1.73.2 (lut2p): 2. Entwurf eines Gesetzes über den Vergleich zur Abwendung des Konkurses.

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2. Entwurf eines Gesetzes über den Vergleich zur Abwendung des Konkurses.

Staatssekretär Joel berichtete3. Bedenken habe der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft geäußert. Sachlich seien jedoch diese Bedenken nicht haltbar. Die Frage der Vorlegung des Gesetzentwurfs sei im wesentlichen eine politische.

3

Der Entw. (85 §§, 29 Seiten), vom RJM am 3. 12. übersandt, will das bestehende Verfahren der Geschäftsaufsicht zur Abwendung des Konkurses (s. VO vom 8.8.14, RGBl., S. 363 ; letzte Fassung vom 14.6.24, RGBl. I, S. 641 ) durch folgende Regelung ersetzen: Ein Schuldner, der zahlungsunfähig geworden ist, kann bei dem für das Konkursverfahren zuständigen Gericht die Eröffnung eines gerichtlichen Vergleichsverfahrens beantragen. Dem Antrag ist ein Vergleichsvorschlag und die Zustimmungserklärung der Gläubiger beizufügen. Das Gericht stellt daraufhin die erforderlichen Ermittlungen an und entscheidet innerhalb einer Frist von drei Wochen über den Antrag. Kommt es dann zur Eröffnung des Verfahrens, so ist ein Vergleichstermin zu vereinbaren. Wird der Vergleichsvorschlag angenommen, so bedarf er der gerichtlichen Bestätigung. Wird er verworfen, so ist sofort über die Eröffnung des Konkursverfahrens zu entscheiden.

Im Begleitschreiben wird auf grundsätzliche Bedenken des REM hingewiesen. „Er ist der Auffassung, daß der Entwurf den Interessen der Landwirtschaft nicht genügt. Die Landwirtschaft müsse nach ihrer Wirtschaftsart mit längeren Fristen rechnen, als der Entwurf für die Abwicklung des Verfahrens vorsehe; der einzelne Landwirt sei auch häufig nicht geschäftsgewandt genug, um seine wirtschaftliche Lage zu jeder Zeit zu übersehen und alsbald mit dem ihn gegen Zwangsmaßnahmen der Gläubiger schützenden Antrag an das Gericht einen bestimmten Vergleichsvorschlag zu verbinden.“ Der REM habe daher vorgeschlagen, daß der Landwirt, der in Schwierigkeiten geraten ist, die Möglichkeit erhalten solle, vom Gericht die Bestellung einer Aufsichtsperson zu erbitten. Diese Aufsichtsperson, deren Bestellung den Schuldner vor einer Konkurseröffnung und vor Zwangsvollstreckungen schützen würde, solle die Aufgabe haben, innerhalb einer Frist von mehreren Monaten den Vermögensstand zu ermitteln und Klarheit darüber zu schaffen, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Vergleich möglich sei. Dann erst solle der Schuldner einen Vergleichsvorschlag einbringen; sei dies nicht möglich oder werde der Vorschlag abgewiesen, so sei der Konkurs zu eröffnen (R 43 I /1156 , Bl. 12-28).

Der Reichskanzler erklärte, daß er es für ausgeschlossen halte, einen Gesetzentwurf gegen das Handwerk herauszugeben ohne gleichzeitig den Gesetzentwurf[940] über die Aufhebung der Geschäftsaufsicht zu verabschieden. Es gäbe nur zwei Wege: Entweder die Regierung gäbe dem Drängen der Wirtschaft gegen die Preissenkungsaktion nach oder sie gehe ihren Weg logisch zu Ende. Alles oder nichts. Charakteristisch sei ja, daß jetzt im entscheidenden Stadium jedes Ressort gegen seinen eigenen Gesetzentwurf vorgehe.

Der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft begründete seine Bedenken. Bei der Landwirtschaft lägen die Verhältnisse ganz anders als im Gewerbe. Dazu komme, daß gerade heute die Organisationen der Landwirtschaft zu dem Gesetzentwurf Stellung nähmen und es daher nicht zweckmäßig sei, kurz vorher den Entwurf zu verabschieden. Im übrigen sähe er auch keinen besonders großen Zusammenhang zwischen diesem Gesetzentwurf und der Preissenkungsaktion.

Der Reichsarbeitsminister stimmte den grundsätzlichen Ausführungen des Reichskanzlers zu. Seiner Ansicht nach bestehe ein außerordentlich großer Zusammenhang zwischen der Preissenkungsaktion und diesem Gesetzentwurf. Gegenüber der Landwirtschaft dürften auf diesem rein rechtlichen Gebiet Ausnahmen nicht gemacht werden.

Der Reichskanzler wies darauf hin, daß die durch die Reichsbank in Aussicht genommene Kreditverflüssigung4 überhaupt nicht tragbar sei, wenn nicht gleichzeitig die Aufhebung der Geschäftsaufsicht in Aussicht genommen werde. Außerdem sei es einfach eine wahrhaft vaterländische Verpflichtung für das gegenwärtig geschäftsführende Kabinett, die vorgelegten Gesetzentwürfe zu verabschieden und nicht das neue Kabinett erneut vor diese Dinge zu stellen.

4

Vgl. die Mitteilungen Schachts in seinem Bericht zur Lage der Rbk vom 5. 12. (Dok. Nr. 244).

Der Reichswehrminister wies darauf hin, daß der Gesetzentwurf schon seit langem angekündigt sei. Jetzt gäbe es kein Zurück mehr.

Der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft erwiderte, daß seinem Ministerium die Gesetzentwürfe erst vor 8–10 Tagen zugegangen seien.

Staatssekretär Joel erwiderte, daß die Organisationen die Entwürfe schon am 13. 11. erhalten hätten. Dem Reichsministerium für Ernährung und Landwirtschaft seien diese Dinge schon seit längerer Zeit bekannt.

Der Reichskanzler stellte daraufhin fest, daß gegen die wirtschaftlichen Gründe, die für die Gesetzentwürfe sprächen, Einwendungen nicht erhoben werden. Es handele sich nur noch um die Frage, ob, gesamtpolitisch gesehen, es für möglich gehalten werde, den Gesetzentwurf dem neuen Kabinett zu überlassen, ohne die Aktion zu schädigen.

Die Frage wurde von allen Ministern mit Ausnahme des Reichsministers für Ernährung und Landwirtschaft verneint.

Der Reichskanzler bat den Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft, seinen Standpunkt zu begründen.

Der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft wies darauf hin, daß die Lage in der Landwirtschaft eben eine andere sei als im Gewerbe. Von der[941] Geldverflüssigung werde insbesondere die Landwirtschaft keinen Vorteil haben.

Der Reichsarbeitsminister wiederholte, daß es in dieser Rechtsfrage nicht angehe, nach Berufen zu scheiden. Es blieben nur die Bedenken bezüglich der Anhörung der Interessenten übrig. Es sei bekannt gewesen, daß das Kabinett heute zurücktrete5. Die Interessenten hätten sich dann entsprechend beeilen müssen. Jetzt müsse vorwärtsgekommen werden.

5

Vgl. dazu Dok. Nr. 243.

Der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft erklärte daraufhin, daß er seinen ablehnenden Standpunkt aufgebe.

Der Gesetzentwurf wurde unverändert angenommen6.

6

Der Entw. geht als Art. I in den „Entwurf eines Gesetzes zur Förderung des Preisabbaus“ (vgl. Anm. 1) ein, der am 5. 12. als gemeinsame Vorlage des RWiM, des REM und des RJM dem RR zugeleitet wird (RR-Drucks. Nr. 184, Bd. 1925 II). Zum Fortgang s. Dok. Nr. 267.

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