2.234.1 (bru1p): Abänderung der Geschäftsordnung für den Reichstag.

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Abänderung der Geschäftsordnung für den Reichstag.

Der Besprechung lag der beiliegende Entwurf zur Abänderung der Geschäftsordnung für den Reichstag zugrunde1.

1

S. die Anlage zu diesem Dok. Die Anregung zur Änderung der RT-GO war vom RK ausgegangen (s. Dok. Nr. 212). Die ersten Entwürfe waren vom RFMin., RJMin. und RIMin. ausgearbeitet und mit RM a. D. Bell besprochen worden (Schreiben des MinDir. Dorn an StS Pünder vom 16.1.31, R 43 I /1011 , Bl. 270–271, Entwürfe a.a.O., Bl. 262–269). In Besprechungen mit RT-Präs. Löbe und Vertretern der SPD-Fraktion sowie der Regierungsparteien hatte Bell eine Einigung über den Änderungsentwurf erzielt (Schreiben Bells an Pünder vom 24.1.31, R 43 I /1011 , Bl. 273–274).

Der Reichskanzler führte aus, daß er gegen den § 552, den Zusatz zu § 903 und gegen § 105 des Entwurfs keine Bedenken habe. Auch mit § 48 a des Entwurfs sei er einverstanden, es empfehle sich allerdings vielleicht, hinter „Gesetzentwürfen“ noch einzufügen „von Mitgliedern des Reichstags“.

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§ 55 RT-GO vom 12.12.22: „Interpellationen an die Reichsregierung sind dem Präsidenten schriftlich einzureichen. Sie müssen kurz und bestimmt gefaßt und von 30 Mitgliedern unterzeichnet sein. Die Unterzeichneten gelten als Interpellanten, soweit sie nicht als Unterstützer gekennzeichnet sind. Der Interpellation können kurze Erwägungsgründe beigefügt werden“ (Reichstagshandbuch V. Wahlperiode 1930, S. 94 f.).

3

§ 90 RT-GO vom 12.12.22: „Ist ein Redner dreimal in derselben Rede zur Sache oder zur Ordnung gerufen und beim zweiten Male auf die Folgen eines dritten Ordnungsrufs hingewiesen worden, so kann ihm der Präsident das Wort entziehen oder die im § 91 [Ausschluß von Abgeordneten] angeordneten Maßnahmen über ihn verhängen“ (Reichstagshandbuch V. Wahlperiode 1930, S. 103).

Der im Entwurf vorgesehene Zusatz zu § 544 erscheine ihm nicht ganz bedenkenfrei. Die Fassung könne den Eindruck erwecken, daß ein Antrag auf Übergang zur Tagesordnung nicht mehr zulässig sei. Deshalb werde es sich empfehlen, im Zusatz zu § 54 Abs. 4 hinter „Billigungsanträgen“ einzufügen „bzw. eines Antrages auf Übergang zur Tagesordnung“.

4

§ 54 RT-GO vom 12.12.22: „Der Antrag, dem Reichskanzler und den Reichsministern oder einem von ihnen das Vertrauen zu entziehen, kann unter den Voraussetzungen des § 49 [Anträge von Abgeordneten] selbständig gestellt, aber auch zu einem Gegenstande der Tagesordnung eingebracht werden. Wird er nicht selbständig eingebracht, so darf erst nach der Verteilung und frühestens am Tage nach der Besprechung abgestimmt werden. Getrennte Abstimmungen über Teile des Antrags oder dessen Änderung oder Ergänzung ist nur mit Zustimmung des Antragstellers zulässig. Dasselbe gilt von Anträgen, die das Vertrauen aussprechen oder sonstwie die Haltung des Reichskanzlers oder eines Reichsministers betreffen“ (Reichstagshandbuch V. Wahlperiode 1930, S. 94).

Im § 68 a5 des Entwurfs falle ihm auf, daß nicht mehr ausdrücklich der 30. Juni als Schluß der Tagung festgesetzt sei. Dieser § falle am besten fort.

5

§ 68 RT-GO vom 12.12.22 regelte das Recht der RT-Abgg., schriftliche Bemerkungen zu Auskünften der RReg. zu machen (Reichstagshandbuch V. Wahlperiode 1930, S. 98).

[840] Im übrigen bedauere er es, daß der Entwurf nicht besondere Maßnahmen gegen den Abgeordneten vorsehe, der Beleidigungen ausspricht.

Staatssekretär Zweigert führt aus, daß die vom Reichskanzler gewünschten Zusätze zu § 48 a und zu § 54 bedenkenfrei seien.

Die Festsetzung eines Schlußtermins für die Tagung im § 68 a sei deshalb mißlich, weil auch Ausnahmen zugelassen werden müßten; deshalb sei die nunmehr im § 68 a vorgesehene allgemeinere Fassung vorzuziehen. Der § könne aber auch ganz fortfallen.

Besondere Maßnahmen gegen Abgeordnete, die Beleidigungen aussprächen, lehne das Parlament ab. Der Reichstag stehe auf dem Standpunkt, daß die nach der Geschäftsordnung möglichen Strafen ausreichen müßten. Im übrigen wolle der Reichstag entgegengesetzt seiner bisherigen Praxis nunmehr die Immunität grundsätzlich aufheben.

Auf eine Frage des Reichskanzlers erwiderte Staatssekretär Zweigert, daß die Folge eines Schlusses der Tagung des Reichstags u. a. darin bestehe, daß die Immunität der Abgeordneten aufhöre, und alle Anträge, Interpellationen, Gesetzentwürfe usw. erledigt seien.

Die Besprechung wurde sodann geschlossen6.

6

Im Anschluß an diese Besprechung fand um 11.30 Uhr eine Besprechung mit RT-Präs. Löbe, Vize-Präs. Esser und den RT-Abg. Dittmann (SPD), Bell (Z), v. Kardorff (DVP), Gereke (Landvolk), Rauch (BVP) und Meyer (DStP) statt. Es bestand Übereinstimmung, daß § 55, der Zusatz zu § 90 und § 105 grundsätzlich anzunehmen seien. Es wurde beschlossen, zu § 48a den Vorschlag Prof. Dorns (s. Anm. 7) und zu § 54 den Vorschlag des RT-Abg. Rauch (s. Anm. 8) anzunehmen (Niederschrift des MinR Wienstein vom 5.2.31, R 43 I /1011 , Bl. 292). Am 4. 2. brachten die zu der Besprechung hinzugezogenen Parteienvertreter einen Antrag zur Änderung der RT-GO ein (RT-Bd. 449 , Drucks. Nr. 698 ). Der RT stimmte in der Sitzung vom 9. 2. dem Antrag mit 297 Stimmen ohne Gegenstimmen zu. Die NSDAP- und die KPD-Fraktion hatten vor der Abstimmung den RT aus Protest verlassen (BT-Bd. 444, S. 827 –828, S. 872). Am 10. 2. zogen die NSDAP, die DNVP und Abg. der Landvolkpartei wegen der Änderung der GO aus dem RT aus (RT-Bd. 444, S. 873 –875). Die abgeänderte RT-GO wurde im RGBl. 1931 II, S. 221  veröffentlicht. Vgl. auch Brüning, Memoiren, S. 255–258.

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