1.158 (bru2p): Nr. 410 Aufzeichnung des Staatssekretärs Meissner über den Empfang des Amerikanischen Außenministers Stimson beim Reichspräsidenten am 27. Juli 1931, 11.30 Uhr

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Nr. 410
Aufzeichnung des Staatssekretärs Meissner über den Empfang des Amerikanischen Außenministers Stimson beim Reichspräsidenten am 27. Juli 1931, 11.30 Uhr

R 43 I /98 , Bl. 275–279 Durchschrift1

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Stimson besuchte vom 25.–27.7.31 die RReg. (Schultheß 1931, S. 162). Außer dieser Aufzeichnung Meissners existiert in den Akten der Rkei kein Material über die Besprechungen des amerik. AM mit der RReg. Vgl. aber Brüning, Memoiren, S. 343–346 und Stimsons Aufzeichnungen über ein Abendessen mit Mitgliedern der RReg. und über den Empfang beim RPräs. in FRUS 1931 Vol. I, p. 552 –554.

Der Herr Reichspräsident ging dem Staatssekretär Stimson, der etwa 11.25 Uhr eintraf und vom Amerikanischen Botschafter Sackett begleitet war, in den[1431] Gartensaal entgegen und geleitete die fremden Herren, die am Portal vom Botschafter Freiherr von Prittwitz und mir empfangen worden waren, in sein Arbeitszimmer.

Nach Vorstellung und Begrüßung eröffnete der Herr Reichspräsident die Unterhaltung, indem er erklärte, es läge ihm am Herzen, seinen Dank an den Präsidenten Hoover zum Ausdruck zu bringen und zugleich auch Herrn Staatssekretär Stimson für die wertvolle Unterstützung zu danken, die Deutschland in dieser schwierigen Notlage seitens der Vereinigten Staaten erhalten habe. Auch Herrn Botschafter Sackett wolle er danken für alles, was er in den letzten schweren Wochen im Interesse Deutschlands getan habe.

Staatssekretär StimsonStimson erwiderte darauf, daß Präsident Hoover wie er und wohl die Mehrheit des amerikanischen Volkes gern diese Hilfe gewährt hätten und weiter gewähren würden; Präsident Hoover wie er selbst und das amerikanische Volk hätten volles Zutrauen zu Deutschland, zu seiner Regierung und insbesondere zur Person des Herrn Reichspräsidenten. Sie vertrauten auf den Ordnungssinn und auf die Kraftquellen des deutschen Volkes und hofften, daß die Krisis nur vorübergehend sein und bald überwunden werde.

Der Herr Reichspräsident gab alsdann der Hoffnung Ausdruck, daß Herr Stimson nach den schweren Arbeiten der letzten Wochen hier etwas Erholung vergönnt sei, damit er mit frischen Kräften an die Aufgabe der Vorbereitung der Abrüstungskonferenz und an diese Konferenz selbst gehen könne. Der Herr Reichspräsident hoffe, daß dieser Konferenz ein Erfolg beschieden sei; denn die Abrüstung sei das beste Mittel zur Erhaltung des Friedens. Wer die Schrecken des Krieges kenne wie er, der Reichspräsident, der an drei Kriegen aktiv teilgenommen hätte, könne nur wünschen, daß die Kriege aus der Weltgeschichte verschwänden und daß der Weltkrieg der letzte Krieg gewesen sei. Zur Erreichung dieses Zieles sei die Abrüstungskonferenz sehr wichtig, und er wie ganz Deutschland wünschen der Konferenz einen vollen Erfolg.

Staatssekretär StimsonStimson erwiderte, daß Amerika dieser Konferenz die größte Bedeutung beimesse und alles tun werde, um ihr zu einem Erfolg zu verhelfen. Es sei wertvoll, daß es hierbei der Mitarbeit und der Unterstützung Deutschlands sicher sei.

Der Herr Reichspräsident fuhr fort, er habe mit Interesse gehört, daß Herr Stimson als Offizier in der amerikanischen Front für sein Vaterland gekämpft habe, und begrüße ihn somit als einen Kameraden. Der Eintritt der Vereinigten Staaten in den Krieg sei für Deutschland ein schwerer Schlag gewesen; nicht nur in militärischer Beziehung hätte das amerikanische Eingreifen durch tapfere und wohl ausgerüstete Truppen eine große Wirkung gehabt, sondern auch moralisch sei es uns schmerzlich gewesen, daß ein Land, mit dem wir so viele gemeinsame geschichtliche und persönliche Verbindungen hatten, nun zu unseren Feinden gehörte. Aber nichtsdestoweniger spreche er und sprechen wir alle mit großer Achtung von den Leistungen wie dem Verhalten der amerikanischen Truppen.

Staatssekretär StimsonStimson dankte dem Herrn Reichspräsidenten für diese Anerkennung. Auch er könne nur mit Anerkennung von den deutschen Truppen[1432] und ihren Leistungen sprechen; er erwähnte, daß er dieser Tage in einer Unterhaltung mit dem Reichskanzler Brüning festgestellt hätte, daß beide im Januar 1918 in der Picardie als Soldaten gegenübergestanden hätten. Bei ihm wie allen Amerikanern sei aber die Kriegsgegnerschaft ausgelöscht, es sei keinerlei Bitternis oder gar Gehässigkeit zurückgeblieben, man hätte jetzt umsomehr die Pflicht, miteinander zu arbeiten, so wie er und Brüning dies auf der Londoner Konferenz getan haben.

Der Herr Reichspräsident erwähnte sodann:

Er habe vielfach in der ausländischen Presse die Behauptung gefunden, gewisse Kreise in Deutschland haben den Weltkrieg gewünscht, und der deutsche Generalstab habe ihn sorgfältig vorbereitet. Er, der Herr Reichspräsident, müsse betonen, daß das unrichtig sei. Gerade die führenden Herren des Generalstabs hätten wie er selbst von 1870 her die Schrecknisse des Krieges gekannt, und niemand habe es mit seinem Gewissen vereinbaren können, einen Krieg leichtfertig herbeizuführen und zu wünschen. Wenn Deutschland einen Präventivkrieg gegen Frankreich oder Rußland hätte führen wollen, hätte es dazu in den Jahren von 1871 bis zum Weltkrieg öfters günstige Gelegenheit gehabt. Niemand habe aber an so etwas gedacht. Es sei auch nicht richtig, daß der deutsche Generalstab den Krieg herbeigewünscht und zu diesem Zwecke vorbereitet hätte. Wir hätten in unseren Vorbereitungen und nur gegen die Möglichkeit eines von anderer Seite herbeigeführten Zweifrontenkrieges geschützt. Wir alle hätten gewußt, welch große Gefahr ein solcher Krieg für Deutschland mit sich bringen würde, und niemand von uns wäre leichtfertig genug, Deutschland einer solchen Gefahr auszusetzen.

Staatssekretär StimsonStimson erwiderte darauf – ohne anscheinend auf dieses Thema näher eingehen zu wollen –, er sei davon überzeugt, daß der Herr Reichspräsident kein Freund des Krieges gewesen, sondern friedliebend sei; er wisse sehr wohl, daß der Herr Reichspräsident im Ruhestand gelebt habe und erst auf den Ruf des Vaterlandes zu den Waffen geeilt sei. Er könne nur noch einmal wiederholen, daß bei ihm und wohl auch der Mehrheit des amerikanischen Volkes wegen des Krieges keine feindliche Stimmung oder Bitterkeit vorhanden wäre. Das zeige sich ja am besten in der Haltung, mit der das amerikanische Volk die Hoover-Botschaft aufgenommen habe, und in der Bereitwilligkeit, die Amerika zeige, Deutschland in dieser schweren Zeit weiterzuhelfen. Die amerikanische Regierung werde alles tun, um die Bankiers und die Geldgeber zu überreden, die deutschen Kredite in Deutschland zu belassen und sie später vielleicht auch zu erweitern, weil die amerikanische Regierung alles Vertrauen in Deutschland und seine Zukunft habe. Deutschland solle nur dazu mithelfen, dieses Vertrauen noch zu stärken, indem es Mut und Selbstvertrauen zeige. Je mehr man in Amerika empfände, daß Deutschland mutig sei und sich selbst zutraue, der Situation Herr zu werden, desto schneller und stärker würde auch das Vertrauen Amerikas zurückkehren und seine Mithilfe einsetzen. Das deutsche Volk habe sich in schwierigen Situationen immer mutig und tapfer gezeigt, er sei überzeugt, daß es auch diesmal diese Eigenschaften zeige und sich durchsetzen werde. Dann würde die Krisis schnell vorübergehen.

[1433] Nach einigen Höflichkeitswünschen für gute Reise und gute Gesundheit brach Herr Stimson dann den Besuch ab mit der Begründung, er müsse nun bald zu seinem Flugzeug, das ihn nach Amsterdam bringen solle. Er werde den Besuch hier und die freundliche Aufnahme in bester Erinnerung behalten und betrachte es als einen großen Vorteil, während der Tage der Konferenzen wie hier in Berlin in so „freundschaftliche“ und persönlichen Beziehungen zum Kanzler Brüning und auch zum Reichsaußenminister Dr. Curtius getreten zu sein.

Der Herr Reichspräsident begleitete seinen Gast alsdann noch bis in den Gartensaal.

Dauer der Besprechung 30 Minuten.

Dr. Meissner

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