2.40.1 (vsc1p): [Konstituierung des Ausschusses. Osthilfe- und Siedlungsfragen.]

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[Konstituierung des Ausschusses. Osthilfe- und Siedlungsfragen.]

Der Reichskanzler erklärte den gemäß § 5 der Verordnung des Reichspräsidenten über Maßnahmen zur Förderung der Arbeitsbeschaffung und der ländlichen Siedlung einzusetzenden Ausschuß der Reichsregierung1 für gebildet, und zwar aus den Reichsministern Graf Schwerin von Krosigk, Freiherr von Braun, Dr. Syrup, Dr. Popitz und Reichskommissar Dr. Gereke.

1

Einzelheiten s. Dok. Nr. 24, P. 5.

Er stellte sodann zwei Themen zur Erörterung:

1.) die Osthilfe,

2.) die Siedlung.

Zum Thema Osthilfe bemerkte er, daß das Sicherungsverfahren allen bestehenden Hemmungen zum Trotz mit größter Beschleunigung zu Ende geführt werden müsse2. Ein Haupthindernis, dieses Ziel zu erreichen, scheine ihm bei den Landschaften3 zu liegen. Wie ihm berichtet worden sei, werde von den Landschaften auch in den Fällen, die zur Vollstreckung reif seien, davon Abstand genommen, das Verfahren durchzuführen. Infolgedessen bleibe der sanierungsunfähige Schuldner auf dem Gute sitzen und das Gut devastiere. Darum müsse man Mittel und Wege finden, um das Verfahren unter allen Umständen zur Durchführung zu bringen.

2

Die unter dem Begriff „Osthilfe“ im Ges. vom 31.3.1931 (RGBl. I. S. 117) zusammengefaßten Sondermaßnahmen zugunsten der ostdt. Landwirtschaft beinhalteten einerseits allgemeine Hilfsmaßnahmen wie Frachten- und Lastensenkungen bzw. die Förderung wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Zwecke und zielten andererseits speziell auf die Um- bzw. Entschuldung in wirtschaftliche Not geratener land-, forst- und gartenwirtschaftlicher Betriebe. Um rigorose Eingriffe einzelner Gläubiger in laufende Entschuldungsverfahren abzuwehren, die Rechte weiterer Gläubiger zu wahren, aber auch um die Vorbereitung und Einbringung der Ernte 1932 sicherzustellen, sah die SicherungsVO vom 17.11.1931 (RGBl. I, S. 675 ) die Einführung eines vorläufigen Zwangsvollstreckungsschutzes und die Möglichkeit eines Zwangsakkordes zwischen Schuldnern und Gläubigern vor. Ungeachtet der zur beschleunigten Durchführung und finanziellen Sicherstellung der Verfahren erlassenen EntschuldungsVOen vom 6. 2. und 21.10.1932 (RGBl. I, S. 59  und 509) wirkten sich neben organisatorischen Schwierigkeiten, laufende Neuverschuldungen der Betriebe, Weigerungen unbefriedigter Gläubiger, die zur grundbuchlichen Erledigung der Fälle notwendigen Erklärungen abzugeben, sowie arbeitstechnische und finanzielle Engpässe hemmend auf die Abwicklung der Verfahren aus.

3

Die „Landschaften“ – auf Preußen beschränkte Einrichtungen – waren landwirtschaftliche Hypothekenbanken, die nach dem Prinzip der Solidarhaftung arbeiteten und denen bei der Sicherstellung des landwirtschaftlichen Realkredits eine große Bedeutung zukam.

[171] Der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft stimmte dem Reichskanzler darin bei, daß das Osthilfeverfahren beschleunigt zum Abschluß gebracht werden müsse. Er meinte, daß dieses Ziel bei den kleineren Gütern bis zum Herbst erreicht werden könne, mit den größeren Gütern dagegen werde man 1933 wohl kaum ganz fertig werden.

 

Ministerialdirektor Reichard äußerte sich dahin, daß er hoffe, auch die größeren Fälle bis zum Herbst abschließen zu können4.

4
 

Den derzeitigen Abwicklungsstand der Osthilfemaßnahmen hatte MinDir. Reichard vom RKommissariat für die Osthilfe am 10. 12. in seinem Beitrag für den Entw. der Rundfunkrede des RK vom 15.12.1932 wie folgt zusammengefaßt: „Die landwirtschaftliche Nutzfläche des gesamten Osthilfegebietes beträgt etwa 10,4 Millionen ha; davon befanden oder befinden sich im Entschuldungsverfahren rd. 4 Millionen ha, also 38 v.H. Im ganzen sind etwa 72 200 Entschuldungsfälle anhängig geworden, davon rd. 40 800 im Sicherungsverfahren und 31 400 ohne Sicherungsverfahren. Von diesen 72 200 Entschuldungsfällen sind 29 300 Entschuldungsfälle erledigt, und zwar 18 000 Entschuldungsanträge durch Ablehnung, in 11 300 Entschuldungsfällen sind Entschuldungsdarlehen mit insgesamt 115 Millionen RM bewilligt. Es sind demnach Anfang Dezember 1932 noch rund 42 900 Fälle in Bearbeitung und noch nicht auszahlungsreif. Von den insgesamt bewilligten 115 Millionen RM sind 36,6 Millionen in 4 330 Fällen restlos an die Gläubiger ausgezahlt, rd. 57 Millionen in 6 230 Fällen den örtlichen Umschuldungsinstituten von der Bank für deutsche Industrieobligationen zur Auszahlung überwiesen.“ (R 43 I /1504 , Bl. 77 f.) Angaben über die Betriebsgrößen und den Umfang der umgeschuldeten Flächen sind mit Stand vom 31.12.1932 den Ausführungen Reichards vor dem RT-Haushaltsausschuß am 20.1.1933 zu entnehmen: Danach entfielen auf Betriebe in der Größenordnung:

(Ausschuß für den Reichshaushalt, VII. Wahlperiode; Sitzungsprotokolle, S. 158).

Der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft führte weiter aus, daß die Bestrebungen, Land für die Siedlung freizumachen, nicht den gewünschten Fortgang nähmen. Es sei richtig, daß von den Hauptgläubigern, den Hypothekenbanken und den Landschaften gezögert werde, sanierunsunfähige Güter zur Zwangsversteigerung zu bringen. Bei dieser Sachlage weiterzukommen, sei außerordentlich schwierig, da es kein Mittel gebe, einen Gläubiger zu zwingen, die Zwangsversteigerung in ein Objekt [sic] in die Wege zu leiten.

Der Reichsminister der Finanzen erklärte, daß in der großen Mehrzahl der Fälle die erste Hypothek bei den in Frage kommenden Gütern den Landschaften zustehe. Dieselben Landschaften würden dauernd bei der Reichsfinanzverwaltung mit Sanierungsanträgen vorstellig. Man werde gut daran tun, finanzielle Hilfe davon abhängig zu machen, daß die Landschaften die erforderlichen Zwangsvollstreckungsanträge stellen, auf die es ankomme. Alsdann werde man auf diesem indirekten Wege zu dem gewünschten Ziele kommen, denn der direkte Weg, den das Kabinett Brüning versucht habe, die Zwangsversteigerung von Reichs wegen einzuleiten, sei aus politischen Gründen ungangbar.

Reichsminister Dr. Popitz stimmte dem Reichsminister der Finanzen darin zu, daß der direkte Weg aus politischen Gründen unmöglich sei, daß man daher den indirekten Weg gehen müsse. Man könne den Landschaften die Einleitung[172] der Zwangsvollstreckung jedoch nur dann zumuten, wenn man die Landschaften gegen den Verlust ihrer Kapitalforderungen sicherstelle. Das Reich müsse nötigenfalls der Landschaft die Übernahme der ihr zustehenden Hypothek zusichern.

Staatssekretär Mussehl führte aus, daß die Landschaften bisher wohl nur deshalb nicht zu bewegen gewesen seien, Zwangsversteigerungsantrag zu stellen, weil sie die Befürchtung hätten, bei der Versteigerung auf ihrer Hypothek sitzen zu bleiben. Wenn das Reich sich den Landschaften gegenüber bereit erkläre, notfalls die Hypothek auf das Reich zu übernehmen, so würden die Landschaften voranmachen. Darüber hinaus müßten die Landschaften auch für ihre rückständigen Zinsforderungen sichergestellt werden.

 

Ministerialdirektor Reichard erklärte hierzu, daß er mit den Landschaften bereits weitgehend verhandelt habe. Er habe ihnen sogar die Kosten der Zwangsversteigerung vorschußweise angeboten und habe ihnen noch weitgehende Sicherung gegen Kapital- und Zinsverlust angeboten. Trotzdem seien Anträge der Landschaften auf Zwangsversteigerung ausgeblieben. Der wahre Grund für diese Haltung der Landschaften sei eben der, daß diese das Odium scheuten, die Dinge zu Ende getrieben zu haben. Darum gebe es nur den vom Reichsminister der Finanzen vorgeschlagenen Weg, die Landschaften auf indirektem Weg vertraglich zu zwingen.

Abschließend stellte der Reichskanzler fest, daß der vom Reichsminister der Finanzen vorgeschlagene Weg der allein Mögliche sei, um weiterzukommen. Er stellte ferner fest, daß die Ressorts in diesem Punkte grundsätzlich gleicher Meinung sind.

Er ging sodann zum Thema Siedlung über5. Er unterschied hierbei zwischen den Fragen Verwertung des anfallenden Landes einerseits und der Auswahl der Siedler andererseits.

5

Vgl. dazu den die Siedlungsfragen betreffenden Abschnitt in Dok. Nr. 25, insbesondere Anm. 9.

1.) Bei dem anfallenden Grund und Boden müsse nach seiner Meinung auseinandergehalten werden, a) das zur Siedlung geeignete Land, b) das nichtsiedlungsfähige Land, das sich nur für Schafweide und Aufforstung eigne, c) und schließlich das Land, das wegen ungünstiger Verkehrslage für die Siedlung ausscheide und daher als Domäne bewirtschaftet werden müsse. Für das Siedlungsland müsse als oberster Gesichtspunkt gelten, daß das Land billig hergegeben werde. Es sei grundfalsch, dem Siedler das Land zu teuer abzugeben, denn auf diese Weise werde man doch nur zu dem Ergebnis kommen, daß der Siedler in anderer Form unterstützungsbedürftig bleibe. Zudem sei die Siedlung im Osten eine nationale Frage erster Ordnung. Darum müsse der Siedler unter allen Umständen lebensfähig gemacht werden.

Die Frage, welches Land zur Aufforstung verwandt werde, hänge von der Güte des Bodens ab.

Zur Domäne könne nur das Land gemacht werden, das in anderer Form nicht bewirtschaftet werden könne.

[173] Der Reichswirtschaftsminister führte aus, daß es vor allen Dingen darauf ankomme, möglichst bald Land in großem Umfange freizusetzen. Wenn dieses Ziel nicht gelinge, sehe er politische Schwierigkeiten voraus. Das anfallende Land müsse man teilen in guten und schlechten Boden und in solches Land, das infolge der Verkehrslage zur Siedlung ungeeignet sei. Das gute Land müsse besiedelt werden, das schlechte aufgeforstet werden. Das Land mit ungenügender Verkehrslage komme nur für Domänenbewirtschaftung in Frage. Nicht ganz einfach zu lösen sei nach seiner Meinung die Frage, wer Eigentümer des Landes werden solle, speziell des Domänenlandes. Den Gedanken, eine Reichsdomänenverwaltung und eine Reichsforstverwaltung einzurichten, halte er für höchst bedenklich. Die Preußische Domänenverwaltung sei verwaltungsmäßig ausgezeichnet, vom wirtschaftlichen Gesichtspunkt aus beurteilt dagegen keineswegs ideal. Er empfehle daher den Gedanken, das in Frage kommende Land in eine neu zu gründende Gesellschaft einzubringen und nach streng wirtschaftlichen Gesichtspunkten verwalten zu lassen. Letzten Endes werde sich diese Gesellschaft alsdann finanziell selbst tragen.

Reichsminister Dr. Popitz meinte demgegenüber, daß die Erfahrungen, die das Reich mit der wirtschaftlichen Verselbständigung von Reichsbetrieben, insbesondere der Reichspost und der Reichsbahn gemacht habe, nicht zur Fortsetzung dieses Verfahrens veranlassen könnten. Es werde in der Praxis, auch bei einer Selbständigmachung der Domänenverwaltung, nicht gelingen, die wirtschaftliche Unabhängigkeit der Gesellschaft durchzusetzen. Unwirtschaftliche Einflüsse der Parlamente würden von der neuen Gesellschaft ebensowenig fernzuhalten sein, wie dies bei der Reichspost und bei der Reichsbahn möglich gewesen sei. Darum halte er es für das richtigste, bei der bisherigen Form der Preußischen Domänen- und Forstverwaltung zu bleiben. Diese werde auch das neu anfallende Land übernehmen können. Die Eigentumsfrage sei damit allerdings noch nicht gelöst, denn Preußen sei nicht in der Lage, die erforderlichen Mittel zum Erwerb des neu anfallenden Landes aufzubringen. Die erforderlichen Mittel können nur vom Reiche kommen. Preußen könne den neuen Besitz für das Reich nur als Treuhänder verwalten. Vielleicht könne man auch daran denken, daß das Reich den Besitz auf Preußen fiduziarisch übereigne. Im übrigen könne man den Gedanken der Einbringung der Domanialbesitztes in eine Gesellschaft auch dann noch für später weiter im Auge behalten.

Der Reichsminister der Finanzen schloß sich den Ausführungen von Reichsminister Dr. Popitz im wesentlichen an. Er meinte, daß man nur wissen müsse, wo man sachlich hinaus wolle. Die Form spiele dann keine wesentliche Rolle. Unter allen Umständen sei er gegen die Einrichtung einer eigenen Reichsforst- oder einer eigenen Reichsdomänenverwaltung. Selbst in der Kostenfrage sehe er kein unüberwindbares Hindernis. Er stimmte dem Reichskanzler durchaus darin zu, daß der Siedler das Land billig bekommen müsse. Er halte es für besser, dem Siedler das Land sogar umsonst zu geben, als weiter mit zweifelhaftem Erfolge darüber herumzuverhandeln, ob ein Land wegen der finanziellen Vorbelastung siedlungsfähig sei oder nicht. Dann sei es schon besser, bei[174] der Prüfung der Frage der Siedlungsfähigkeit davon auszugehen, daß das Land finanziell nicht vorbelastet sei.

Der Reichskanzler wiederholte, daß dies durchaus auch seiner Auffassung entspreche.

Der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft wies darauf hin, daß man wahrscheinlich in weitem Umfange nicht daran vorbeikomme, das Land auf Reichskosten zu erwerben. Von der Einrichtung einer eigenen Reichsforst- und Reichsdomänenverwaltung glaubte auch er dringend abraten zu müssen, schon mit Rücksicht auf das Verhältnis zu den süddeutschen Ländern.

Der Reichskommissar für Arbeitsbeschaffung brachte zur Sprache, daß man auch etwas für die Siedler tun müsse, die jetzt schon angesetzt seien, die aber nicht vorwärtskämen, weil sie das Land zu teuer und mit zu starken Lasten übernommen hätten.

Diesen Ausführungen wurde allgemein zugestimmt6.

6

Ultimativ formulierte Forderungen zur Gestaltung der Neusiedlung, aber auch zum Schutz der Altsiedler hatte in Reaktion auf die diesbezüglichen Ankündigungen des RK in seiner Rundfunkrede vom 15. 12. der Dt. Landwirtschaftsrat erhoben: „Neben dem verständlichen Wunsch aus nationalen Gründen siedeln zu wollen, ist die Sanierung und Erhaltung der bestehenden bäuerlichen Betriebe in den Hintergrund gerückt. Die Sanierung alter Bauern- und alter Siedlerstellen muß zum mindesten Hand in Hand mit einer neuen Siedlung gehen. Auf Grund der neuen Verordnungen der sogenannten Osthilfe werden nicht nur eine ungewöhnlich große Anzahl von Großbetrieben aus der Osthilfe ausgeschieden, sondern es sollen auch fast alle Siedlungsbetriebe, die unter Sicherungsschutz standen, aus dieser Sicherung entlassen werden, wenn die zu hohe Verschuldung durch aufgelaufene rückständige Renten verursacht ist. Hiergegen muß schärfster Widerspruch erhoben werden.“ Die Landwirtschaft und insbesondere die Siedler dürften nicht auf diese Weise zum „Opfer einer verfehlten Wirtschafts- und Handelspolitik“ gemacht werden. „Der Deutsche Landwirtschaftsrat bittet dringend, ungesäumt zu veranlassen, daß sämtliche rückständigen Renten an die Kapitalschuld angehängt werden.“ (Der Dt. Landwirtschaftsrat an den RK, 21.12.1932; R 43 I /1287 , Bl. 347–352). Das Schreiben wurde vom StSRkei „als Material für die Reichssiedlungsrichtlinien“ an die zuständigen Stellen weitergeleitet. In Ergänzung der in Dok. Nr. 25, Anm. 10 näher bezeichneten Maßnahmen regelt der REM in einem Erlaß vom 5.1.1933 in erneut entgegenkommender Form die Behandlung der Rückstände der Siedler (R 43 II /204 , Bl. 9–12).

2). Zur Frage der Auswahl geeigneter Personen für die Siedlung äußerte sich der Reichskanzler dahin, daß man nur wirklich siedlungsfeste Leute ansetzen solle, die auch unter schwierigen Verhältnissen am Grund und Boden festhalten.

 

Ministerialdirektor Reichard führte aus, daß die Auswahl der Leute durch die Siedlungsgesellschaften erfolge. In erster Linie würden mit der Gegend vertraute Landarbeiter genommen, die Lust und Interesse an der Sache haben. Sodann würden zweite und dritte Bauernsöhne des Ostens berücksichtigt und schließlich zweite und dritte Bauernsöhne aus anderen Teilen des Reiches. Leute mit städtischen Frauen seien grundsätzlich ausgeschlossen. Gewisse Schwierigkeiten bereite in der Praxis die Konfessionsfrage. Sie seien aber durch Verhandlungen der obersten Repräsentanten der evangelischen und katholischen Kirchengemeinschaften im wesentlichen ausgeräumt auf der Basis, daß in vorwiegend evangelischen Gegenden katholische Siedler nicht angesetzt würden und umgekehrt, daß von vorwiegend katholischem Boden evangelische Siedler ferngehalten würden.

[175] Der Reichskanzler nahm von den Mitteilungen über die Behebung der konfessionellen Schwierigkeiten mit besonderer Befriedigung Kenntnis, da hiermit schon der Herr Reichspräsident befaßt worden sei.

Der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft warf sodann noch die Frage der Bildung eines Beirats auf7. Er sagte, daß er mit dem Gedanken umgehe, einen etwa 12-gliedrigen Beirat zu bestellen, um besonders sachkundigen Kennern des Siedlungswesens Gelegenheit zur Mitarbeit zu geben. Er denke dabei an Persönlichkeiten wie Professor Sering, Reichsminister a.D. Freiherr von Gayl und andere.

7

Einzelheiten s. Dok. Nr. 24, P. 5.

Der Reichskanzler erwiderte, daß ein Beirat unter Umständen nach außen hin eine gewisse Entlastung für die Arbeit der Regierung bedeuten könne. Im großen und ganzen aber stehe er auf dem Standpunkt, daß ein Beirat bei einer solchen Materie mehr Schwierigkeiten mache wie Nutzen. Wenn man sachkundige Leute zur Mitarbeit heranziehen wolle, so könne dies auch in der Weise geschehen, daß man sie in geeigneten Fällen als Sachverständige heranziehe und ihren Rat höre. Man könne alsdann im Einzelfall auch nach außen besonders hervorheben, daß man sich der sachverständigen Mitarbeit anerkannter Fachkenner bedient habe.

Der Reichswirtschaftsminister führte aus, daß die Einsetzung eines Beirats nur politisch gewertet werden könne. Wirkliche Sachkenner auf dem Gebiete des Siedlungswesens seien sehr selten. Die sachliche Arbeit müsse fast ausschließlich von den Ressorts geleistet werden. Wenn man sich der Zustimmung eines Beirats vergewissere, so könne man unter Umständen die Regierungsarbeit dadurch populärer machen.

Reichskommissar Dr. Gereke glaubte den Gedanken der Einsetzung eines Beirats besonders befürworten zu müssen. Er befürchtete, daß sich andernfalls ohne Zutun der Reichsregierung ein besonderer Ausschuß bilden werde, der alsdann möglicherweise im Gegensatz zur Reichsregierung kritisch tätig werden könnte. Darum sei es besser, daß die Regierung die Initiative in der Sache in der Hand behalte.

Der Reichsarbeitsminister bemerkte, daß für den Fall, daß wirklich die Gefahr bestehe, daß sich ein Ausschuß für Siedlungswesen auch ohne die Regierungsinitiative bilden werde, es vielleicht doch empfehlenswerter sei, einen Beirat von Amts wegen einzusetzen.

Der Reichsminister der Finanzen schloß sich nachdrücklich der Auffassung des Reichskanzlers an, daß ein Beirat für die Siedlungsfragen unzweckmäßig sei. Er hielt die gesetzliche Zuziehung von Sachverständigen in besonders geeigneten Fragen für den richtigen Weg.

Der Reichskanzler stellte abschließend fest, daß von der Bildung eines Beirats zunächst abzusehen sei.8

8

Mit Schreiben vom 11.1.1933 teilt der RK dem REM mit, daß er „es doch für erforderlich“ halte, „einen kleinen Kreis von Fachleuten zusammenzuberufen, um unsere Absichten bekannt zu geben und etwaige Anregungen entgegen zu nehmen. Ich denke dabei an einen Kreis von höchstens 10–15 Personen, den man einmalig zusammenruft, während es später genügen dürfte nur Einen oder den Anderen als Spezialist zu Beratungen des Ministerausschusses oder der einzelnen Ressorts heranzuziehen.“ (R 43 II /210 , Bl. 11) Der REM ergänzt die vom RK vorgeschlagene Namensliste am 16. 1. und behält sich vor, darüber noch vorzutragen (ebd., Bl. 12). Zum Fortgang s. Dok. Nr. 59, P. 7. – Das obengenannte Gremium, in dem verschiedene, bislang nicht berücksichtigte Intressengruppen ebenfalls vertreten sein wollen (R 43 II /210 , passim), wird für den 30. 1. zu einer „grundsätzlichen Aussprache über Siedlungsfragen“ in die Rkei eingeladen (ebd., Bl. 14). Diese Sitzung wird abgesagt (Vermerk MinR Feßlers vom 30.1.1933; ebd., Bl. 29).

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