2.114 (ma11p): Nr. 114 Der Reichswehrminister an den Reichsminister des Innern. 19. Februar 1924

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[385] Nr. 114
Der Reichswehrminister an den Reichsminister des Innern. 19. Februar 1924

R 43 I /2708 , Bl. 218-222 Abschrift1

1

Je eine Abschrift wird von Schleicher am 20. 2. an StS Bracht und StS Meissner übersandt. Dem Schreiben des RWeM sind 18 Anlagen beigefügt.

[Ausnahmezustand]

Das Reichskabinett hat beschlossen, daß Erwägungen unter den beteiligten Ressorts darüber anzustellen seien, in welcher Weise durch besondere Maßnahmen umstürzlerischen Bestrebungen in Zukunft entgegenzutreten sei2.

2

Vgl. hierzu Dok. Nr. 99, P. 4 und 6.

Auf Grund dieses Beschlusses gestatte ich mir, folgendes zur Erwägung zu geben:

Falls noch Ausnahme-Maßnahmen in Kraft bleiben sollen, würde ich es für bedenklich halten, wenn man den Ländern weitgehende Befugnisse übertragen wollte, die sie nach eigenem Gutdünken verwenden könnten. Ich würde folgenden Weg für gangbar halten:

1.) Sachsen: Die kommunistischen Tumulte in Westsachsen haben bewiesen, daß dort die Verhältnisse noch nicht genügend gefestigt sind. 2 Berichte des Wehrkreiskommandos IV, denen ich in jeder Beziehung beitrete, lege ich bei3. Wie stark die Beunruhigung in Sachsen noch ist, zeigt eine Unzahl von Gesuchen um Beibehalt des Ausnahmezustandes, die täglich im Reichswehrministerium eingehen. Unter diesen Umständen ist die Aufhebung des militärischen Ausnahmezustandes in Sachsen am 1. 3. nur dann möglich, wenn Generalleutnant Müller melden kann, daß die vom Wehrkreiskommando aufgestellten Punkte vollständig durchgeführt sind4.

3

Der erste Bericht ist als Anlage abgedruckt.

4

S. dazu Anm. 12.

2.) Für das übrige Reich: Eine Verordnung des Herrn Reichspräsidenten, in der er seine Verordnungen vom 26. 9. und 8. 11.5 aufhebt, die Grundrechte der Verfassung, für die dies nach Art. 48,2 angängig ist, weiter außer Kraft setzt, sich allein aber vorbehält, alle hieraus folgenden Anordnungen zu erlassen, und folgende Maßnahmen des militärischen Ausnahmezustandes erneut verordnet:

5

RGBl. 1923 I, S. 905  und S. 1084.

Das Verbot der Organisationen und Einrichtungen der Kommunisten und Deutschvölkischen,6

6

Vgl. dazu Dok. Nr. 42, Anm. 3.

das Verbot von Selbstschutzverbänden aller Art,

das Verbot des Handels mit militärischem Kampfgerät,

das Verbot der Veröffentlichung von Waffenfunden. (Eine Verordnung des Wehrkreiskommandos VI ist nur als Beispiel beigelegt7.)

7

Anordnung des Befehlshabers im Wehrkreis VI (Münster), Genlt. v. Loßberg, an alle Regierungsbehörden vom 23.10.23: „In der Presse sind in letzter Zeit Nachrichten über Waffenfunde, Beschlagnahmungen oder Transporte von Waffen teils aus Sensationssucht, teils aus Parteiinteresse veröffentlicht worden. Solche Nachrichten geben unseren Feinden immer wieder Gelegenheit, irreführende Mitteilungen über Waffenbestände in Deutschland öffentlich bekanntzugeben. Wie unmittelbarer Verrat an die IMKK bereits vom Reichsgericht als Landesverrat verfolgt wird, so bedeuten auch solche Nachrichten eine ausgesprochene Schädigung der Landesinteressen. Gegen Zeitungen, die derartige Nachrichten bringen, bin ich gezwungen einzuschreiten.“

[386] Ferner wäre zu bestimmen, daß die am 29. 2. bestehenden Schutzhaftbefehle weiter gelten, sofern nicht der Staatsgerichtshof oder der Reichsminister des Innern ihre Aufhebung beschließt.

Die Ausführung dieser Verordnung wäre dem Reichsminister des Innern zu übertragen.

[…]

Die vorstehenden Anregungen stellen einen Niederschlag aus den Erfahrungen des militärischen Ausnahmezustandes dar. Wie weit Sie im einzelnen davon Gebrauch machen wollen, stelle ich Ihrer Entscheidung ergebenst anheim.

gez. Dr. Geßler

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