gelegt worden, die nach dem alten Bestande etwa 2%, nach Umrechnung auf den Stand von 15%, niedrig gemessen, 3% ausmache, so daß jetzt schon die Obligationen mit 18% belastet seien. Von der Besteuerungsmöglichkeit sei im Gegensatz zu den Hypotheken auch da Gebrauch gemacht[190] worden, wo die Obligationen bereits zurückgezahlt seien. Bei den Hypotheken seien die Steuern den Ländern überlassen9, die noch keinen Gebrauch davon gemacht hätten. Auch daraus ergebe sich, daß Obligationen und Hypotheken nicht gleich ständen, sondern daß erstere erheblich mehr belastet seien. Hinzu komme noch das Londoner Abkommen. Dieses sehe nicht nur eine Haftung ohne Schuldverstrickung der Schuldner vor, sondern richtig sei nur, daß der Kreis der zur Zahlung der Zinsen Herangezogenen größer sei als der Kreis der nach außen mit den Obligationen belegten Unternehmungen. In die innere Verstrickung seien vor allen Dingen die Banken miteinbezogen worden, die nach außen nicht Träger seien. Es bestehe aber keine grundsätzliche Unterscheidung zwischen den Trägern und der Belastung. Öffentliche Mittel kämen für die Verzinsung nicht in Frage.

8

S. Anm. 4 zu Dok. Nr. 18.

9

S. die Bestimmungen der Dritten Steuernotverordnung (s. zuvor Anm. 7) über den sog. „Geldentwertungsausgleich zugunsten der Länder“.

Für die Bemessung der Rückwirkung10 bis zum 1. Januar 1923 sei maßgebend gewesen, daß der Minister Heinze im Januar 1923 im Rechtsausschuß die bekannte Erklärung abgegeben habe11. Logische Gründe für die Rückwirkung seien überhaupt nicht vorhanden. Denn was nicht mehr da sei, nicht mehr existiere, könne nach juristischer Logik auch nicht aufgewertet werden.

10

S. Anm. 10 zu Dok. Nr. 18.

11

Das Kabinett Cuno hatte den RJM Heinze am 10.1.23 ermächtigt, eine Erklärung zu veröffentlichen des Inhalts, „daß das Reichskabinett in der Frage der Art und Höhe der Rückzahlung der Hypotheken und Grundschulden nichts zu unternehmen gedenke, insbesondere nicht den Erlaß […] irgendwelcher Valorisierungsmaßnahmen plane.“ S. diese Edition: Das Kabinett Cuno, Dok. Nr. 39, P. 3.

Bis zum 31. Dezember 1911 sei man zurückgegangen, ohne dieser Fristsetzung eine besondere entscheidende Bedeutung beizumessen. Es habe nur der Wille bestanden, der Tatsache, daß während des Krieges eine Kündigung der Hypotheken ausgeschlossen gewesen sei, Rechnung zu tragen, und auf der anderen Seite den Grundsatz aufrechtzuerhalten, daß länger stehengebliebenes Restkaufgeld sich in eine Vermögensanlage verwandle.

Hinsichtlich der Kommunalanleihen seien die Grundzüge absichtlich nicht sehr eingehend gefaßt worden, und zwar mit Rücksicht auf die großen juristischen Schwierigkeiten. Es sei sehr zweifelhaft, ob die Regelung der Kommunal- und Länderanleihen12 ohne ein verfassungsänderndes Gesetz möglich sei. Hinsichtlich der Leistungsfähigkeit der Gemeinden könne man eine gewisse Parallele zwischen ihren werbenden Anlagen und der Reichsbahn ziehen. Er gebe zu, daß die Lösung so oder so variiert werden könnte. Darüber müßten erst Entscheidungen getroffen werden, sie seien daher in die Richtlinien nicht aufgenommen. Der Grundgedanke, daß Reichs-, Länder- und Gemeindeanleihen gleich behandelt werden müßten, sei aber überaus wichtig. Eine andersgeartete Regelung würde ein Überspringen auf die Ideen des Finanzausgleichs bedeuten.

12

S. dazu Dok. Nr. 24, P. 8.

Er habe nach Anhörung der Erklärungen der Parteien für notwendig gehalten, diese vorstehenden allgemeinen Gesichtspunkte auszusprechen. Er sei einigermaßen enttäuscht, daß aus allen Erklärungen viel weniger die Anerkennung der Notwendigkeit einer allgemeinen Basis als die Geltendmachung der eigenen[191] Wünsche herausgeklungen sei. Aus der heutigen Besprechung könne ein praktisches Ergebnis nur erwachsen, wenn die Abänderungswünsche der Parteien die Grundlage der von der Regierung vorgelegten Grundzüge nicht umwürfen. Gegen Punkt 1 der Regierungsgrundzüge habe sich niemand ausgesprochen, wohl aber habe die DVP Gedanken geäußert, die recht gefährlich seien, indem sie sich der individuellen Aufwertung stark näherten. Diese bedeute aber den Selbstmord des deutschen Volkes und könne nur ohne ihn als Reichskanzler gemacht werden. Die Regierung müsse sie ablehnen.

Der Abg. Wunderlich erklärte darauf, daß seine Fraktion, wenn alle Parteien erklärten, daß sie Gegner der individuellen Aufwertung seien, ihre Stellungnahme nachprüfen werde. Die Tatsache, daß der Bestsche Entwurf, der ja die individuelle Aufwertung auf die Spitze treibe, 16 Unterschriften der DNVP trage, gebe zu erkennen, daß die DNVP sehr stark die individuellen Aufwertungsbestrebungen unterstütze.

Der Abg. Emminger führte aus, daß ihm persönlich die Individualaufwertung die liebste Lösung sei, er halte sie auch jetzt für tragbar, möchte aber bezweifeln, ob eine Mehrheit im Reichstag dafür zu finden sei. Seine Fraktion würde sich damit abfinden können, daß man die Individualaufwertung verlasse, wenn so viel Ausnahmen zugelassen würden, daß jede Ungerechtigkeit ausgeschaltet bliebe. Die schwierigsten Fälle böte die Regelung der Restkaufgeldforderung. Nicht geklärt sei durch die Regierungserklärungen bislang, daß unter den nötigen Kautelen auch die von seiner Fraktion für notwendig gehaltene Erhöhung über 25% nach oben zulässig sein solle.

Der Reichskanzler wies darauf hin, daß das letztere eben die von seinem Standpunkt abzulehnende individuelle Aufwertung sei. Sie bedeute die vollkommene Unsicherheit und Unklarheit jedes Grundbuches.

Der Abg. Emminger berichtete, daß er sich mit verschiedenen Grundbuchämtern über die Zahl der Streitigkeiten unterhalten habe. Im Bezirk Augsburg seien z. B. nur 2 von 800 Fällen zur Entscheidung gekommen, die übrigen durch Vergleich geregelt worden. Diese Vergleiche seien durchweg über die Grenze der 3. Steuernotverordnung hinausgegangen. Auch die Hypothekenbanken hätten sich in zahllosen Vergleichen auf Sätze zwischen 22 und 30% geeinigt.

Der Reichskanzler betonte, daß die Streitigkeiten in dem Augenblick wieder aufleben würden, wo das Gesetz die Möglichkeit einer Aufwertung nach oben zulasse. Es handle sich darum, was als wichtiger angesehen werde, die Ermöglichung neuer Kreditaufnahme für die Schuldner oder die Unterbindung jeder Kreditmöglichkeit zuliebe einer individuellen Gerechtigkeit. Wie könne eine Garantie dagegen geschaffen werden, daß der Gläubiger die Zusage höchster Aufwertung dadurch erzwinge, daß er eine Bereinigung des Grundbuches bis zu ihrer Zusicherung unmöglich mache.

Der Abg. Emminger war der Ansicht, daß die Aufwertungsstellen13 diese Fragen praktisch erledigen würden.

13

Zur Erledigung von Streitfällen über die Höhe der Aufwertung von der RReg. (nach Anhörung des RR) einzusetzendes Schiedsgericht, über dessen Aufgaben und Funktion die Vorlage des RJM vom 26. 2. (s. Anm. 2 zu Dok. Nr. 48) bestimmt: Die Aufwertungsstelle hat den Versuch einer gütlichen Einigung zu machen; sie kann Sachverständige zum Einigungstermin hinzuziehen. Gegen die Entscheidung der Aufwertungsstelle findet die sofortige Beschwerde statt, über die das Oberlandesgericht entscheidet. Die rechtskräftige Entscheidung der Aufwertungsstelle ist vollstreckbar und für die Gerichte bindend.

[192] Der Abg. Schultz (Bromberg) regte an, daß die Regierungsparteien, um der Regierung die Entscheidung darüber zu ermöglichen, ob sie eine Vorlage einbringen könne oder nicht, sich heute auf eine bestimmte Formel einigen möchten. Für seine Fraktion erkläre er, daß, wenn die heute hier versammelten Regierungsparteien sich einigen würden, er für seine Fraktion eine der Regierung genügende Erklärung hier abgeben könne.

Auf Anfrage des Abg. Fehr gab der Reichskanzler die Auskunft, daß nach dem Regierungsentwurf die Möglichkeit bestehe, daß bei gewissen Hypothekenkategorien die Aufwertung der persönlichen Schuld über die Aufwertung der Hypothek hinausgehe14. An diesem Standpunkt wolle die Regierung auch festhalten.

14

Betrifft Forderungen, die durch Hypothek, Schiffspfandrecht oder Bahnpfandrecht gesichert sind. Sie sollen nach der Vorlage des RJM vom 26. 2. zum Normalsatz von 15% aufgewertet werden. Eine höhere oder geringere Aufwertung sei nur zulässig, wenn es sich u. a. um Ansprüche aus Gesellschaftsverträgen, aus Guthaben bei Fabrik- und Werkssparkassen, aus einer Kaufgeldforderung (Kaufgeld für den Erwerb des mit der Hypothek belasteten Grundstücks) handelt, die nach dem 31.12.1911 begründet wurde.

Der Reichsminister des Innern betonte, daß die Erklärung des Abg. Schultz-Bromberg voraussetze, daß die anderen Fraktionen hier bindende Erklärungen abgeben; andernfalls würde die Regierung einen Entwurf dem Reichstag nicht vorlegen können.

Der Abg. Scholz erklärte, daß er aus den Darlegungen der Regierung entnehme, sie wünsche die Zustimmung zu Ziffer 1 der Grundzüge, und daß sie befriedigt sein würde, wenn jede Partei erkläre, daß sie unter Voraussetzung der Zustimmung der anderen Parteien zustimme. Diese Erklärung gebe er namens seiner Fraktion hiermit ab.

Der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft berichtete über ein Telegramm aus New York, in dem von der National City Bank über die Verhandlungen mit der Rentenbankkreditanstalt mitgeteilt werde, daß die National City Bank die Verhandlungen über einen hohen Dollarkredit an die Landwirtschaft ablehne, wenn durch die individuelle Aufwertung die Bereinigung des Grundbuchs auf Monate hinausgezogen werden würde. Komme es zur Individualaufwertung, dann würden die Amerikaner die Verhandlungen sofort abbrechen. Diese verlangten außerdem die Freilassung eines Zwischenraums zur Sicherstellung der neu aufzunehmenden Kredite.

Der Abg. Becker-Arnsberg gab für das Zentrum dieselbe Erklärung ab wie der Abg. Scholz für die DVP.

Der Abg. Schultz-Bromberg erklärte darauf, die DNVP gebe dieselbe Erklärung ab, sofern die Regierung weder die Individualaufwertung noch die schematische Aufwertung mit elastischer Klausel für durchführbar halte.

Die Abg. Fehr und Leicht schlossen sich für ihre Fraktionen dieser Erklärung an.

Der Reichskanzler erklärte, daß die Regierung weder die individuelle Aufwertung noch eine elastische Klausel für tragbar halte, und stellte fest, daß von[193] keiner Seite Bedenken dagegen erhoben seien, daß mit den vorbereiteten Entwürfen eine endgültige Regelung geschaffen werden solle.

Der Abg. Schultz-Bromberg bestätigte das.

Der Reichskanzler richtete darauf an die anwesenden Minister die Frage, ob sie ihrerseits noch irgendwelche Aufklärung von seiten der Parteien wünschten.

Der Reichsminister der Justiz verneinte.

Der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft wünschte eine Erörterung noch hinsichtlich der Belastung der Industrieobligationen15

15

Zum Standpunkt des Grafen v. Kanitz in dieser Frage s. Anm. 11 zu Dok. Nr. 48.

Der Reichskanzler erklärte, daß hinsichtlich dieses Punktes von seiten der Regierung keine Sperre für Parteianträge verlangt werde. Er hoffe aber, daß die Regierungsvorlage als geeignete Grundlage anerkannt werde.

Der Reichsminister des Innern hielt für wünschenswert, die Frage der Aufwertung der öffentlichen Anleihen, die noch nicht genügend geklärt sei, einer Klärung zuzuführen.

Der Reichskanzler hob hervor, daß, sofern zunächst ein Gesetzentwurf über die Aufwertung privatwirtschaftlicher Forderungen vorgelegt werde, dadurch nicht der Eindruck entstehen oder gar im Wahlkampf unterstrichen werden dürfe, daß die im Hypothekengesetz genannte Zahl von 25% als Aufwertungszahl auch für die Anleiheaufwertung in Frage komme. Die Hervorhebung dieses Unterschiedes sei notwendig. Die Gleichstellung würde bedeuten, daß Deutschland für die internationalen Bankiers arbeiten müsse. Vom deutschen Standpunkt aus käme nur in Betracht, den Altbesitz einigermaßen gutzustellen und außerdem im Wege der sozialen Fürsorge zu helfen.

Der Abg. Becker-Arnsberg berichtete, daß seine Fraktion darüber noch nicht einig sei, ob der Neubesitz überhaupt aufgewertet werden solle. Seine Fraktion werde das voraussichtlich nicht mitmachen. Wenn man nur den Altbesitz aufwerte, dann sei die Gefahr, daß nach einer Reihe von Jahren Amerika oder sonstwer Schuldtitel präsentiere, beseitigt. Innerhalb des Altbesitzes sei eine unterschiedliche Behandlung vielleicht möglich. Dem spekulativen Anleihebesitz dürften aber keinerlei Aussichten eröffnet werden. Sei die Frage der Aufwertung des neuen Besitzes, wie seine Fraktion es wolle, ausgeschaltet, dann könne man darüber reden, ob der Altbesitz auf 10% oder mehr oder weniger aufgewertet werden solle und ob höhere oder geringere Zinsen gezahlt werden sollten.

Der Reichskanzler machte darauf aufmerksam, daß die Ausführungen des Abg. Becker-Arnsberg vom banktechnischen Standpunkt aus nicht ganz richtig seien. Eine Konversion sämtlicher Anleihestücke sei notwendig, damit die umlaufenden Stücke aus dem Verkehr gezogen werden könnten. Die Kraftloserklärung könne nur durchgesetzt werden, wenn andere Stücke angeboten würden. Darum komme man um eine Konversion nicht herum. Dem Ausland gegenüber würde nicht günstig wirken, wenn der Konversionssatz der gleiche sei und der Altbesitz in Verzinsung und Tilgung bevorzugt werde. Er schlage daher vor, den Satz einer Konvertierung von 5% als Grundlage für die Lösung anzuerkennen.[194] Diese Anerkennung würde bedeuten, daß die Parteien darüber einig seien, daß, wenn überhaupt eine allgemeine Konvertierung der Anleihen komme, sie nur zu einem geringen Satze kommen könne.

Der Abg. Scholz äußerte sich dahin, daß man sich hier nur über ganz allgemeine und große Gesichtspunkte verständigen könne. Alle Anwesenden hätten den Grundsatz, daß die Differenzierung zwischen privaten und öffentlichen Forderungen selbstverständlich sei, als berechtigt anerkannt. Weiter zu gehen würde die Parteien aber zu stark binden. Diese müßten im Ausschuß auch die finanziellen Gründe hören, weshalb nach Lage der Reichsfinanzen eine höhere Aufwertung nicht möglich sei. Man müsse die Gründe hören, die gegen den Beckerschen Vorschlag sprächen. Er schlug folgende Formulierung vor:

Die anwesenden Parteien erkennen an, daß eine erhebliche Differenzierung zwischen dem Aufwertungssatz der privaten – und dem der öffentlichen Forderungen bestehen müsse.

Der Abg. Emminger hielt für notwendig, die Konvertierung auf einen möglichst geringen Satz, etwa 1 oder 2%, vorzunehmen und mit kleinen Prämien eine Tilgung im Verlauf von etwa 60–100 Jahren zu bringen. Ob das neue Papier dann überhaupt einen Kurs haben werde, könne man vorher nicht beurteilen. Wenn sich ein Kurs bilde, würde er jedenfalls sehr niedrig sein und der Regierung die Möglichkeit geben, die Anleihen im großem Umfange zurückzukaufen. Die niedrige Konvertierung ermögliche eine bessere Berücksichtigung der Altbesitzer und höhere Zuschläge für die sozial Bedürftigen. Wenn man hier zu einem erträglichen Ergebnis kommen wolle, so sei der Konversionssatz von 5% zu hoch; denn dieser Satz bedeute die Verpflichtung für später, die Anleihe einmal mit 5% einzulösen.

Auf eine Frage der Abg. Fehr und Frau Matz erklärte der Reichskanzler daß eine Erörterung darüber, ob eine ganz niedrige Aufwertung für den neuen und eine höhere Aufwertung (etwa 10%) für den Altbesitz in Frage komme, möglich sei; sie werde aber ergeben, daß man diesen Weg nicht gehen könne. Man könne nicht ein Inhaberpapier je nach der Person des Schuldners verschieden bewertet umtauschen. Man könne nur gewissen Arten von Gläubigern irgendeinen Bonus geben, aber im Grundsatz müsse das Papier bei allen Inhabern zum gleichen Satz umgetauscht werden. Man müsse zur Typeneinheit beim Umtausch kommen. Besondere Vorzüge könne man an den Nachweis des Altbesitzes knüpfen, insoweit sei eine Differenzierung möglich.

Der Abg. Schultz-Bromberg erklärte, daß er mit einer Differenzierung zwischen Alt- und Neubesitz einverstanden sei. Seine Fraktion könne aber die gegenwärtige starke Differenzierung, die zwischen Anleihe-Altbesitz und Hypotheken vorgesehen sei, nicht gutheißen.

Der Reichskanzler hielt daran fest, daß ein erheblicher Gegensatz zwischen Anleihen und Hypotheken bestehenbleiben müsse. Je größer die Differenzierung zwischen altem und neuem Anleihebesitz sei, desto größer werde die Versuchung zum Betruge sein; er richte daher an die Anwesenden die Frage, ob sie durchweg zustimmten, daß ein erheblicher Unterschied zwischen Hypotheken- und Anleiheaufwertungssatz bleiben müsse.

[195] Der Abg. Becker-Arnsberg erklärte sich damit einverstanden, daß nach dem Vorschlag Emminger 1% genommen werde, daneben aber den Altbesitzern in Deutschland ein höherer Zinssatz in Aussicht gestellt werde.

Der Reichskanzler wies darauf hin, daß es sich zunächst um die Höhe handle. Eine Bereitstellung von 80 Millionen jährlich bedeute, daß bei einem auf 20 Milliarden geschätzten Altbesitz eine Tilgung von 5% und eine Prämienauslosung von 3%, insgesamt also 8% jährlich ausgeworfen würden. Die Prämienauslosung werde den Kurs steigern. Die meisten Länder hätten sich gegen die Verzinsung ausgesprochen und nur die Auslosung gewünscht. Die Frage, ob Verzinsung oder Tilgung Platz greifen solle, sei in den Richtlinien absichtlich offengelassen.

Der Abg. Wunderlich äußerte sich dahin, daß nach seiner Überzeugung Übereinstimmung darüber herrsche, daß der Aufwertungssatz für Alt- und Neubesitz möglichst gering gehalten werde, daß aber die Zulagen möglichst erhöht würden, damit auf diese Weise der Anleiheaufwertungssatz möglichst nahe an den Hypothekenaufwertungssatz herankomme.

Der Reichskanzler erklärte eine völlige Annäherung an den Hypothekensatz für gänzlich unmöglich. Die gegenwärtige Vorlage bedeute, daß der Anleihebesitzer etwa 1/5 von dem bekomme, was der Hypothekengläubiger erhalten solle. Man müsse heute zu einer bestimmten Formulierung kommen. Er schlage für diese vor: Die Parteien erklären, daß sie mit der Regierung darin einiggehen, daß der Aufwertungssatz sich bei Hypotheken und Anleihen erheblich unterscheiden müsse. Das Reich könne nicht eine Aufwertung im Ausmaße der Hypotheken auf sich nehmen. Wenn sich in der Öffentlichkeit die Meinung festsetze, daß der Hypothekensatz auch für die Anleiheaufwertung in Frage komme, dann müsse das sehr schwere außenpolitische Verwicklungen nach sich ziehen. Das Ausland bedränge die Regierung wegen ihrer Aufwertungsabsichten jetzt bereits sehr stark. Der Reparationsagent habe ihm erklärt, daß eine Verzinsung der Kriegsanleihen seine Absichten hinsichtlich des Transferproblems zerstören würde.

Der Abg. Leicht erklärte seine Bereitwilligkeit zur Annahme der Formel. Aber eine Festlegung auf 80 Millionen sei schwer. Dieser Betrag sei auf Grund einer Konvertierung auf 5% errechnet und müsse daher nachgeprüft werden.

Es wurde Einigung über folgende Formulierung erzielt:

Die Parteien sind mit der Regierung darüber einig, daß der Aufwertungssatz bei Hypotheken und Anleihen unter weitgehender Berücksichtigung des Altbesitzes erheblich differenziert bleiben müsse.

Der Reichswirtschaftsminister wünschte eine Klärung hinsichtlich der Absicht der Parteien über die Behandlung der mündelsicheren Anlagen. Es sei eine Formulierung möglich, daß die Zusatzaufwertung nur eintreten solle bei gewissen mündelsicheren Hypotheken. Die Parteien müßten hierzu ihre Zustimmung erklären.

Der Reichskanzler erklärte es als möglich, die Frage zu prüfen, ob eine 25%ige Aufwertung einem weiteren Kreise von Hypothekengläubigern zugute kommen solle. Die Regierung sei damit einverstanden, daß die Frage hier im einzelnen nicht besprochen werden solle, sondern stelle nur fest, daß Wünsche[196] vorhanden seien, die vorgesehene 25%ige Aufwertung noch einem weiteren Personenkreise zuzuwenden, als er im Regierungsentwurf vorgesehen sei.

Im Anschluß daran wurde die Frage besprochen, wie der Antrag des Abg. Best hinsichtlich des Außerkrafttretens der 3. Steuernotverordnung am 31. Mai taktisch behandelt werden solle. Die Parteien erklärten sich übereinstimmend bereit, im Ältestenausschuß dafür einzutreten, daß der Antrag nicht eher auf die Tagesordnung des Plenums gesetzt werde, als der Regierungsentwurf vorgelegt sei16

16

Es handelt sich um einen von Best (DNVP) im Aufwertungsausschuß vorgelegten GesEntw., der die Außerkraftsetzung der Aufwertungsbestimmungen der Dritten Steuernotverordnung (Art. I und II) zum 31. 5. vorsieht (Mitteilung des Abg. Schetter (Zentrum) im RT am 20. 3., RT-Bd. 385, S. 1194 ). Dieser Entw. gelangt nicht auf die TO des Plenums, doch bringt der Abg. Müller-Franken in der RT-Debatte über die Fristenverlängerung der Dritten Steuernotverordnung (vgl. Anm. 1 zu Dok. Nr. 42) am 20. 3. einen handschrl. Antrag gleichen Inhalts ein. Dieser Antrag wird, abgeändert allerdings gemäß handschrl. Antrag Hergt (DNVP), der das Außerkrafttreten der VO zum 30.6.25 verlangt, vom RT am 20. 3. angenommen (RT-Bd. 385, S. 1208  f.).

Hinsichtlich des Antrages Best, der die Individualaufwertung bringt17, erklärte der Abgeordnete Oberfohren, daß durch die 16 Unterschriften unter dem Antrag die Deutschnationale Volkspartei nicht habe zu erkennen geben wollen, daß sie hinter dem Antrag stehe. Er schlug vor, den Antrag im Ausschuß in erster Lesung beraten zu lassen, während dieser Beratung den Regierungsentwurf anzukündigen und danach die Abstimmung über den Antrag zu verhindern.

17

S. Anm. 21 zu Dok. Nr. 24.

Von den Abgeordneten der Deutschen Volkspartei wurde dieser Vorschlag als bedenklich bezeichnet, da im Aufwertungsausschuß 15 Mitglieder der Regierungsparteien und 13 der Oppositionsparteien vertreten seien. Wenn auch nur ein Deutschnationaler für den Antrag stimme und damit zur Opposition übergehe, die ihn zweifellos restlos annehmen werde, so bestehe bei nicht vollzähliger Besetzung des Ausschusses durch die Regierungsparteien die Gefahr, daß er angenommen werde.

Der Reichsminister des Innern erklärte, daß die heutige Beschlußfassung hinsichtlich der Individualaufwertung für seine Fraktion ergebe, daß sie gegen den Bestschen Entwurf sei. Da seine Fraktion sich mit der heutigen Beschlußfassung gegen die Individualaufwertung ausgesprochen habe, so ergebe sich mit aller Deutlichkeit, wie sie im Aufwertungsausschuß stimmen werde.

Der Reichskanzler schlug daraufhin vor, daß die Deutschnationale Volkspartei durch ihre Vertreter den übrigen Parteien einen taktischen Vorschlag über die Behandlung des Antrages Best machen solle. Dieser Vorschlag werde bis zum Morgen des 19. März erwartet. Der Reichsjustizminister werde die Regierungsparteien vor der Sitzung des Aufwertungsausschusses am 19. März ½10 Uhr zusammenbitten, damit dort endgültiger Beschluß darüber gefaßt werde, wie der Antrag Best behandelt werden solle18.

18

Über diese Vorgänge in den Akten nichts weiter ermittelt. Der Antrag Best zur Individualaufwertung gelangt nicht vor das Plenum des RT.

Sämtliche Fraktionen stimmten dem zu.

[197] Im Anschluß daran fand eine Ministerbesprechung statt.

In dieser wurde beschlossen, den Entwurf des Reichsjustizministers über die Aufwertung der privatrechtlichen Forderungen als durch das Kabinett gebilligt anzusehen.

Der Entwurf des Reichsfinanzministeriums über die Anleiheaufwertung soll auf Grund der heutigen Besprechung noch einmal durchgesehen werden mit dem Ziel, eine Annäherung an die Vorschläge des Abgeordneten Emminger herbeizuführen. Über die Verabschiedung des Entwurfs soll demnächst im Kabinett abschließend beraten werden. Bei dieser Gelegenheit soll Beschluß auch darüber gefaßt werden, ob die beiden Entwürfe vereinigt oder zuvor der Entwurf über die Aufwertung der privaten Forderungen dem Reichsrat zugeleitet werden solle19.

19

S. Dok. Nr. 53.

Ferner wurde beschlossen, daß der Reichsminister der Justiz in der Sitzung des Aufwertungsausschusses am 19. März eine Erklärung folgenden Inhalts abgeben solle: Die Reichsregierung habe den Entwurf über die Aufwertung privater Forderungen verabschiedet. Die Verabschiedung des Entwurfs über die öffentlichen Anleihen stehe unmittelbar bevor, ebenso der Beschluß darüber, ob beide Entwürfe zusammen oder gesondert dem Reichsrat vorgelegt werden sollen. Der Reichsminister der Justiz wird die Formulierung dieser Erklärung im Laufe des heutigen Nachmittags dem Reichskanzler zur Genehmhaltung vorlegen20.

20

Über die Sitzung des Aufwertungsausschusses vermerkt Pünder am 19. 3. für den RK: Der Ausschuß habe sich mit der Erklärung nicht zufriedengegeben, und so habe der RJM hinzufügen müssen, daß die RReg. das Aufwertungsgesetz „im Laufe der nächsten Woche noch vor der Präsidentenwahl vorlegen werde.“ (R 43 I /2455 , Bl. 321). Frenken wiederholt diese Erklärung anläßlich der kleinen Vorlage über die Fristverlängerung der Dritten Steuernotverordnung (s. Anm. 1 zu Dok. Nr. 42) am 20. 3. vor dem Plenum des RT (RT-Bd. 385, S. 1195 ).

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