2.10 (vpa1p): Nr. 10 Der Reichskanzler an den Präsidenten des Preußischen Landtages Kerrl. 6. Juni 1932

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Text

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Nr. 10
Der Reichskanzler an den Präsidenten des Preußischen Landtages Kerrl. 6. Juni 19321

1

Auch abgedr. bei Trumpp, Franz von Papen, S. 180 f.

R 43 I /2280 , S. 3 Entwurf2

2

Das ausgefertigte Schreiben wurde lt. Kanzleivermerk (R 43 I /2280 , S. 3) am 6. 6. abgesandt. – Am Kopf des Entwurfs ist maschinenschrl. vermerkt: „Das Einverständnis des Herrn Reichsministers des Innern ist eingeholt worden.“

[Regierungsbildung in Preußen, Einberufung des Landtages zur Wahl eines Ministerpräsidenten]

Sehr geehrter Herr Präsident!

Eine große Reihe lebenswichtiger Fragen harrt in Preußen dringend der Lösung. Sie werden, sehr geehrter Herr Präsident, mit mir der Auffassung sein, daß die Lösung dieser Fragen nicht von einer geschäftsführenden3, sondern[23] nur von einer Regierung durchgeführt werden kann, welche gemäß Art. 45 der Preußischen Verfassung zustande gekommen ist4. Ich befürchte in sehr naher Zeit schwere Gefahren insbesondere finanzieller Art für das Land Preußen, wenn nicht unverzüglich der Versuch einer Regierungsbildung unternommen wird5. Die Reichsregierung wird eine dauernde Behebung der finanziellen Schwierigkeiten Preußens6 nur im Benehmen mit einer ordnungsmäßig zustandegekommenen preußischen Regierung durchführen können. Ich möchte daher die dringende Bitte aussprechen, daß Sie, sehr geehrter Herr Präsident, alsbald den Zusammentritt des Landtages zum Zwecke der Wahl des Ministerpräsidenten veranlassen7.

3

Bei der Landtagswahl vom 24.4.32 hatte die bisherige Regierung Braun (SPD, Zentrum, Staatspartei) ihre Mehrheit im Landtag verloren und war nach ihrer Demission (19. 5.) als geschäftsführende Regierung im Amt geblieben. Eine sichere Mehrheit bot nur eine Koalition aus NSDAP und Zentrum (229 von 423 Sitzen). Sie erschien jedoch unerreichbar angesichts der entschiedenen Weigerung des Zentrums, an Kombinationen teilzunehmen, „die irgendwie eine Stützung der Politik des neuen Reichskabinetts bedeuten würden“ (Horkenbach 1932, S. 175), und allzu weitgehender Forderungen der NSDAP (Amt des Ministerpräsidenten und vier Sitze im Kabinett). Vgl. dazu Vogelsang, Reichswehr, Staat und NSDAP, S. 212 f.; Morsey, Die Deutsche Zentrumspartei, in: Das Ende der Parteien, S. 311. Vgl. auch Anm. 5 zu Dok. Nr. 54.

4

Art. 45: „Der Landtag wählt ohne Aussprache den Ministerpräsidenten. Der Ministerpräsident ernennt die übrigen Staatsminister.“ (Pr. Gesetzsammlung 1920, S. 543, 551).

5

In diesem Zusammenhang war bei einer Besprechung Papens mit LTPräs. Kerrl in den unmittelbar vorangegangenen Tagen eine schriftliche Vereinbarung getroffen worden, aus der hervorgeht, daß die Absichten des RK darauf hinzielten, eine Koalition zwischen Zentrum, NSDAP und DNVP in Preußen zustandezubringen und hierdurch das Zentrum zur Einstellung seiner scharfen Opposition gegen die neue RReg. zu veranlassen. Die Vereinbarung enthielt zwei Bedingungen als Voraussetzung der Regierungsbildung: „1. Ministerpräsident und außer anderen Ressorts der Innenminister werden von der NSDAP gestellt. 2. Das Zentrum muß, wenn es sich an der preußischen Regierungsbildung beteiligen will, seine grundsätzliche, heftige Opposition gegen die Reichsregierung von Papen aufgeben.“ Außerdem hatte sich der RK erboten, für die Übermittlung dieser Bedingungen an die DNVP und an das Zentrum Sorge zu tragen. „Der Herr Reichskanzler betonte, daß der Reichsregierung an einer möglichst raschen Klärung der preußischen Regierungsverhältnisse dringend gelegen sei, damit bald die für Preußen unbedingt erforderlichen Reformmaßnahmen in Angriff genommen werden können. Der Reichskanzler wird am 8. 6. Geheimrat Hugenberg und Staatsminister Hirtsiefer von den oben genannten Bedingungen unterrichten, unter denen die NSDAP zur Führung der Regierungsbildung bereit ist.“ (NL Schleicher  25, Bl. 17). Vgl. hierzu auch die Mitteilungen v. Papens in der Besprechung mit den Länderchefs am 23. 7. (Dok. Nr. 83). – Zur Frage der Regierungsbildung in Preußen und über weitere ergebnislose Bemühungen der RReg., das Zentrum ihr gegenüber zu einer gemäßigteren Haltung zu bewegen, einige Materialien in ZSg. 101/25 und NL Schleicher 22, Bl. 32–44 (u. a. Briefwechsel zwischen Schleicher und Brüning, 20. 6. – 1.7.32).

6

Vgl. Dok. Nr. 11.

7

Nach einigen stürmischen Sitzungen zwischen dem 24. 5. und 3. 6. hatte sich der PrLT bis zum 22. 6. vertagt (PrLT-Bd. 762, Sp. 2–306). In seinem Antwortschreiben an den RK vom 7. 6. wies Kerrl auf dieses Datum hin: „Von mir aus einen früheren Termin für die Einberufung des Landtags zu bestimmen, hielt ich aus dem Grunde nicht für tunlich, weil der gewählte Termin dem Willen der Mehrheit des Landtags entsprach.“ Jedoch habe er nunmehr die Einberufung des Ältestenrats für den 10. 6. veranlaßt (R 43 I /2280 , S. 5). Dieser beschloß die Einberufung des Plenums für den 15.6.32 (Schultheß 1932, S. 105). – Zum Fortgang s. Dok. Nr. 16.

Mit dem Ausdruck ausgezeichneter Hochachtung

ergebenst

P[apen]

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