1.43.2 (ma12p): 2. Kassenvoranschlag für Juli/September.

Zum Text. Zur Fußnote (erste von 3). Zu den Funktionen. Zum Navigationsmenü. Zum Navigationsbaum

 

Bandbilder:

Die Kabinette Marx I und II, Band 2 Wilhelm Marx Bild 146-1973-011-02Reichskanzler Marx vor seinem Wahllokal Bild 102-00392Hochverratsprozeß gegen die Teilnehmer am PutschDawes und Young Bild 102-00258

Extras:

 

Text

RTF

2. Kassenvoranschlag für Juli/September.

In Fortsetzung der in der vorhergehenden Kabinettssitzung gepflogenen Erörterung6 führte der Reichsarbeitsminister zu den Darlegungen des Reichsministers der Finanzen aus:

6

S. Dok. Nr. 255.

Es scheine, daß der Voranschlag lediglich die Ausgaben für Versicherungswesen und Kriegsbeschädigtenfürsorge berücksichtige, nicht dagegen die zu erwartenden Mehrausgaben auf dem Gebiete der Erwerbslosenfürsorge. Hier sei eine Erhöhung von 20% bereits beschlossen, und es sei zu befürchten, daß der Antrag auf Wiedereinführung der Kurzarbeiterunterstützung, der im Ausschuß nur mit knapper Mehrheit abgelehnt sei, im Plenum Erfolg finden werde. Gegenüber solchem Begehren würde es der Reichsregierung, insbesondere unter Berücksichtigung der in den letzten Tagen stark zunehmenden Schichtkürzungen, äußerst schwer fallen, in Ablehnung zu verharren7.

7

Zur Kurzarbeiterunterstützung s. Dok. Nr. 261, P. 2.

Im übrigen halte er es an dem Vorschlage des Reichsministers der Finanzen für bedenklich, daß hiernach die micumbelasteten Unternehmungen eine doppelte Unterstützung, die ganzen übrigen Betriebe dagegen überhaupt keine erhalten würden.

Der Reichsverkehrsminister äußerte ebenfalls Bedenken gegen einseitige Leistungen zugunsten der micumbelasteten Unternehmungen.

Der Reichswirtschaftsminister bat den Reichsminister der Finanzen dringend, im Interesse einer Hilfe für die in erschütterndem Maße daniederliegende Wirtschaft einen organischen Umbau des Steuersystems ins Auge zu fassen und ferner nach Mitteln und Wegen zu suchen, wie die reichlich vorhandenen täglichen Gelder der Wirtschaft nutzbar gemacht werden könnten, sowie endlich, wie auf dem Gebiete der Kredithilfe der Wirtschaft Erleichterungen verschafft werden könnten. Im übrigen stimme er dem Reichsminister der Finanzen darin zu, daß eine etwa mögliche unmittelbare Finanzhilfe in erster Linie dem besetzten Gebiet zugute kommen müsse. Bei der Verteilung müsse[898] jedoch die größte Vorsicht angewandt werden, insbesondere aus außenpolitischen Gründen. Auch erscheine ihm der Maßstab der Gerechtigkeit nicht ausschließlich angebracht. Es sei in erster Linie zu prüfen, wo die höchste wirtschaftliche und soziale Wirkung zu erreichen wäre. In jedem Falle aber dürfe die jetzt beabsichtigte Hilfsaktion nur für die allernächste Zeit maßgebend sein.

Der Vizekanzler warf die Frage auf, ob die zu erwartenden Micumlasten hoch genug angesetzt seien. In jedem Falle trage er jedoch aus prinzipiellen Gründen Bedenken bei einer etwaigen Hilfsaktion, diese auf die alte Micumschuld anzurechnen; vielmehr dürfe lediglich eine Hilfe hinsichtlich der laufenden Lasten in Frage kommen. Es sei aber auch nicht richtig, lediglich die Micumbetriebe zu berücksichtigen; es seien vielmehr auch die anderen Industriezweige zu berücksichtigen. Schließlich sei es nicht angängig, wie vom Herrn Reichsminister der Finanzen geschehen, die Gemeinden des besetzten Gebietes ausschließlich auf die Länder zu verweisen; in jedem Falle müsse jedoch bei einer etwaigen Unterstützung der Industrie zur Bedingung gemacht werden, daß sie vorerst hiervon ihre Gemeindesteuer zu bezahlen hätte.

Der Reichsminister der Finanzen wies darauf hin, daß die Gemeinden bei dem gegenwärtigen Finanzausgleich überaus günstig dastünden, und daß im übrigen, wenn den Gemeinden des besetzten Gebietes geholfen würde, für die Industrie nichts zur Verfügung stünde. Die Wirtschaft müsse jedoch in erster Linie vor dem Erliegen geschützt werden.

Gegenüber den Ausführungen des Reichswirtschaftsministers teilte er mit, daß, soweit ein organischer Ausbau des Steuersystems möglich sei, die Gesetzentwürfe bereits vorliegen. Grundsätzlich stimme er im übrigen den Ausführungen des Reichswirtschaftsministers zu; es sei jedoch zu bedenken, daß die verfügbaren Mittel beschränkt seien, und daß bei einer Erweiterung des Kreises der zu unterstützenden Industrien die Gefahr der Verzettelung bestehe. Gegenwärtig bitte er lediglich um Zustimmung des Kabinetts zur Bereitstellung der durch Schatzanweisungen aufzubringenden 50 Millionen Goldmark im vorgeschlagenen Sinne, von denen auch gegebenenfalls die Micumlasten zu bestreiten seien. Die Frage der Verteilung im einzelnen werde noch unter den Ressorts zu erörtern sein8.

8

Zur Entschädigung des Ruhrbergbaus für Micumleistungen s. Dok. Nr. 265.

Der Vizekanzler stellte in Vertretung des abwesenden Reichskanzlers die Zustimmung des Kabinetts zu den Vorschlägen des Reichsministers der Finanzen fest.

Extras (Fußzeile):