2.131.4 (feh1p): 4. a) Vorschläge, betreffend die deutschen Teilnehmer an der Konferenz in Brüssel; b) Entwurf zu Richtlinien für die deutsche Delegation.

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4. a) Vorschläge, betreffend die deutschen Teilnehmer an der Konferenz in Brüssel5;
b) Entwurf zu Richtlinien für die deutsche Delegation6.

5

Die Einladung zur Sachverständigenkonferenz von Brüssel hatte die RReg. am 5.12.1920 erhalten. Gegenstand dieser Konferenz sollte die Behandlung der Frage der Reparationen sein, die Deutschland nach dem Friedensvertrag zu leisten hatte. Zum Abschluß der Konferenz sollten die Sachverständigen ihren Regierungen einen Bericht erstatten, und der Repko sollte das Protokoll ihrer Sitzungen mitgeteilt werden. Da die dt. Sachverständigen mit denen der Alliierten zusammen tagen sollten, war in der Einladung gebeten worden, die Namen der dt. Delegierten so bald wie möglich mitzuteilen (Schultheß 1920, I, S. 310). Offenbar bereits in Kenntnis dieser Einladung hatte das AA am 3. 12. dem StSRkei eine Vorschlagsliste mit den Teilnehmern an der bevorstehenden Sachverständigenkonferenz übersandt und gebeten, diese Liste auf die TO einer Kabinettssitzung zu setzen. Nach dieser Vorschlagsliste waren als Delegierte StS Bergmann und Karl Friedrich von Siemens vorgesehen. Als Sachverständige bei der Delegation wurden Melchior, Cuno, Vögler, Urbig, Prof. Bonn, Staatsrat von Meinel und MinR von Flotow genannt. Ferner sollten je ein Vertreter des RFMin., des RWiMin. und der Rbk der Delegation angehören. Für die Beratung von Einzelfragen war eine weitere Reihe von Sachverständigen vorgesehen, die jedoch nicht nach Brüssel fahren sollten, sondern sich nur bereithalten sollten (Schreiben des AA an den StSRkei am 3.12.1920, R 43 I /398 , Bl. 13–15).

6

Siehe dazu Dok. Nr. 129.

Reichsminister Simons teilt mit, daß die formelle Einladung an die Reichsregierung[339] zur Teilnahme an der Konferenz in Brüssel ergangen sei. Wir könnten seines Erachtens der Einladung nur folgen, wenn die Verhandlungen der Sachverständigen in Brüssel nur als Vorarbeit für die in Aussicht gestellte Konferenz bevollmächtigter Regierungsvertreter in Genf zu gelten haben würden7.

7

Siehe dazu Dok. Nr. 28, Anm. 3.

Bezüglich der vorgeschlagenen Teilnehmer an der Konferenz sei noch die Frage zu erörtern, wie weit Vertreter der Arbeitnehmer als Delegierte oder als Sachverständige zuzuziehen seien.

An die Ressorts richte er die Bitte, etwa noch vorhandenes Material unverzüglich an das Auswärtige Amt gelangen zu lassen, damit es den ausländischen Delegierten sobald als möglich zugänglich gemacht werden könne.

Der Minister trägt weiter die vorliegenden Richtlinien für die Delegierten vor. Bei V schlägt er vor, den Satz zu streichen, nach dem auf die Möglichkeit hinzuweisen sei, lediglich eine Barentschädigung zu zahlen und daneben bestimmte Kontingente unter Ausschaltung von Monopolpreisen zuzusichern. Zur Frage des freien Verkehrs erklärt der Minister, daß ein solcher namentlich dort in Betracht käme, wo es sich beispielsweise um ganze Fabrikeinrichtungen handle.

Das Kabinett stimmt der Streichung des vom Reichsminister Simons angeführten Satzes zu.

Reichsminister Brauns ist der Ansicht, daß ein dritter Hauptdelegierter für Arbeiterfragen zweckmäßig zu ernennen sei, da diese für die Verhandlungen eine geradezu ausschlaggebende Bedeutung hätten. Dies treffe insbesondere in bezug auf die Kohle zu. Als solchen Delegierten möchte er den Geheimrat Sitzler im Reichsarbeitsministerium8 empfehlen.

8

MinDir. Sitzler, Leiter der Unterabteilung „Arbeitsverhältnisse im Bergbau“ im RArbMin.

Reichsminister Dr. Simons: An sich habe es das Auswärtige Amt aus Gründen der Parität für empfehlenswert gehalten, nur zwei Hauptdelegierte zu entsenden9. Er wolle jedoch dem Antrage des Reichsarbeitsministers nicht widersprechen. Geheimrat Sitzler würde allerdings zur Zeit hier kaum entbehrlich sein.

9

In der Einladung zu der Konferenz war die Zahl der Teilnehmer ausdrücklich auf zwei Vertreter beschränkt worden (Schultheß 1920, I, S. 310).

Reichsminister Hermes hält es für notwendig, daß ein Vertreter des Reichsernährungsministeriums als Sachverständiger bei der Delegation sofort mit nach Brüssel ginge.

Reichsminister Scholz hält die Teilnahme eines Arbeitervertreters für nötig, empfiehlt jedoch, ihn nicht als Hauptdelegierten, sondern als Sachverständigen zu entsenden. Gegen die Entsendung des Professors Bonn als Sachverständigen, dessen Verhalten in Spa stark kritisiert worden sei, habe seine Partei Bedenken10. Er möchte ferner zu Erwägung stellen, ob die Entsendung Urbigs zu empfehlen sei.

10

Die Tätigkeit und Stellung Prof. Bonns in Spa waren von Kreisen, die der DVP nahestanden, nachträglich scharf kritisiert worden. So hatte der dem rechten Flügel der DVP nahestehende „Hannoversche Kurier“ in seiner Ausgabe vom 21.9.1920 geschrieben: „Darüber kann wohl kein Zweifel vorhanden sein, daß die Zusammensetzung der Sachverständigen für Spa so ungeschickt und unglücklich wie nur irgend möglich war. Es darf unter keinen Umständen mehr einer staunenden Mitwelt das beschämende Schauspiel geboten werden, daß die deutschen Sachverständigen in zwei Lager gespalten sind und offen gegeneinander auftreten. Es darf unter keinen Umständen wieder vorkommen, daß der bestimmte wirtschaftliche Interessen vertretende Teil der Sachverständigen ein ausschließlich von wirtschaftlichen Gesichtspunkten ausgehendes Gutachten abgibt, während der andere hohe Politik treibt und von diesem Standpunkt aus zu einem Ergebnis gelangt, das jenem schnurstracks zuwiderläuft. […] Überhaupt wäre es dringend wünschenswert, wenn die Öffentlichkeit einmal über die merkwürdige Stellung des Herrn Professor Bonn aufgeklärt würde. Ist er eigentlich auch in Spa als formell ernannter und so bezeichneter Sachverständiger der deutschen Regierung gewesen, oder war er auch dort nur ‚Vertrauensmann‘ des Reichspräsidenten und der Reichskanzlei? Ist seine Entsendung nach Brüssel und Genf in dieser Eigenschaft oder als Sachverständiger der Regierung in Aussicht genommen? Wenn wir recht unterrichtet sind, gilt Herr Bonn als ‚Vertrauensmann‘ des Reichspräsidenten und der Reichskanzlei. Da erhebt sich die weitere Frage: wozu bedürfen überhaupt Reichspräsident und Reichskanzlei eines Vertrauensmannes bei Verhandlungen, die von Mitgliedern des Kabinetts geführt werden? Ist die Entsendung eines solchen Vertrauensmannes mit dem in der Verfassung vorgeschriebenen parlamentarischen Regierungssystem vereinbar, das dem Kabinett die ausschließliche Verantwortung überträgt? Hat wenigstens das Kabinett irgendwelche Einwirkung auf die Auswahl eines solchen Vertrauensmannes, wenn man sich für seine Entsendung entscheidet, und aus welchen Mitteln ward er entlohnt, aus denen des Auswärtigen Amtes, der Reichskanzlei oder des Reichspräsidenten?“ (Hannoverscher Kurier Nr. 35 237 vom 21.9.1920, R 43 I /2850 , Bl. 28). Prof. Bonn hatte in einem mehrseitigen Schreiben vom 23.9.1920 an StS Albert diese Vorwürfe zurückgewiesen (R 43 I /2850 , Bl. 48–49).

[340] Reichsminister Simons stellt anheim, statt Urbig Herrn von Stauß zu entsenden.

Staatssekretär Albert hält dies für empfehlenswert und weist auf die grundsätzlichen Bedenken hin, die gegen eine Streichung des Professors Bonn von der Liste der Hauptsachverständigen sprächen.

Reichsminister Giesberts bemerkt zu V Abs. 2 der Richtlinien, daß die Preise für die Sachleistungen festgelegt werden müßten.

Reichsminister Simons hält es für wünschenswert, daß der Präsident des Reichsbankdirektoriums, Havenstein, nach Brüssel gehe.

Staatssekretär Müller erklärt sein Einverständnis mit dem sachlichen Plane des Auswärtigen Amtes. Bei den allgemeinen Interessen, die das Wiederaufbauministerium zu vertreten habe, wünsche er die Beteiligung eines Vertreters des Wiederaufbauministeriums gleich von Anfang an. Auch hinsichtlich des freien Verkehrs könne er den Ausführungen des Reichsministers Simons in dessen vorsichtiger Fassung und mit der von ihm dargelegten Beschränkung zustimmen.

Reichsminister von Raumer hält die Entsendung eines Arbeiterführers als Delegierten für nötig und empfiehlt dafür Legien. Die Teilnahme von Stauß halte er für wünschenswert, da dieser in internationalen Dingen besonders erfahren sei.

Staatssekretär Schroeder bittet, den Kreis der zunächst nach Brüssel Gehenden möglichst zu beschränken.

Reichsminister Groener empfiehlt die Entsendung Legiens.

Reichsminister Simons bittet, die Ministerien nicht sogleich mit ihren Sachverständigen an den Verhandlungen zu beteiligen, da mehrere Ententevertreter ihn hiervor ausdrücklich gewarnt hätten.

[341] Das Kabinett beschließt, Legien als Delegierten nach Brüssel zu entsenden. Der Reichsminister des Auswärtigen soll mit Legien verhandeln. Wenn die Beteiligung Legiens aus irgendwelchen Gründen nicht möglich ist, so soll das Auswärtige Amt im Benehmen mit dem Reichsarbeitsministerium einen anderen Arbeitnehmervertreter benennen, der jedoch nicht als Delegierter, sondern als Sachverständiger nach Brüssel gehen würde. Das Kabinett beschließt ferner, daß der Präsident des Reichsbankdirektoriums, Havenstein, und der Direktor der Deutschen Bank, von Stauß, – dieser an Stelle von Urbig – sowie auch Professor Bonn als Sachverständige nach Brüssel gehen sollen11.

11

Die endgültige dt. Delegation zur Sachverständigenkonferenz von Brüssel bestand aus StS Bergmann und RbkPräs. Havenstein als Delegierten; den Herren Cuno, Hilger, Melchior, von Stauß, Silberschmidt, Prof. Bonn, Staatsrat von Meinel vom BayerHandMin. und MinR Fellinger vom PrHandMin. als beratenden Sachverständigen sowie StS Schroeder vom RFMin., MinDir. von Le Suire vom RWiMin. und MinR Cuntze vom RMinWiederaufbau (R 43 I /456 , Bl. 68). Legien war Anfang Dezember erkrankt und starb am 26.12.1920.

Zum Verlauf der Konferenz vgl. die „Sammlung von Aktenstücken über die Verhandlungen auf der Sachverständigenkonferenz von Brüssel vom 16. bis 22.12.1920“ hrsg. vom AA, Berlin 1921 (R 43 I /456 , Bl. 63–168); Schultheß 1920, I, S. 310–311 und II, S. 386–88; Bergmann, Der Weg der Reparation, S. 69 f.; D’Abernon, Ein Botschafter der Zeitenwende, Bd. 1, S. 117 f.

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