1.153.10 (ma12p): 10. Entwurf von Richtlinien über die Aufnahme von Auslandskrediten durch Länder und Gemeinden.

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10. Entwurf von Richtlinien über die Aufnahme von Auslandskrediten durch Länder und Gemeinden.

Staatssekretär Fischer15: Zur Vermeidung der Gefahren, die sich aus der ungeregelten Inanspruchnahme des ausländischen Kapitalmarktes durch öffentliche Verbände für unsere Währung und die allgemeine Finanzpolitik des Reiches ergeben hätten, sei in der am 31. Oktober 1924 abgehaltenen Besprechung der Finanzminister der Länder zwischen den Ländern einerseits und dem Reiche andererseits die Verabredung getroffen worden, bis zur Aufstellung von Richtlinien, jedenfalls aber bis zur nächsten Finanzministerbesprechung am 7. November 1924 von der Aufnahme von Auslandskrediten abzusehen. Der Umstand, daß sich ein Land nicht an diese Verabredung habe halten wollen, habe die Veranlassung zum Erlaß der Verordnung des Reichspräsidenten über Aufnahme von Auslandskrediten durch Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände vom 1. November 192416 gegeben. Diese Verordnung mache die rechtsgültige Aufnahme von Auslandskrediten der Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände von der Zustimmung des Reichsministers der Finanzen abhängig. Der Reichsminister der Finanzen könne seine Zustimmung nur versagen, wenn der Reichsrat der Ablehnung zustimme. Die Verordnung habe im Auslande einen guten Eindruck gemacht.

15

Die folgenden Ausführungen StS Fischers decken sich fast wörtlich mit einer Kabinettsvorlage des RFM vom 26. 11., in der die bisherigen Verhandlungen des RFM mit den Ländern über die Regelung der Aufnahme von Auslandskrediten dargestellt werden (R 43 I /2358 , Bl. 194-199).

16

Zu dieser VO s. Dok. Nr. 347, Anm. 8.

Der Erlaß der Verordnung vom 1. November 1924 sei von einzelnen Ländern lebhaft angegriffen worden, da hierin ein Eingriff in die Finanzhoheit der Länder erblickt worden sei. In der unter dem Vorsitz des Reichsministers der Finanzen abgehaltenen Besprechung der Finanzminister der Länder am 7. November 1924 habe der Reichsminister der Finanzen die Erklärung abgegeben, daß nach seinem Dafürhalten der Reichspräsident und die Reichsregierung[1207] nicht unbedingt an dieser Verordnung festhalten würden, wenn hinsichtlich der Aufnahme von Auslandskrediten durch öffentliche Verbände zwischen den Ländern eine Einigung erzielt würde, die währungs- und finanzpolitisch die gleichen Sicherungen wie die mit der Verordnung beabsichtigten gewährleisten würde. Die Länder hätten auf Grund dieser Erklärung einen unter dem Vorsitz des Reichsministers der Finanzen aus je einem Vertreter Preußens, Bayerns, Sachsens, Württembergs, Hamburgs und Bremens zusammengesetzten Ausschuß mit der Ausarbeitung von Richtlinien beauftragt, die den Länderregierungen als Grundlage einer Vereinbarung vorgeschlagen werden sollten.

Dieser Ausschuß habe nunmehr Richtlinien aufgestellt. Mit ihrer Durchführung würde ein Zustand geschaffen werden, der dem mit der Verordnung des Reichspräsidenten vom 1. November 1924 verfolgten Ziel entspreche. Er (Staatssekretär Fischer) werde daher der Reichsregierung vorschlagen17, dem Reichspräsidenten die Aufhebung dieser Verordnung zu empfehlen, sobald folgende Voraussetzungen erfüllt seien:

17

Es muß heißen: Der Reichsfinanzminister werde daher der Reichsregierung vorschlagen; so in der Kabinettsvorlage des RFM vom 26. 11. (s. Anm. 15).

a)

Die Länder müßten die Verpflichtung übernehmen, die Richtlinien innezuhalten und für ihre Beachtung Sorge zu tragen.

b)

Das Aufsichtsrecht der Länder über die unter die Richtlinien fallenden öffentlichen Verbände und Kreditinstitute müsse, gegebenenfalls im Wege von Notverordnungen, durch die Länderregierungen dahin erweitert werden, daß den Landesaufsichtsbehörden ein entscheidender Einfluß auf die Aufnahme von Auslandskrediten durch diese Verbände und Anstalten gesichert sei.

Staatssekretär Fischer trug sodann kurz den Inhalt der Richtlinien vor18.

18

Der Entwurf der „Richtlinien über die Aufnahme von Auslandskrediten durch Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände“ ist der Kabinettsvorlage des RFM vom 26. 11. (Anm. 15) als Anlage beigefügt. Diese Richtlinien legen fest, welche Auslandskredite nach Form, Belastung, Verwendungszweck und Sicherstellung als unbedenklich gelten können. Vor der Aufnahme von Auslandskrediten hat die beteiligte Landesregierung das Gutachten einer „Beratungsstelle“ einzuholen, die aus Sachverständigen der Länder und des Reichs gebildet wird. Kommt eine Einigung mit der Beratungsstelle nicht zustande, hat das betreffende Land die Entscheidung eines Ausschusses aus Vertretern der Länderregierungen einzuholen. Hinsichtlich der Kompetenz dieses Länderausschusses enthalten die Richtlinien (in Abschnitt C) zwei Alternativfassungen. In der ersten Fassung heißt es: „Dieser Ausschuß entscheidet mit einfacher Stimmenmehrheit endgültig, ob der Kredit aufgenommen werden darf oder nicht.“ In der abgeschwächten zweiten Fassung heißt es: „Dieser Ausschuß beschließt mit einfacher Stimmenmehrheit. Die Länderregierungen entscheiden selbständig darüber, ob und wieweit sie der Stellungnahme dieses Ausschusses entsprechen wollen. Dabei sind sich jedoch die Länder darüber einig, daß ihr eigenes Interesse […] die Beachtung der Stellungnahme dieses Ausschusses erfordert. Sollte das Gutachten des Ausschusses keine ausreichende Beachtung finden, so nehmen die Länder in Aussicht, dem Ausschuß eine entscheidende Einwirkung in der Frage der Auslandskredite einzuräumen.“ Zur endgültigen Fassung der Richtlinien s. Anm. 22.

Staatssekretär Krohne: Seine Bedenken richteten sich gegen den Inhalt der Richtlinien19, und zwar gegen folgende Punkte:

19

Seine Bedenken gegen die Richtlinien hatte StS Krohne auch in einem Schreiben vom 2. 12. an sämtliche RM dargelegt (R 43 I[2358).

a)

Bedenklich sei es, daß der Maximalsatz für die Belastung durch den Kredit [1208] zur Zeit 7½% betragen solle, da die Belastung durch die Dawes-Anleihe20 im ganzen 8½% ausmache21.

b)

Nicht tragbar sei ferner die Bestimmung, daß die von Ländern, Gemeinden oder Gemeindeverbänden aufzunehmenden Kredite nicht an physische oder juristische Personen des Privatrechts weitergegeben werden dürften, sowie endlich die Bestimmung der Richtlinien,

c)

daß die Auslandskredite unmittelbar produktiven Zwecken dienen müßten, d. h. solchen werbenden Anlagen, die durch unmittelbare Erzeugung von Werten die Verzinsung und die Amortisation des investierten Kapitals aus eigenen Einnahmen gewährleisteten, ohne daß allgemeine Einnahmen des öffentlichen Verbandes in Anspruch genommen würden.

20

Anstelle „die Dawes-Anleihe“ im Protokoll irrtümlich „das Dawesgutachten“.

21

Im Schreiben Krohnes vom 2. 12. (Anm. 19) heißt es hierzu: „Die Bemessung der Höchstbelastung auf zur Zeit 7½% macht gegenwärtig Auslandskredite unmöglich. Wenn die Dawes-Anleihe ohne Amortisationsquote eine Belastung des Reichs von 8½% vorgesehen hat, sind Gelder, die ein Unternehmen alles in allem nur mit 7½% belasten, im Ausland nicht erhältlich.“

Es sei hiernach z. B. unmöglich, Kredite für den Bau von Wasserstraßen zu erhalten. Aus süddeutschen Kreisen seien starke Bedenken gegen die Richtlinien vorauszusehen.

Staatssekretär Fischer verwies auf die Bestimmungen unter C) der Richtlinien, die gewisse Ausnahmen zuließen und geeignet seien, die Bedenken des Staatssekretärs Krohne zu zerstreuen.

Das Kabinett stimmte sodann dem Vorschlage des Staatssekretärs Fischer, dem Reichspräsidenten die Aufhebung der Verordnung über Aufnahme von Auslandskrediten durch Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände vom 1. November 1924 nach Erfüllung der erwähnten Voraussetzungen zu empfehlen, zu. Es erklärte sich ferner mit dem Entwurf der Richtlinien über die Aufnahme von Auslandskrediten durch Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände einverstanden22.

22

Die endgültige Fassung der „Richtlinien über die Aufnahme von Auslandskrediten durch Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände“, die in einer Sitzung der Ländervertreter am 23. 12. angenommen wird, ist als Dok. Nr. 381 abgedruckt.

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