1.190.1 (lut2p): [Studienkommission in Genf]

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[Studienkommission in Genf1]

1

Kommission zum Studium der Ratsreform, die am 10. 5. zusammentritt. Zur vorangegangenen Kabinettsberatung s. Dok. Nr. 326, P. 1 und Nr. 333, P. 1.

Der Reichsminister des Auswärtigen berichtete über die Lage. Erfreulich scheine zu sein, daß man sich auf der Gegenseite nicht mehr an die früheren Versprechungen gebunden hält und ferner, daß die Neigung zu einer größeren Vermehrung ständiger Ratssitze stark nachgelassen habe2. Was die deutsche Haltung anbelange, so müsse wohl folgendes gelten:

2

Der Gesandte v. Keller hatte am 3. 5. aus Brüssel an das AA berichtet: Vandervelde habe ihm bei einer Unterredung erklärt, „daß man mit London und Paris schon so ziemlich einig sei, aufgetauchte Schwierigkeiten hinsichtlich Eintritt Deutschlands in Völkerbund zu beseitigen, vor allem frühere Bindungen wegen ständiger Sitze nicht mehr gelten zu lassen. In Paris seien noch leise Strömungen zu Gunsten ständigen Sitzes für Spanien vorhanden, aber er glaube, man werde dort mit sich reden lassen.“ (ADAP, Serie B, Bd. I, 1, Dok. Nr. 208).

1.

Es müsse der deutsche ständige Ratssitz sichergestellt werden.

2.

Es dürfe Polen keinen ständigen Ratssitz erhalten.

3.

Einem Vermittlungsvorschlag, der dem deutschen Standpunkt zu 1 und 2 Rechnung trägt und der an der Einstimmigkeit des Völkerbundsrats nicht rüttelt, dürfe ein grundsätzlicher Widerstand nicht entgegengesetzt werden.

Der Reichskanzler stellte die Frage, ob über diese drei Punkte hinaus der deutsche Vertreter3 überhaupt aktiv werden solle.

3

Das AA hatte dem Völkerbundssekretariat am 24. 4. mitgeteilt, daß Botschafter v. Hoesch als dt. Delegierter an den Kommissionsarbeiten teilnehmen werde. Vgl. ebd. Dok. Nr. 194, Anm. 4.

Nach längerer Aussprache bestand Übereinstimmung darüber, daß eine Bindung des deutschen Vertreters nicht erfolgen solle. Es werde von der Lage abhängig zu machen sein, welche Stellung eingenommen werden könne.

Botschafter von Hoesch fragte, ob sich Deutschland nicht auch mit einer Vermehrung von zwei ständigen Sitzen (Spanien und Brasilien) einverstanden erklären könne.

Die Auffassung war sachlich zustimmend. Es wurden nur Bedenken geäußert bezüglich der Haltung Englands und Schwedens. Eine deutsche Zustimmung komme nur in Frage, wenn auch Schweden zustimme.

Der Reichsminister der Justiz (Marx) fragte den Botschafter, ob er nicht Bedenken habe bezüglich der Einstimmigkeit des Rats für den Fall einer Vermehrung der Ratssitze.

[1349] Botschafter von Hoesch erwiderte, daß er Bedenken nicht habe. Eine Vermehrung der Sitze werde sicherlich dazu führen, daß der Deutschland günstig gesinnte Teil des Rats wachse, und dieser Teil werde keine Gefahr für Deutschland bei der Abstimmung bilden.

Botschafter von Hoesch äußerte sodann gewisse Ideen bezüglich einer Berücksichtigung der berechtigten brasilianischen Ansprüche. Es könne nur im deutschen Interesse liegen, wenn Brasilien einen möglichst gefestigten Sitz als amerikanischer Vertreter erhalte. Eine derartige Lösung müsse seiner Meinung nach Deutschland unterstützen.

Instruktionen wurden nicht erteilt. Es bestand aber Übereinstimmung, daß die unter 1 bis 3 genannten Gesichtspunkte für die Haltung des deutschen Vertreters maßgebend sein sollen4.

4

Die Kommission tagt in zwei Sessionen vom 10. bis 17. 5. und vom 30. 8. bis 3.9.26. Sie unterbreitet dem Völkerbundsrat folgende Empfehlung: Die Zahl der Ratsmitglieder ist von 10 auf 15 zu erhöhen; 6 davon sollen ständige und 9 nichtständige Mitglieder sein. Der Rat stimmt diesem Vorschlag am 4. 9. zu und faßt gleichzeitig eine Entschließung, nach der Deutschland ständiges Ratsmitglied sein wird, sobald es von der Vollversammlung in den Völkerbund aufgenommen worden ist. – Die Verhandlungen der Kommission sind eingehend dargestellt bei J. Spenz, Die diplomatische Vorgeschichte des Beitritts Deutschlands zum Völkerbund 1924–1926, S. 156 ff.; s. auch Schultheß 1926, S. 460 ff. und 468 ff.

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