1.122.1 (bru3p): Landesverratsbestimmung des Strafgesetzentwurfs.

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Landesverratsbestimmung des Strafgesetzentwurfs.

Der Reichsminister der Justiz trug vor, daß bei der Beratung der Landesverratsbestimmungen des Strafgesetzentwurfs durch den Rechtsausschuß des Reichstags1, insbesondere bei der Beratung des in zwei Lesungen behandelten § 98a des Entwurfs2, besondere Schwierigkeiten entstehen würden. Nachdem er einige Besprechungen mit Abgeordneten der Sozialdemokratie, des Zentrums, der Deutschen Volkspartei, der Bayerischen Volkspartei und der Deutschen Staatspartei im Reichsjustizministerium über andere Probleme des Strafgesetzentwurfs, unter anderem[2195] über die Fragen des Zweikampfs3 und der Abtreibung, abgehalten habe, wolle er möglichst umgehend in demselben Kreise die Frage der Landesverratsbestimmungen erörtern. Er müsse in diesen internen Besprechungen die Stellungnahme der Reichsregierung zu § 98a mitteilen.

1

Der RJM hatte um die Chefbesprechung gebeten, weil der Rechtsausschuß des RT die Beratung über den Abschnitt 16 (Gemeingefährliche Handlungen) des StGB-Entw. beendet hatte und nach der Beratung des Abschnitts 17 (Tötung) sich voraussichtlich mit den bisher zurückgestellten Landesverratsbestimmungen beschäftigen würde (Vermerk von MinR Wienstein vom 18.1.32 in R 43 I /1217 , Bl. 415–416 mit Sichtvermerk des RK).

2

§ 98a des Entw. (Öffentliche Bekanntgabe von Staatsgeheimnissen zur Abwendung von Gefahren für das Reich) lautete: „Wer ein Staatsgeheimnis öffentlich bekanntmacht, eine vermeintliche, unmittelbar drohende erhebliche Gefahr für den verfassungsmäßigen inneren Bestand des Reiches abzuwenden, wird mit Gefängnis bestraft. Die Tat ist nicht strafbar, wenn die Gefahr tatsächlich bestand. Die Tat wird nur auf Verlangen der Reichsregierung verfolgt“ (Vermerk von MinR Wienstein vom 18.1.32, R 43 I /1217 , Bl. 415–416, hier Bl. 415).

3

Zentrum und SPD verlangten eine Vorschrift, daß ein wegen Zweikampfes Verurteilter keine öffentlichen Ämter mehr bekleiden dürfe (Vermerk von MinR Wienstein vom 18.1.32, R 43 I /1217 , Bl. 415–416, hier Bl. 415).

Nach seiner Auffassung beständen gegen den § 98a erhebliche Bedenken. Das Reichsgericht erkenne ein Recht des Staatsbürgers, zur Abwendung von Gefahren für den inneren Bestand des Reichs ein Staatsgeheimnis öffentlich bekanntzugeben, nicht an. Vielmehr stehe das Reichsgericht auf dem Standpunkt, daß der Bürger in derartigen Fällen sich an die Behörden zu wenden habe.

Was die von Exzellenz Groener gewünschten Bestimmungen über Staatsverleumdung betreffe, so solle man derartige Bestimmungen aus Anlaß eines akuten Einzelfalles aufgrund des Artikels 48 der Reichsverfassung erlassen. Mit dem Strafgesetzentwurf solle man sie nicht verbinden.

Der Reichswehrminister stimmte der Auffassung des Reichsministers der Justiz bezüglich der Vorschriften über Staatsverleumdung zu4. Er betonte jedoch, daß der § 98a für ihn untragbar sei. Er habe dem § 98a niemals zugestimmt. Nach seiner Ansicht stelle dieser Paragraph einen Freibrief für alle Verleumder auf außenpolitischem Gebiete dar.

4

Der RWeM v. Schleicher verlangte im Oktober 1932 den Erlaß einer Vo. gegen Staatsverleumdung: siehe diese Edition, Das Kabinett v. Papen, Dok. Nr. 179, P. 3.

Vielleicht sei es möglich, den § 98a durch den Strafrechtsausschuß des Reichstags jetzt noch nicht beraten zu lassen.

Der Reichsminister der Justiz führte aus, daß sich auch das ermöglichen lassen werde. Vielleicht brauche eine Beratung des § 98a erst in zwei Monaten stattzufinden.

Der Reichskanzler führte aus, daß er zunächst noch den Abgeordneten Dr. Bell und Wegmann über diese Frage sprechen wolle. Auf jeden Fall scheine es ihm jedoch zweckmäßig zu sein, daß der Reichsminister der Justiz auch in den internen Besprechungen mit den Parteien bezüglich des § 98a Zurückhaltung übe und ausführe, daß dieser Paragraph nicht in der Regierungsvorlage gestanden habe, sondern von einigen Parteien des Reichstags beschlossen worden sei. Die Reichsregierung könne im Augenblick zu § 98a noch nicht Stellung nehmen. Allerdings scheine ihr eine derartige Bestimmung bedenklich zu sein.

Der Reichsminister der Justiz und der Reichswehrminister stimmten dieser Auffassung des Reichskanzlers zu. Die Besprechung wurde hierauf geschlossen5.

5

Über die weitere Behandlung der Angelegenheit konnte in den Akten der Rkei nichts ermittelt werden.

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