2.79.2 (lut1p): 2. Zolltarifvorlage.

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Die Kabinette Luther I und II (1925/26), Band 1.Das Kabinett Luther I Bild 102-02064Reichspräsident Friedrich Ebert verstorben Bild 102-01129Hindenburgkopf Bild 146-1986-107-32AStresemann, Chamberlain, Briand Bild 183-R03618

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RTF

[265]2. Zolltarifvorlage3.

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Über die vorangegangenen Beratungen, in deren Mittelpunkt die Frage der Einbringung eines Ermächtigungsgesetzes zur kurzfristigen Regelung der Zolltarife gestanden hatte, s. Dok. Nr. 59, P. 1 und Dok. Nr. 60, dort bes. Anm. 7. In einer Chefbesprechung am 22. 4. erklärte Luther, „daß das Ermächtigungsgesetz augenblicklich in den Hintergrund getreten zu sein scheine. Die Parteien warteten auf die Regierungsvorlage; es müsse unmittelbar nach der Präsidentenwahl [26. 4.] etwas geschehen.“ Daraufhin wurde beschlossen, die im RFMin. vorbereitete Zollvorlage in einer Ressortbesprechung am 27. 4. und in einer Chefbesprechung am 29. 4. nochmals durchzuberaten (Protokoll Grävells vom 22. 4. in R 43 I /1264 , Bl. 31-33). Über diese Besprechungen fanden sich Aufzeichnungen nicht bei den Akten der Rkei.

Ministerialdirektor Ernst berichtete über die Vorlage4. Offen sei lediglich noch die Frage der Traktoren. Das Reichsfinanzministerium sei bereit, in den Zollsätzen für Traktoren etwas nachzugeben und schlage statt 100 M Anfangszoll je dz 90 M je dz vor.

4

Der „Entwurf eines Gesetzes über Zolländerungen“, vorgelegt vom RFM am 1. 5., verfolgt den Zweck, die geltenden Tarife des Zollgesetzes vom 25.12.1902 (RGBl., S. 303 ) der veränderten Wirtschaftslage anzupassen. Im einzelnen ist vorgesehen: 1) Aufhebung aller noch bestehenden Zollerleichterungen der Kriegszeit (u. a. der Bekanntmachung über Einfuhrerleichterungen vom 4.8.14, RGBl., S. 352 ), 2) teilweise Einführung neuer autonomer Zollsätze für industrielle Waren, 3) Wiedereinführung der autonomen Zollsätze des Zollgesetzes von 1902 für landwirtschaftliche Erzeugnisse.

Dem Entwurf ist eine Zusammenstellung (59 Seiten) über neue Zollsätze für industrielle und landwirtschaftliche Warenarten beigefügt (R 43 I /2417 , Bl. 368-405).

Der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft hielt auch diesen Zoll noch für prohibitiv und daher für zu hoch. Man dürfe über die bisher gültigen Sätze, d. h. 80 M je dz, nicht hinausgehen.

Der gleichen Meinung war der Reichsminister des Innern.

Der Reichswirtschaftsminister wies darauf hin, daß bisher Einfuhrverbot bestanden habe. Bei den in der Vorlage vorgeschlagenen Zollsätzen würde bereits die Differenz zwischen inländischen und ausländischen Preisen nicht mehr ausgeglichen. Immerhin glaube er, daß die Differenz von 10 M nicht entscheidend sein dürfe. Er sei bereit, es bei dem gegenwärtigen Zustand zu belassen.

Das Kabinett stimmte daraufhin dem Zollsatz von 80 M je dz zu.

Der Reichsverkehrsminister wünschte eine Herabsetzung der Zölle für Automobile.

Das Kabinett beschloß, es mit Rücksicht auf die bereits abgeschlossenen Handelsvertragsverhandlungen bei der Vorlage bewenden zu lassen.

Zur Kartoffelfrage erklärte der Reichsminister der Finanzen sich mit einem Satz von 0,50 M je dz für das Endstadium und von 0,25 M je dz für das Zwischenstadium einverstanden5.

5

Mit Zwischenstadium ist gemeint eine in § 5 des Entwurfs vorgesehene Übergangsregelung, derzufolge für „frische Kartoffeln“ der obengenannte ermäßigte Tarif bis 14.2.26 zur Anwendung gelangen soll. Nach Ablauf des Zwischenstadiums sollen folgende Sätze gelten: in der Zeit vom 15. 2. bis 31. 7.: 4 RM dz, in der Zeit vom 1. 8. bis 14. 2.: 0,50 RM dz.

Das Kabinett beschloß daraufhin diese Sätze.

Bezüglich der praktischen Behandlung der Vorlage hielt es der Reichskanzler für unbedingt erforderlich, nicht eher mit der Vorlage an die Öffentlichkeit zu kommen, bevor nicht die Maßnahmen der Reichsregierung eine eingehende Begründung erfahren hätten. Ohne solche Begründung seien die Landwirtschaftszölle,[266] insbesondere auch der Kartoffelzoll nicht vertretbar. Die Öffentlichkeit müsse bis zur Vorlage des Gesetzentwurfs an den Reichsrat auf das Kommende vorbereitet werden.

Der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft teilte mit, daß die Begründung zu den einzelnen Punkten bereits fertiggestellt sei. Im Laufe der Woche werde er alles liefern können. Er bedauere nur, zu wenig Personal zur Verfügung zu haben, um sich eingehender mit den Fragen befassen zu können. Es müsse möglich sein, für derartige Spezialfragen vorübergehend Personal einzuberufen.

Ministerialdirektor Lothholz äußerte dagegen keine Bedenken, falls es sich nur um vorübergehende Einberufungen handelte.

Der Reichsarbeitsminister wies ebenfalls darauf hin, daß die Begründung sehr eingehend sein und vor allem auf die volkswirtschaftlichen Zusammenhänge Bezug nehmen müsse. Die Gewerkschaften müßten zusammenberufen werden, um sie auf die Dinge vorzubereiten. Notwendig sei dabei die Vorlage der Begründung und anderen Materials, das den Gewerkschaften in die Hand gegeben werden könne.

Der Reichskanzler hielt es ebenfalls für empfehlenswert, die Gewerkschaften zu hören. Es sei jedoch notwendig, die Gewerkschaften nicht gemeinsam, sondern einzeln zu empfangen6.

6

In den Akten dazu lediglich die Aufzeichnung Kempners über eine Besprechung des RK mit Vertretern des Dt. Gewerkschaftsbundes am 28. 5. S. Anm. 9 zu Dok. Nr. 63.

Der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft teilte mit, daß er diese Absicht bereits gehabt habe.

Das Kabinett stimmte daraufhin der gesamten Vorlage zu und beschloß, die Vorlage dem Reichsrat nach Fertigstellung der Begründung und Vorbereitung der Öffentlichkeit, was in den nächsten 8 Tagen geschehen soll, vorzulegen7.

7

Die Vorlage an den RR erfolgt am 19. 5. (RR-Drucks. Nr. 84, Bd. 1925, I).

Der Presse soll folgende Mitteilung übergeben werden:

„Das Kabinett hat in seiner heutigen Sitzung die Zollvorlage in allen wesentlichen Punkten beraten. Die Entscheidung über die Vorlage des Gesetzentwurfs an den Reichsrat wird demnächst getroffen.“

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