2.118.3 (vpa1p): 3. Kontingente.

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Das Kabinett von Papen Band 1Das Kabinett von Papen Bild 183-R1230-505Wahllokal in Berlin Bild 102-03497AGöring, Esser und Rauch B 145 Bild-P046294Ausnahmezustand in Berlin während des „Preußenschlages“.Bild 102-13679

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3. Kontingente.

Der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft machte eingehende Ausführungen im Sinne seiner Kabinettsvorlage über die Notwendigkeit, die Einfuhr landwirtschaftlicher Erzeugnisse durch Kontingentierung zu regeln17. Er[462] bat um eine Entscheidung des Kabinetts über die grundsätzliche Frage und über die Art des Vorgehens. Die Einzelheiten müßte der handelspolitische Ausschuß18 beschließen19.

17

Als Kabinettsvorlage hatte der REM am 24. 8. übersandt: 1) den „Entwurf einer Verordnung über die Einfuhr von Waren“, der eine umfangreiche Aufstellung von Erzeugnissen (u.a. Produkte der Vieh-, Milch- und Geflügelwirtschaft, des Garten-, Obst- und Weinbaus, der Holzwirtschaft und der Fischerei) enthielt, deren Einfuhr nach Dtld. künftig „nur mit Bewilligung“ bzw. mit einer vom zuständigen Hauptzollamt ausgestellten Einfuhrbescheinigung zulässig sein und in der Zeit vom 1. 9. bis 31.12.32 einer drastischen Kontigentierung (d. h. Reduzierung der Einfuhrmengen bei den einzelnen Warenarten auf 30 bis 90% der Einfuhrmengen des gleichen Vorjahrszeitraums) unterliegen sollte; 2) eine nach Produkten gegliederte Aufstellung der Importe aus allen am Handelsverkehr mit Dtld. beteiligten Ländern, deren Einfuhr durch die VO betroffen wäre; 3) eine Zusammenstellung über „Agrarpolitische Abwehrmaßnahmen europäischer Länder zum Schutze ihrer Volkswirtschaft (seit Beginn des Jahres 1931)“. – In seinem Begleitschreiben (32 Seiten) hatte der REM zur Begründung der VO u. a. ausgeführt: „Der Zollschutz für die bäuerliche Veredelungswirtschaft, der als das normale Mittel der Beeinflussung der Einfuhr angesehen werden muß, ist in zahlreichen Handelsverträgen verstrickt. Seine rechtzeitige Befreiung von diesen Bindungen wurde leider mit Rücksicht auf die Exportinteressen der Industrie unterlassen oder nur unzulänglich durchgeführt. Heute steht nun Deutschland vor der Entscheidung, ob es die bäuerliche Veredelungswirtschaft verkümmern und damit den Binnenmarkt einem nicht mehr zweifelhaften Schicksal überlassen will, oder ob es mit entschlossener Kraftanstrengung die Voraussetzung für den Wiederaufbau seiner bäuerlichen Wirtschaft, für die Stärkung der Kaufkraft der Landwirtschaft und damit für die Kräftigung und den Ausbau des Binnenmarktes schaffen will. Eine Verzögerung dieser schon seit Jahren notwendig gewesenen Entscheidung ist nicht mehr möglich. Darüber, daß eine Wiederherstellung der landwirtschaftlichen Rentabilität und die Steigerung der landwirtschaftlichen Erzeugung auf das höchstmögliche Maß eine Lebensnotwendigkeit für das deutsche Volk ist, bestehen auf keiner Seite Zweifel.“ Allerdings werde u. a. eingewandt, daß „durch Schaffung des Schutzes gegenüber dem Auslande die deutsche Ausfuhr vernichtend getroffen werden“ müsse, „weil das Ausland sich gegen solche Maßnahmen wehren würde“. Dabei lasse die Ausfuhrstatistik – insbesondere hinsichtlich der Ausfuhr industrieller Fertigwaren (Ausfuhr 1928 = 8,7 Mrd., Jan. 1932 = 416 Mio, Juli 1932 = 340 Mio RM) – nur zu deutlich erkennen, daß der Erfolg der bisherigen dt. Handelspolitik, die in erster Linie den industriellen Ausfuhrinteressen gerecht werden sollte, nicht von Dauer gewesen ist. „Es besteht wohl kein Zweifel, daß, solange die Krise fortdauert und die Aufnahmeländer deutscher Indusstrieerzeugnisse zum Schutze ihrer nationalen Produktion Absperrungsmaßnahmen für notwendig halten, die deutsche Industrie mit einem weiteren Rückgang ihrer Ausfuhr zu rechnen hat, ohne daß durch deutsche Maßnahmen diesem Verfall entgegengetreten werden könnte. – Mit dem weiteren Nachlasse der deutschen Ausfuhr müssen weitere Hunderttausende brotlos werden und neuerliche schwere finanzielle Belastungen der Allgemeinheit entstehen, wenn nicht versucht wird, diesem im Laufe der nächsten Zeit sicherlich eintretenden Rückgang der Ausfuhr durch einen Aufbau des Binnenmarktes rechtzeitig entgegenzutreten. Es kann nicht verantwortet werden, dieser voraussehbaren Entwicklung gegenüberzustehen, ohne den Versuch zu machen, durch Umstellung der Wirtschaftspolitik und Ausbau der vorhandenen Produktionsmöglichkeiten die landwirtschaftliche Erzeugung rentabel zu machen, damit den Anreiz zu einer gesteigerten Erzeugung zu geben und so […] neue Beschäftigungsgelegenheiten zu finden. Richtig ausgenutzt bedeuten solche in der Landwirtschaft liegenden Möglichkeiten auch eine gesteigerte Beschäftigung der Industrie, gleichzeitig aber auch eine größere Unabhängigkeit vom Auslande hinsichtlich unserer Ernährung, ein bei unserer Devisenlage nicht zu unterschätzender Faktor.“ (R 43 I /1176 , Bl. 2–73).

18

Über Aufgaben und Zusammensetzung dieses im März 1925 geschaffenen Ausschusses der RReg. s. diese Edition: Die Kabinette Luther I/II, Dok. Nr. 26, P. 2; 42, P. 2.

19

Zur Stellungnahme des Ausschusses s. Anm. 8 zu Dok. Nr. 131.

Aus politischen Gründen werde das Kabinett an der Kontingentierung nicht vorbeikommen. Die Landwirtschaft verlange sie und das Kabinett hänge von ihr ab. Käme die Kontingentierung nicht, so sei zu befürchten, daß die landwirtschaftlichen Betriebe veröden, ähnlich wie in England Mitte des vorigen Jahrhunderts. Daraus ergebe sich dann eine schwere Gefahr für die Devisenlage, zumal fraglich sei, ob die Ausfuhr weiter ausreichend erfolgen könne. Gegenüber Bedenken des Reichskanzlers und des Reichswirtschaftsministers gegen eine sofortige Entscheidung wies der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft darauf hin, daß lediglich der Grundsatz festgelegt werden solle. Wenn sich der handelspolitische Ausschuß nicht einigen könne, so werden die Streitfragen vom Kabinett zu entscheiden sein.

Nach kurzer Debatte, in der sich der Reichsminister des Auswärtigen und der Reichsarbeitsminister grundsätzlich mit dem Vorschlage des Reichsministers für Ernährung und Landwirtschaft einverstanden erklärten, ergab sich auf Vorschlag des Reichswehrministers und des Reichsministers der Justiz folgendes:

Die Reichsregierung beschloß zur Behebung von Notständen in der Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Fischerei im Rahmen ihres umfassenden Wirtschaftsprogramms auch das Mittel der Einfuhrkontingentierung anzuwenden, soweit[463] es nach den geltenden Handelsverträgen rechtlich zulässig ist. Voraussetzung ist, daß in jedem einzelnen Falle gesondert verfahren wird20.

20

Zum Fortgang s. Dok. Nr. 124 und 129.

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