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[1993][Anlage]

Verlautbarung über die Schlußsitzung des Wirtschaftsbeirats

R 43 I /1166 , Bl. 239–244

Unter dem Vorsitz des Herrn Reichspräsidenten fand heute vormittag die Schlußsitzung des Wirtschaftsbeirats der Reichsregierung statt.

Reichskanzler Dr. Brüning berichtete über den Verlauf und das Ergebnis der Beratungen, worauf Reichsbankpräsident Dr. Luther und die zunächst beteiligten Reichsminister ergänzende Ausführungen machten.

Wie die Reichsregierung bei Einberufung des Wirtschaftsbeirats und erneut im Laufe seiner Verhandlungen erklärt hat, ist sie sich ihrer verfassungsmäßigen Verpflichtung voll bewußt, in eigener Verantwortung die für die Gesundung der Wirtschaft notwendigen Maßnahmen beschleunigt zu treffen. Die Arbeiten des Wirtschaftsbeirats bieten für die bevorstehenden Entschließungen der Reichsregierung wertvolle Anregungen, denen bestimmte grundsätzliche Auffassungen zu entscheidenden Fragen der inneren deutschen Wirtschaftspolitik zugrunde liegen.

Reichskanzler Dr. Brüning faßte das Ergebnis der in den Ausschüssen des Wirtschaftsbeirats an der Hand sorgfältiger Fragestellung getätigten Arbeiten folgendermaßen zusammen:

1)

Die Aufgabe:

Der Wirtschaftsbeirat schloß sich der Auffassung der Reichsregierung, wie sie in dem Briefwechsel zwischen dem Herrn Reichspräsidenten und der Reichsregierung vor Zusammenberufung des Wirtschaftsbeirats6 und der Eröffnungsrede des Herrn Reichspräsidenten7 zutage getreten sei, an, daß der Sinn der in Aussicht zu nehmenden wirtschaftspolitischen Maßnahmen der sein müsse, die Aufwendungen der gesamten Wirtschaft in weitem Maße an die teils durch Währungsveränderungen, teils durch andere Gründe bedingten Preisentwicklungen auf dem Weltmarkt und an die Vermögens- und Einkommenslage in Deutschland anzupassen, unter Abstimmung der einzelnen Aufwendungen und Werte aufeinander. Der Wirtschaftsbeirat stellte sich hierbei auf den Boden der Reichsregierung, daß jegliche Maßnahme inflationistischen Charakters entschieden abzulehnen und daß diese Aufgaben durch einen umfassenden Plan in sich geschlossener und von einander bedingender Maßnahmen zu lösen seien, wobei diese Maßnahmen wegen ihrer Abhängigkeit voneinander, soweit irgend möglich, nicht nur alsbald, sondern auch gleichzeitig getroffen werden müßten. Für den Erfolg dieser Maßnahmen wäre die baldige Beendigung der internationalen Deflation von wesentlicher Bedeutung.

6

Vgl. Dok. Nr. 515, Anm. 12.

7

Hierzu Dok. Nr. 526.

2) Notwendige Voraussetzungen:

Der Wirtschaftsbeirat hat auf Wunsch der Reichsregierung Fragen der öffentlichen Etatswirtschaft in Reich, Ländern und Gemeinden im einzelnen nicht erörtert, ist aber mit Reichsregierung und Reichsbank der Auffassung, daß erste Voraussetzung einer[1994] Wiedergesundung der deutschen Wirtschaft der Ausgleich der Haushalte im Reich, bei der Reichsbank, in Ländern und Gemeinden ist, da auch eine gesunde Privatwirtschaft erst auf dem Boden einer gesunden Staatswirtschaft erwachsen könne. Hierbei herrschte Übereinstimmung darüber, daß auf die Dauer die deutsche Wirtschaft nicht in der Lage sei, öffentliche Lasten in der jetzigen Höhe zu tragen.

Ferner sei es zur Wiedererweckung und Festigung des Vertrauens in die deutsche Wirtschaft im In- und Ausland notwendig, daß außer der dringend gebotenen Klärung der Reparationsfragen rechtzeitig vor Ablauf des Stillhalteabkommens eine Neuregelung über die in Deutschland investierten ausländischen Kredite hinsichtlich Verzinsung, Amortisation und Sicherstellung geschaffen werde. Der Wirtschaftsbeirat verweist hinsichtlich dieses Punktes auf die bereits abgeschlossenen Arbeiten seines zunächst eingesetzten Unterausschusses in Zusammenarbeit mit der Reichsregierung. Für eine weitere Behandlung dieses Problems, die vermutlich erforderlich werde, stellt sich der Wirtschaftsbeirat durch seinen Unterausschuß dem deutschen Schuldnerkomitee weiterhin bereitwilligst zur Verfügung.

Übereinstimmung zwischen Reichsregierung und Wirtschaftsbeirat bestand darüber, daß eine weitere notwendige Voraussetzung umfassender wirtschaftlicher Maßnahmen eine baldige und klare Regelung des Verhältnisses zwischen der öffentlichen Hand und dem privaten Bankensystem sei, weil die im Juli d. Js., in dem Monat der Bankenkrise, getroffenen notwendigen Regelungen selbstverständlich nur als Provisorium anzusehen sind.

3) Preisbildung.

Im Rahmen der unter Ziffer 1) umschriebenen Aufgaben des Wirtschaftsprogramms liegt nach Auffassung des Wirtschaftsbeirats in erster Linie eine Einwirkung auf Preise und Löhne. Unter Lockerung der Bindungen, die auf beiden Gebieten bestehen, werden sie in Übereinstimmung miteinander gleichzeitig herabgesetzt werden müssen, um eine unerträgliche Schrumpfung der Kaufkraft zu vermeiden. Insbesondere sind die gebundenen Preise einem neuen Preisniveau anzupassen. Eine systematische Aufhebung sämtlicher Preisbindungen wird jedoch zur Erreichung dieses Zieles nicht empfohlen; auch sind die erforderlichen Preissenkungen tunlichst nicht durch eine prozentuale gleichmäßige Verminderung der gegenwärtigen Preise und Preisspannen herbeizuführen. Dagegen sind Richtlinien aufzustellen, nach denen eine dem neuen Wertniveau entsprechende Preislage bei allen gebundenen Preisen herbeigeführt wird, die bisher auf einem zu hohen Stande beharren. Sofern eine freiwillige Anpassung der Preise an diese Richtlinien nicht eintritt, erscheint eine sofortige Aufhebung der Bindungen erforderlich.

Bei der Erörterung der Preise stellte der Wirtschaftsbeirat fest, daß die Erzeugerpreise landwirtschaftlicher Güter in weitem Ausmaße unter dem allgemeinen Preisniveau liegen. Der Wirtschaftsbeirat hält daher einen Ausgleich und eine Verringerung der in vielen Gegenden noch besonders hohen Preisspannen für geboten. Hierbei wäre nach englischem Beispiel die Einsetzung von Ausschüssen erwägenswert, die anhand der Welt- und Großhandelspreise die angemessenen Kleinhandels- und Vergleichspreise mit anderen Bezirken veröffentlichen. Ebenso erscheint dem Beirat die Anregung beachtlich, daß durch Aushänge in den Läden und andere Vorkehrungen die Preise, insbesondere der Lebensmittel, öffentlich bekanntgegeben werden.

[1995] Im Rahmen eines ausreichenden Gesamtprogramms erscheint eine entsprechende Senkung von Löhnen und Gehältern unvermeidlich. Dabei muß der Grundsatz des Tarifvertrages erhalten bleiben. Auch könnte er ohne die gesetzliche Unabdingbarkeit seine wichtigen sozialen und wirtschaftlichen Aufgaben nicht erfüllen. Auch auf dem Gebiete des Schlichtungswesens erscheinen gesetzliche Änderungen zur Zeit nicht erforderlich, dagegen ist eine veränderte Handhabung notwendig. Insbesondere soll die Verbindlichkeitserklärung durch Stärkung der Zusammenarbeit und Selbstverantwortung der Tarifparteien eingeschränkt werden. Der Inhalt der Tarifverträge muß sich mehr als bisher der wirtschaftlichen Entwicklung anpassen, damit in der bedrängten Lage der Wirtschaft und bei dem geringen Grad der Beschäftigung Erleichterungen erzielt werden können. Bei dieser Auflockerung der Tarifverträge sind örtliche Verschiedenheiten, zeitliche Änderungen, branchenmäßige und betriebliche Unterschiede, die Leistungsunterschiede der einzelnen Arbeitnehmerkategorien insbesondere zu berücksichtigen.

4) Kredit und Zins.

Der Wirtschaftsbeirat bekräftigt die Auffassung der Reichsregierung und der Reichsbank, daß alle Maßnahmen abzulehnen sind, die zu einer Inflation führen könnten. Er ist demzufolge der Auffassung, daß alle notwendigen Kreditmaßnahmen im Rahmen der Organisation der Reichsbank durchgeführt werden müssen. Der Zeitpunkt für geeignete Maßnahmen der Reichsbank auf diesem Gebiete hängt davon ab, daß es gelingt, die Voraussetzungen für die Wiederherstellung der Wirtschaftlichkeit der Unternehmungen zu schaffen und dadurch das Vertrauen zur deutschen Wirtschaft im In- und Ausland auf breitester Basis wieder zu beleben. Es erscheint dem Wirtschaftsbeirat erforderlich, daß dann sofort die Reichsbank ihre Kreditpolitik dieser neuen Lage anpaßt und dadurch die Beschäftigungsmöglichkeiten der Wirtschaft erweitert. Aufgabe der Reichsregierung und Reichsbank ist es auch, alle erforderlichen und möglichen Maßnahmen zur Stärkung des Devisenvorrats zu treffen.

Hinsichtlich der Zinsen ist der Wirtschaftsbeirat übereinstimmend der Auffassung, daß eine Senkung des Zinsniveaus für die gesamte deutsche Wirtschaft vom Geldmarkte aus als unbedingt notwendig anzustreben ist.

Auf dem Geldmarkt sind die Zinsen der Einlagen bei den Kreditinstituten die Grundlage der Zinsen für die Darlehen, die diese gewähren. Um in der schweren Zinsbelastung der Wirtschaft Erleichterungen zu schaffen, müssen deswegen die Habenzinsen auf einen angemessenen Betrag ermäßigt werden. Gleichzeitig sind die Zinsspannen zwischen den Habenzinsen und den Zinsen der Ausleihungen zu verringern, wobei der Wirtschaftsbeirat feststellt, daß in der letzten Zeit der Gedanke des Risikoaufschlags zu stark betont worden sei. Der Risikoaufschlag muß in Zukunft individueller festzusetzen sein, was von selbst zu einer Erleichterung der Kreditbedingungen für gute Schuldner und einer Ablehnung schlechter Risiken und damit auch zu sparsamerer Kapitalwirtschaft führen wird. Auch sind Maßnahmen gegen jede ungesunde Kredithäufung vorzusehen.

Senkung des Zinsniveaus auf dem Kapitalmarkt in Wechselwirkung zu den Zinsermäßigungen auf dem Geldmarkt hält der Wirtschaftsbeirat für dringend erwünscht. Die Ansichten über die Wege, die zu diesem Ziele führen können, waren geteilt. Einmütig aber wünschte der Beirat eine Einflußnahme der Reichsregierung[1996] auf die großen Träger des langfristigen Kredits, damit diese unter Rücksichtnahme auf die bei Durchführung des Wirtschaftsplanes zu schaffende neue Lage auch ihrerseits bei Verlängerung von Hypotheken den Zinsfuß ermäßigen, und daß sie dabei von Erhebung besonderer Gebühren absehen.

Allgemein hält es der Wirtschaftsbeirat für geboten, daß alle diese Maßnahmen möglichst aufgrund freier Vereinbarungen der Beteiligten getroffen werden. Er empfiehlt aber, daß die Reichsregierung den Abschluß dieser Abmachungen mit allem Nachdruck fördert.

5) Öffentliche Tarife.

Zur Herabsetzung der allgemeinen Lebenshaltungskosten, die bei Senkung von Löhnen und Gehältern zu einer unbedingten Notwendigkeit wird, ist vor allem eine Senkung der Tarife der öffentlichen Unternehmungen erforderlich. Der Wirtschaftsbeirat erkennt an, daß in dieser Hinsicht die Reichsbahn ihre tatkräftige Mitarbeit zugesagt hat. Wenn auch eine Senkung der Personentarife und eine allgemeine Senkung der Frachten nicht möglich erscheint, so ist die von der Reichsbahn in Aussicht gestellte Senkung der Reichsbahntarife für einzelne für die Volkswirtschaft besonders wichtige Güter von größter Bedeutung, ebenso wie die Zusicherung der Reichsbahn, für besonders notleidende Bezirke und Wirtschaftsweige unter Ausschluß von Berufungen Sondertarife einzuführen.

Der Wirtschaftsbeirat hat davon zustimmend Kenntnis genommen, daß die Reichsregierung es als ihre unabweisliche Aufgabe ansieht, durch nachdrückliche Einwirkungen auf die zuständigen Landes- und Kommunalbehörden auf eine fühlbare Herabsetzung aller übrigen öffentlichen Tarife, vor allem bei Straßenbahn, Gas und elektrischem Strom hinzuwirken, um auf diese Weise Fehlbeträge, die etwa zunächst eintreten, durch Konsumsteigerung auszugleichen.

6) Wohnungswirtschaft.

Der Wirtschaftsbeirat hält eine Herabsetzung der Mieten durch Anpassung an die verminderten Einkommen für unbedingt geboten.

Auch durch Änderung der Bestimmungen über die Wohnungszwangswirtschaft kann den Plänen der Reichsregierung entsprechend diese Bewegung wirksam unterstützt werden. Diese Pläne gehen dahin, den Abbau der Wohnungszwangswirtschaft enger als bisher an die wirkliche Lage auf dem Wohnungsmarkt anzuschließen, was nicht nur für neue, sondern auch für bestehende Mietverhältnisse zu gelten hat. Die Termine für das Ende der Wohnungszwangswirtschaft sind zweckmäßigerweise weiter vorzurücken; Voraussetzung dafür ist aber die Sicherstellung eines sozialen Mietrechts, insbesondere für die Inhaber der kleinen und kleinsten Wohnungen und kinderreiche Familien.

Ebenso tritt der Beirat den Plänen der Reichsregierung hinsichtlich des Hauszinssteuerproblems bei. Hiernach muß dieses sofort und endgültig geregelt werden, wobei allerdings eine sofortige völlige Aufhebung nicht möglich erscheint. Jedoch ist ein gestaffelter Abbau wünschenswert mit der Maßgabe, daß die Ablösung mit sofortiger Wirkung möglich ist. Ferner erscheint eine Arbeitsbeschaffung aus Mitteln der Hauszinssteuer zwecks erleichterter Vornahme von Hausreparaturen für möglich und geboten; hierbei erscheint eine Nachprüfung der vollzogenen Reparaturen, gegebenenfalls durch die zuständige Handwerkskammer, zweckmäßig.

[1997] 7) Bankenorganisation.

Im Rahmen eines Gesamtwirtschaftsprogramms spielen Fragen der Organisation des Bankwesens und der Verteilung der bankmäßigen Aufgaben unter die verschiedenen Gruppen der Kreditinstitute eine erhebliche Rolle. Die in den Jahren nach dem Kriege, insbesondere in der Inflationszeit eingetretene Entwicklung des deutschen Bankwesens hat in Verbindung mit der allgemeinen Lage am Geld- und Kapitalmarkt zu bedenklichen Erscheinungen geführt, denen die Regierung ihre besondere Aufmerksamkeit zuwenden muß. Hierbei ist insbesondere auf Stärkung der örtlichen Krediteinrichtungen im Interesse einer ausreichenden Versorgung der mittleren und kleinen Unternehmungen Bedacht zu nehmen.

Die Erreichung dieser Ziele wird größtenteils nur im Wege freiwilliger Vereinbarung zwischen den Beteiligten möglich sein. Der Wirtschaftsbeirat weist darauf hin, daß durch die Notverordnung vom 19. September 19318 der Reichsregierung in dem Kuratorium und dem Reichskommissar für das Bankengewerbe geeignete Organe zur Verfügung stehen, um einen ständigen Einfluß in der vorbedachten Weise auszuüben. Der Wirtschaftsbeirat empfiehlt aber der Reichsregierung, auch ihre eigene volle Autorität einzusetzen, um den Abschluß solcher Vereinbarungen zu fördern.

8

NotVo. über Aktienrecht, Bankenaufsicht und über Steueramnestie, RGBl. 1931 I, S. 493 .

8) Landwirtschaft.

Bei den Erörterungen über die Lage der landwirtschaftlichen Betriebe, die bereits in Ziffer 3) berührt worden ist, nimmt der Beirat von dem Grundgedanken der Sicherung der Ernte im Osthilfegebiet Kenntnis. Tatsächlich muß schon im Interesse der Volksernährung die ordnungsmäßige Fortführung der Betriebe mit allen verfügbaren Mitteln überall in Deutschland sichergestellt werden. Der Ausschuß hielt eine Prüfung für geboten, wieweit diesem Erfordernis auch in den anderen Gebieten des Reichs Rechnung getragen werden muß, ohne aber die Kreditlage der Landwirtschaft zu verschlechtern und die Kreditgeber zu gefährden.

Nach Darlegung dieser allgemeinen Leitsätze legte Reichskanzler Dr. Brüning in der heutigen Schlußsitzung Wert auf die Feststellung, daß Wirtschaftsbeirat und Reichsregierung schließlich auch darin einig gewesen seien, daß der Appell an die Einsicht aller derer, die im Wirtschaftsleben stehen, diesmal nicht erfolglos bleiben dürfe. Es müsse Gemeingut des gesamten Volkes werden, daß nur der Weg der Herabsetzung aller Aufwendungen den Boden für den Aufstieg auf gesunder und solider Grundlage bereiten kann. Nur wenn jeder diese Tatsache erkenne, und wenn alle, auch unter vorübergehenden Opfern, auf das gleiche Ziel zustrebten, könnten die Vorschläge des Wirtschaftsbeirats und die Maßnahmen der Reichsregierung vollen Erfolg haben9.

9

Zur Kritik an der Arbeit des Wirtschaftsbeirats siehe Dok. Nr. 563 und 565. In den Akten befinden sich außerdem Eingaben des Reichsverbands deutscher Konsumvereine gegen eine Erhöhung der Umsatzsteuer (Telegramm vom 24. 11. und Schreiben vom 28.11.31 in R 43 I /1166 , Bl. 111–112, Bl. 234–235). Der Deutsche Beamtenbund verlangte von der RReg. durchgreifende Maßnahmen zur Preissenkung und suchte um einen Gesprächstermin beim RK nach (Telegramm vom 24.11.31 in R 43 I /1166 , Bl. 113–114).

[1998] Der Herr Reichspräsident schloß darauf die Tagung des Wirtschaftsbeirats mit folgenden Ausführungen10: „Meine Herren! Die Tagung des Wirtschaftsbeirats hat mit den heutigen Beratungen ihr Ende erreicht. Ehe wir auseinandergehen, ist es mir Bedürfnis, sowohl den Mitgliedern des Wirtschaftsbeirats als auch den zu einzelnen Beratungspunkten zugezogenen Sachverständigen für ihre gründliche und hingebende Arbeit, die von dem Willen getragen war, unter Zurückstellung von Einzelforderungen und -wünschen dem allgemeinen Wohle zu dienen, herzlichst zu danken. Sie haben damit, meine Herren, der Reichsregierung und mir selbst eine wertvolle Hilfe geleistet.

10

Text der Ansprache des RPräs. nach dem Wortlaut in WTB Nr. 2463 vom 24.11.31 in R 43 I /1166 , Bl. 246–247.

In grundlegenden Fragen haben Sie eine gemeinsame Linie gefunden. Insbesondere stimmen Sie mit der Reichsregierung in Ihrer Auffassung über Zweck und Ziel der jetzt erforderlichen wirtschaftspolitischen Maßnahmen überein, auf deren Grundlage sich das Wirtschaftsleben wieder entfalten kann.

Mögen in der Auffassung über Einzelmaßnahmen, die zu diesem großen Ziele führen sollen, die Meinungen auseinandergehen. In offener Aussprache ist über Grad und Maß dieser Unterschiede in Ihren Auffassungen Klarheit geschaffen. Verständnis für die Überzeugung des anderen wird, so hoffe ich, die Folge sein11.

11

In dem von StS Meissner der Rkei mit Schreiben vom 21.11.31 zugeleiteten Entw. lautete der zweite Absatz ursprünglich: „Wenn auch bei der Gegensätzlichkeit der Interessen der einzelnen Berufsstände ein einheitliches, die Gruppeninteressen ausgleichendes Gutachten des gesamten Wirtschaftsbeirates sich nicht hat erreichen lassen, so will ich doch dankbar anerkennen, daß auf verschiedenen Einzelgebieten übereinstimmende gutachterliche Beschlüsse gefaßt und für die Entscheidung der noch offenen Fragen bedeutsames und grundlegendes Material zusammengetragen wurde.“ Der zweite Absatz wurde offenbar von der Rkei neu formuliert (Schreiben mit Entw. in R 43 I /1166 , Bl. 105–109, hier Bl. 106–107 und 109).

Wie ich in meiner Eröffnungsansprache an Sie und heute wiederum der Herr Reichskanzler betonte, liegt die Pflicht der Führung und des Handelns bei der Reichsregierung. Gestützt auf die hier beschlossenen Leitsätze und die aus der Aussprache der letzten Wochen gewonnenen Erfahrungen und Anregungen wird die Reichsregierung nunmehr ihrerseits die Maßnahmen beschließen, die sie zur Wiedergesundung unserer Wirtschaft und zur Aufrechterhaltung des sozialen Friedens für notwendig hält. Ich vertraue zuversichtlich, daß Sie, Herr Reichskanzler und meine Herren Reichsminister, diese Entschließungen nunmehr mit aller Beschleunigung fassen, und sehe Ihren baldigen Vorschlägen gerne entgegen.

In der Erwartung, daß Sie, meine Herren, mit Ihrer wertvollen Mitarbeit auch in Zukunft der Reichsregierung bei späteren Beratungen zur Verfügung stehen werden, schließe ich mit nochmaligem Dank an alle, die hier mitgearbeitet haben, die Sitzung.“

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