1.50.3 (vpa2p): 4. Urteil des Staatsgerichtshofs.

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[816]4. Urteil des Staatsgerichtshofs.

Der Reichskanzler führte aus, es sei unbedingt notwendig, daß etwas geschehe, um die beunruhigenden Wirkungen des Urteils des Staatsgerichtshofs in der Frage des Reichskommissars für Preußen in der Öffentlichkeit abzuschwächen9. Es sei nach seiner Auffassung zu bedauern, daß das Urteil keine schöpferischen Gedanken enthalte, sondern sich gewissermaßen darauf beschränke, ein Schiedsspruch zu sein.

9

Hierzu vgl. Dok. Nr. 178, P. 11.

Ministerpräsident Braun sei morgen (29. 10.) bei dem Herrn Reichspräsidenten10 und werde wohl voraussichtlich ausführen, daß die dem geschäftsführenden Preußischen Staatsministerium durch das Urteil des Staatsgerichtshofs zugebilligte Instruierung der Reichsratsvertreter eine Orientierung des geschäftsführenden Staatsministeriums über die laufenden Arbeiten erforderlich mache. In diesem allgemeinen Sinne sei eine Orientierung des Staatsministeriums nach seiner Auffassung jedoch nicht möglich.

10

Dok. Nr. 182.

Nach seiner Auffassung sollte man den Mitgliedern der geschäftsführenden Staatsregierung Büroräume im Volkswohlfahrtsministerium zur Verfügung stellen.

Reichskommissar Bracht müsse von Fall zu Fall darüber entscheiden, inwieweit eine Unterrichtung der Mitglieder des Preußischen Staatsministeriums erforderlich sei. Vielleicht empfehle es sich, den ehemaligen Ministerialdirektor Dr. Brecht als Zwischenperson zwischen dem Reichskommissar Dr. Bracht und dem Ministerpräsidenten Braun einzuschalten.

Das Ziel der Verfassungsreform müsse weiter verfolgt werden. Er, der Reichskanzler, habe die Absicht, Dr. Bracht und den früheren Staatssekretär Dr. Popitz zu Reichsministern ohne Portefeuille zu ernennen, letzteren unter Ernennung zum kommissarischen Preußischen Finanzminister.

Die Preußische Verwaltungsreform müsse heute oder morgen (28. oder 29. Oktober) zum Abschluß gebracht werden11. Im Sinne der Beseitigung des Dualismus Reich–Preußen sei es weiter erforderlich, den Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft, Freiherrn von Braun, zum kommissarischen Preußischen Landwirtschaftsminister zu machen. Als kommissarischer Kultusminister sei Universitätsprofesor Dr. Kaehler, Greifswald, in Aussicht genommen12. Es werde sich nach seiner Auffassung empfehlen, daß der Reichsminister des Innern in seiner heutigen Rede vor der Presse13 betone, daß die Reichsregierung ihre bisherigen Ziele auf dem Gebiete der Reichs- und Verfassungsreform unbeirrt weiter verfolgen werde.

11

Geschehen in der Sitzung der Pr. Kommissariatsregierung am 28./29. 10. (Dok. Nr. 181).

12

Zu den Ernennungen s. unten Anm 17.

13

Dok. Nr. 180.

Der Herr Reichspräsident habe ihn, den Reichskanzler, gebeten, bei dem Empfange des Ministerpräsidenten Braun zugegen zu sein.

Staatssekretär Dr. Zarden machte Ausführungen zu der Frage der Etatisierung[817] der in Aussicht genommenen Reichsminister ohne Portefeuille. Er wies darauf hin, daß es kaum möglich sein werde, den im Etat der Reichskanzlei 1932 vorgesehenen, seinerzeit von dem Reichsminister Schlange-Schoeningen eingenommenen Posten des Reichsministers ohne Portefeuille wieder zu besetzen, weil hier der Zusatzvermerk enthalten sei „künftig wegfallend“. Auch werde es nicht möglich sein, den zur Zeit freien Posten eines Reichspostministers etatsrechtlich für einen der vorgesehenen Reichsminister ohne Portefeuille zu gebrauchen.

Daß es an sich möglich sei, Reichsminister ohne Portefeuille zu ernennen, könne nicht bezweifelt werden. Vielleicht sei es am zweckmäßigsten, eine Notverordnung zur Ergänzung des Etats ergehen zu lassen, in der zwei Reichsminister ohne Portefeuille vorgesehen würden.

Staatssekretär Dr. Meissner führte aus, daß der Herr Reichspräsident gegen eine Notverordnung keine Bedenken haben werde14.

14

Eine derartige NotVO wurde nicht erlassen.

Der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft führte aus, daß er die Posten je eines Dirigenten für das Siedlungswesen und für die Absatzfragen der Landwirtschaft dringend gebrauche. Es werde sich empfehlen, diese beiden Stellen gleichfalls in der erwähnten Notverordnung aufzunehmen.

Staatssekretär Dr. Zarden führte aus, daß der Reichsminister der Finanzen die Schaffung eines besonderen Dirigentenpostens für die Absatzfragen der Landwirtschaft ihm gegenüber ausdrücklich abgelehnt habe. Nicht ganz so ablehnend habe sich der Reichsminister der Finanzen zu der Frage der Schaffung eines Dirigentenpostens für das Siedlungswesen ausgesprochen.

Reichskommissar Dr. Bracht führte aus, daß er einen Runderlaß über die Gehorsamspflicht der preußischen Beamten gegenüber dem Reichskommissar für dringend erforderlich halte und verlas den Entwurf eines Runderlasses15.

15

Möglicherweise handelt es sich hierbei um den folgenden, nach WTB von Bracht bereits am 26.10.32 „an alle preußischen Behörden gerichteten“ Erlaß: „Die Gehorsamspflicht der preußischen Beamten gegenüber dem durch die Verordnung des Reichspräsidenten vom 20. Juli 1932 eingesetzten Reichskommissar und den von ihm bestellten Vertretern steht nach dem Urteil des Staatsgerichtshofs vom 25. Oktober 1932 fest.“ (WTB Nr. 2288 vom 26. 10. in R 43 I /2281 , S. 198). Ein später datierter diesbez. Runderlaß konnte nicht ermittelt werden.

Der Reichsminister der Justiz wies darauf hin, daß die Zugehörigkeit des früheren Staatssekretärs Dr. Popitz zum jetzigen Reichskabinett in Süddeutschland eine gewisse Unruhe auslösen werde, weil Popitz als reiner Unitarier in Süddeutschland bekannt sei16.

16

Zur Haltung des Kabinetts in der Frage der Ernennung von Popitz bemerkte Planck gegenüber Schäffer am 28. 10.: „Es waren keineswegs alle Kabinettsmitglieder dafür. Auch sonst waren Widerstände. Zarden ist an die Decke gegangen, als er von dem Gedanken gehört hat.“ (Schäffer-Tagebuch, IfZ ED 93, Bd. 23 a, S. 941). Auch Schleicher war gegen Popitz’ Ernennung und hatte Bredow beauftragt, seinen „Einspruch“ geltend zu machen. Bredow berichtete dem RWeM mit Schreiben vom 29. 10.: „Es ist kein Beschluß des Kabinetts gefaßt worden. Herrn Generals Einspruch habe ich aber sowohl bei Planck wie beim Kanzler angemeldet. Auch habe ich Meissner dies informatorisch mitgeteilt. Gegen Popitz waren Bedenken auch besonders von Gürtner nach der Kabinettssitzung eingebracht. Popitz ist Unitarist, somit als Reichsminister für die Länder untragbar. Man überlegte noch eine bestimmte Fassung und wollte auch in der Presse die etwaigen Bedenken zerstreuen.“ (NL Bredow  2, Bl. 75–77). – Über die unitaristischen Tendenzen in Popitz’ Plänen zur Staatsgestaltung vgl. Dieckmann, Johannes Popitz, S. 98 ff. und 130 ff.; Bentin, Johannes Popitz und Carl Schmitt, S. 13 ff.

[818] Staatssekretär Dr. Zarden warf die Frage auf, ob Dr. Popitz auch dann Reichsminister ohne Portefeuille bleiben solle, wenn er endgültig zum Preußischen Finanzminister ernannt worden sei. Der Reichsminister der Finanzen habe schwerste Bedenken gegen eine derartige Regelung.

Der Reichskanzler erwiderte, daß die Frage zur Zeit nicht entschieden zu werden brauche. Es sei zunächst nur erforderlich, die Reichskommissare Dr. Bracht und Dr. Popitz für die Dauer ihres kommissarischen Amtes zu Reichsministern ohne Portefeuille zu ernennen17.

17

Die Ernennungen erfolgten durch Hindenburg am 29.10.32 (Urkunden abschrl. in R 43 I /1309 , S. 309–309 b). – Durch Schreiben 30.10.32 ernannte Papen in seiner Eigenschaft als Reichskommissar für das Land Preußen 1) den RM Popitz zum kommissarischen PrFM, 2) den REM v. Braun zum kommissarischen PrLandwM, 3) den Universitätsprofessor Kähler zum PrWissM (R 43 I /2281 , S. 149–153).

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