1.170.2 (ma12p): 2. Handelsvertragsverhandlungen mit Frankreich. [Kölner Zone.]

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2. Handelsvertragsverhandlungen mit Frankreich. [Kölner Zone.]

Der Vizekanzler teilte mit, daß Staatssekretär Trendelenburg beabsichtige, wieder nach Paris zurückzukehren zur Fortsetzung der Handelsvertragsverhandlungen. Es sei zu erwägen, ob unter einem Vorwand seine Abreise noch verzögert werden sollte angesichts der Nachricht, daß die Alliierten nicht beabsichtigten, am 10. Januar die Kölner Zone zu räumen.

Staatssekretär Dr. Trendelenburg fügte hinzu, daß in der letzten Sitzung in Paris vereinbart worden sei, die Verhandlungen am Dienstag, dem 30. Dezember nachmittags 3 Uhr in Paris fortzusetzen2. Es sei also ein ganz bestimmter Termin festgesetzt worden.

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Vgl. hierzu Dok. Nr. 380, P. 2.

Der Reichsminister des Auswärtigen ist der Ansicht, daß Staatssekretär Trendelenburg wieder nach Paris reisen solle. Man müsse sich in der Angelegenheit darüber klar sein, was man erreichen wolle. Ein Abbruch der Vertragsverhandlungen würde zu einem Zollkriege führen, der uns wohl keinen Vorteil bringen würde. Hinzu komme, daß das letzte Wort in der Frage der Räumung der Kölner Zone noch nicht gesprochen sei. Die Alliierten seien sich offenbar einig, daß am 10. Januar nicht geräumt werden solle. Frankreich wolle die Besetzung aufrechterhalten, bis alle militärischen Verfehlungen Deutschlands bereinigt seien. Es wehre sich vor allem gegen eine Verbindung der Räumung der Ruhr mit der der Kölner Zone. England dagegen erstrebe eine Verbindung zwischen[1256] beiden Räumungen. Amerika schließlich habe sich dahin vernehmen lassen, daß die Weiterbesetzung nicht im Sinne des Dawes-Gutachtens läge. Man müsse abwarten, welche von beiden Ansichten, die englische oder die französische, den Sieg davontrage. Dabei müsse man bedenken, daß Frankreich auf England wenig Rücksicht zu nehmen brauche, während England infolge innerer Schwierigkeiten in Indien, Ägypten usw. darauf angewiesen sei, es mit Frankreich nicht zu verderben. Die Deutsche Regierung habe zur Zeit noch keine offizielle Mitteilung, daß Köln nicht am 10. Januar geräumt würde. Unter diesen Umständen könne er zu einem Abbruch der Handelsvertragsverhandlungen nicht raten, da er sich keinen Erfolg von diesem Vorgehen verspreche. Wenn allerdings die Nichträumung Deutschland in einer Form mitgeteilt werden sollte, wie sie bereits einige französische Blätter gemeldet hätten, wenn vor allem eine unbefristete Weiterbesetzung geplant sei, so bedeute das den Bankrott der Londoner Politik, und die drei verantwortlichen Minister Deutschlands, die in London an den Verhandlungen teilgenommen hätten, müßten sich dann die Frage vorlegen, ob sie angesichts dieses Faustschlages gegen ihre Politik noch in der Lage seien, einem Kabinett anzugehören und als Minister vor das Parlament zu treten3.

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Zur Nichträumung der Kölner Zone vgl. die Ausführungen Stresemanns vor der ausländischen Presse am 30.12.24 (Niederschrift im Nachlaß Stresemann , Bd. 18; stark gekürzter Abdruck in: Stresemann, Vermächtnis I, S. 619 ff.); Rede Stresemanns vor dem Auswärtigen Ausschuß des RR am 3.1.25 (Niederschrift in R 43 I /274 , Bl. 124-141; Nachlaß Stresemann, Bd. 19; leicht gekürzter Abdruck als „Aufzeichnung Stresemanns“ in: Stresemann, Vermächtnis II, S. 12 ff.).

Der Reichsarbeitsminister schloß sich der Auffassung des Herrn Reichsministers des Auswärtigen im allgemeinen an. In der Beurteilung der neuerlichen Entwicklung der Außenpolitik gehe er mit ihm völlig einig. Eine Nichträumung von Köln bedeute ein Abweichen von der Londoner Politik. Wenn die Nichträumung zur Tatsache werde, so wäre das ein Beweis dafür, daß auf seiten Frankreichs ein Verständigungswille nicht bestehe. Bezeichnend sei, daß Frankreich sich gegen eine Verbindung der Ruhr- und Rheinräumung wende. Man könne da auf den Gedanken kommen, daß beabsichtigt sei, die Ruhr erst viel später oder gar überhaupt nicht zu räumen. Die Nachgiebigkeit Herriots gegenüber der Opposition werde ihn keineswegs vor dem Sturz bewahren, die Nachfolger seien ihm schon auf den Fersen, der Zug nach rechts sei in Frankreich unverkennbar.

Was die Handelsvertragsverhandlungen anbetreffe, so sei er gegen einen Abbruch. Deutschland müsse am Verständigungswillen unter allen Umständen festhalten. Man könne aber in die Verhandlungen ein langsameres Tempo legen. Die Frage, ob in der Nichträumung ein Bruch des Versailler Vertrages läge, müsse genau geprüft werden. Auch werde man nicht umhinkönnen, in der Frage des Völkerbunds die bisherige Haltung zu revidieren und angesichts der Vergewaltigung des deutschen Volkes und der Ohnmacht des jetzigen Völkerbunds davon absehen, danach zu streben, Völkerbundsmitglied zu werden.

Ministerialdirektor Dr. Kempner teilte mit, daß er dem Herrn Reichskanzler von der Sitzung telefonisch Kenntnis gegeben habe. Der Herr Reichskanzler[1257] habe dem dringenden Wunsche Ausdruck gegeben, daß die Handelsvertragsverhandlungen nicht abgebrochen würden.

Staatssekretär Hagedorn teilte mit, daß Graf Kanitz gegen einen Abbruch der Verhandlungen im jetzigen Augenblick sei, vielleicht lasse sich aber die Abreise der deutschen Delegation verschieben, wenigstens solange, bis Klarheit über die Form des Vorgehens der Gegenseite erlangt sei. Auf alle Fälle müsse man ein langsameres Tempo einschlagen. Der Plan eines Provisoriums4 sei jetzt nicht mehr haltbar.

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Vgl. hierzu Dok. Nr. 380, P. 2.

Staatssekretär Trendelenburg empfahl ebenfalls, vom Abbruch der Verhandlungen abzusehen. Dagegen könne man erklären, daß man über ein Provisorium nicht weiter verhandeln könne. Ein solches Vorgehen würde dadurch erleichtert, daß der französische Vorsitzende bereits erklärt habe, Frankreich habe an einem Provisorium kein besonderes Interesse. Er bäte daher um die Ermächtigung, Verhandlungen über ein Provisorium abzulehnen, dagegen über den Vertrag selbst weiter zu verhandeln.

Der Vizekanzler faßte die Auffassung des Kabinetts dahin zusammen, daß die Delegation abreisen und über den Handelsvertrag weiter verhandeln solle. Von einem Provisorium solle abgesehen werden. Die Form dieser Ablehnung solle der Delegation überlassen bleiben.

Der Reichswehrminister glaubt, daß man die endgültige Taktik erst bestimmen könne, wenn einige Tage verstrichen seien. Frankreich wolle offenbar aus dem besetzten Gebiet nicht heraus. England sei anderer Ansicht. Man müsse abwarten, wer die Oberhand behalten werde.

Was die Militärkontrolle angehe, so sei das Benehmen der Kontrolloffiziere geradezu aufreizend gewesen. Sie hätten alles getan, um die Generalinspektion zum Scheitern zu bringen. Es sei nun Aufgabe der Deutschen Regierung, Material zu sammeln, das geeignet sei, in der Öffentlichkeit darzutun, daß es sich bei der ganzen Kontrolle nur darum gehandelt habe, in Deutschland Opposition zu wecken, um dann die Schuld an einem Scheitern der Kontrollmaßnahmen Deutschland zuzuschieben. Nach seiner festen Überzeugung stehe fest, daß die Gegenseite alles versucht habe, um eine Verständigung zu vereiteln.

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