2.30.5 (ma11p): 5. Dritte Steuernotverordnung und Finanzausgleich.

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5. Dritte Steuernotverordnung und Finanzausgleich.

Der Reichsminister der Finanzen berichtete über den Inhalt des Entwurfs6 und über das Ergebnis der gestrigen Sitzung des Wirtschaftsausschusses7.

6

S. Dok. Nr. 25, Anm. 1.

7

Gemeint ist offenbar die Sitzung des Wirtschaftsausschusses vom 15. 12. (Dok. Nr. 25).

Der Reichsminister der Justiz wiederholte seine in der gestrigen Ausschußsitzung vorgetragenen gegensätzlichen Ausführungen und teilte mit, daß er bereits in einem an den Reichsminister der Finanzen gerichteten Schriftsatz8 einen neuen Weg vorgeschlagen habe, der auf der einen Seite versuche, dem Urteil des Reichsgerichts9 gerecht zu werden und zum anderen auch den finanziellen Erfordernissen des Reichsfinanzministers Rechnung trage.

8

In R 43 I nicht ermittelt.

9

S. Dok. Nr. 25, Anm. 4.

Der Reichsminister des Auswärtigen bezeichnete die Frage der Hypothekenaufwertung und die der Staatsanleihen als zwei Dinge, die nicht miteinander verglichen werden dürften. Der Staat könne sich in seiner Notlage rücksichtslos gegenüber seinen Bürgern durchsetzen, anders lägen aber die Verhältnisse der[128] Staatsbürger untereinander. Er stimme durchaus dem Vorschlage des Reichsjustizministers zu; dabei leite ihn im wesentlichen folgender Gedanke: Das Ausland habe wiederholt die Stärke Deutschlands zu Reparationsleistungen damit begründet, daß es der einzige Staat sei, der den Krieg umsonst geführt habe und nicht durch Staatsschulden belastet sei. Er erblicke in einer beschränkten Aufwertung von diesem Gesichtspunkte aus eine außenpolitische Entlastung. Aber auch vom Standpunkt der inneren Verhältnisse aus glaube er, sich für die Aufwertung grundsätzlich einsetzten zu müssen. Es sei ein unerträglicher Gedanke, gerade die Schichten der Bevölkerung, die die staatserhaltenden früher gewesen wären, jetzt kraft Gesetzes völlig zu proletarisieren. Auch müsse beachtet werden, daß bei einer Streichung der Schulden die Kreditwürdigkeit Deutschlands außerordentlich stark leide. Die steuerliche Ausnutzbarkeit könne dadurch wettgemacht werden, daß von denjenigen Opfer verlangt würden, die die wirklichen Nutznießer der Inflation gewesen seien.

Der Reichsarbeitsminister betonte, daß die Frage nicht allein vom juristischen Standpunkt zu beurteilen sei. Nach fünfjähriger Inflation sei es unmöglich, alles das wieder zurückzubilden, was inzwischen entstanden sei. Es müsse auch berücksichtigt werden, daß für die entstandenen Opfer bereits durch das Reich Unterstützungen gewährt worden seien. Eine Grenze für die Aufwertung zu finden, sei ganz unmöglich. Er bitte dringend, es bei dem jetzigen Vorschlag des Reichsfinanzministers zu belassen.

Der Vizekanzler glaubte, daß mit dem Vorschlage des Reichsministers der Finanzen kein neues Recht geschaffen, sondern nur etwas, was sei, deklariert werde. Der bei einer Aufwertung erforderliche Apparat sei unerträglich. Bedenken trage er, ob der fundamentale Satz des § 1 des Entwurfs in dieser Steuerverordnung bestehen bleiben dürfe. Er sei der Auffassung, daß auch ohne diesen Satz die Steuern veranlagt werden könnten und glaube daher vorschlagen zu sollen, den betreffenden Absatz ganz fallen zu lassen.

Der Reichsminister der Finanzen und der Reichsarbeitsminister wiesen demgegenüber darauf hin, daß bei der bestehenden Rechtsunsicherheit unbedingt notwendig sei, sofort gesetzlich einzugreifen.

Der Reichsminister der Justiz begründete einen Vorschlag, die Aufwertung auf 10% Gold vorzunehmen. Die steuerliche Auswertung des dabei noch bestehenden Hohlraumes sei durchaus zulässig. Die Minderung der Einnahmen müsse ausgeglichen werden durch die Heranziehung der Gewinne der Wechselschuldner.

Der Reichsminister der Finanzen schlug geschäftsordnungsmäßig vor: das Kabinett wolle beschließen, daß es dem finanziellen Grundgedanken des Verordnungsentwurfs zustimme und den Reichsminister der Finanzen beauftrage, mit den Ländern über die Herbeiführung des Finanzausgleichs zu verhandeln.

Er behalte sich vor, nach diesen Verhandlungen mit einem neu formulierten Gesetzentwurf an das Kabinett heranzutreten.

Der Reichskanzler hielt diesen Vorschlag für zweckmäßig; sachlich glaubte er, dem Vorschlage des Reichsjustizministers sich anschließen zu sollen.

Der Reichsarbeitsminister ersuchte das Kabinett, bevor es zu den Grundgedanken der Vorlage Stellung nehme, die Frage der Mietzinssteuer und ihrer[129] Verwendung zu behandeln. Er sei mit dem Vorschlage des Reichsministers der Finanzen nicht einverstanden und könne in diesem Punkte dem Entwurf nicht zustimmen.

Der Reichsarbeitsminister trug sodann den Inhalt eines vom Reichsarbeitsministerium aufgestellten Nebenentwurfs10 vor und ging auf die bereits in der gestrigen Ausschußsitzung11 dargelegten Differenzen zwischen dem Standpunkt des Reichsfinanzministers und des Reichsarbeitsministers ein. Er forderte, daß für die nächste Zeit unbedingt die Wohnungsbelange gesichert werden müßten.

10

Nicht ermittelt.

11

Vgl. Anm. 7.

Der Reichsminister der Finanzen begründete demgegenüber seinen Entwurf und hob vor allem hervor, daß es zum Zustandekommen des Finanzausgleichs notwendig wäre, der Mietzinssteuerregelung eine Tendenz zu geben, die die Länder antriebe, mit den Mieten in die Höhe zu gehen, um damit Geld für allgemeine Finanzzwecke zu erhalten. Er sei durchaus nicht Gegner der Auffassung, daß Mittel für die Bautätigkeit zur Verfügung gestellt werden müßten. Aber das sei Sache der Länder und müsse ihnen überlassen werden. Er bitte das Kabinett, ihm die erbetene Vollmacht zu Verhandlungen mit den Ländern auf der Basis der steuerlichen Grundgedanken der Vorlage zu geben, er werde aber versuchen, ob sich dabei nicht ein Weg finden lasse, der auch den Gesichtspunkten des Reichsarbeitsministers Rechnung trage.

Der Reichsarbeitsminister regte an, ob es nicht angängig sei, mit dem ursprünglichen Entwurf, der vom Reichsminister der Finanzen und dem Reichsarbeitsminister gemeinsam aufgestellt gewesen war12, in den Reichsrat zu gehen und es diesem zu überlassen, bei Ablehnung dem Reichstag einen Gegenentwurf vorzulegen.

12

S. Dok. Nr. 25, Anm. 5.

Der Reichskanzler und der Reichsminister der Finanzen hielten diesen Weg während der Zeitdauer des Ermächtigungsgesetzes für bedenklich.

Das Kabinett erteilte darauf gegen die Stimme des Reichsarbeitsministers dem Reichsminister der Finanzen die erbetene Ermächtigung13.

13

Der vorliegende Entwurf einer 3. SteuerNotVO wird in den nun folgenden Verhandlungen stark verändert. Zur Neufassung s. Dok. Nr. 67, P. 3.

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