1.76.1 (ma12p): 1. Frage der Abgabe einer Regierungserklärung in der Reichstagssitzung am 29. August 1924.

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1. Frage der Abgabe einer Regierungserklärung in der Reichstagssitzung am 29. August 1924.

Der Reichsminister des Auswärtigen Über die Frage einer Regierungserklärung habe er heute, den 28. 8., mit Hergt gesprochen1. Hergt wünsche eine Erklärung wenigstens in der Richtung, daß die Reichsregierung mit dem Ziele der deutschnationalen Anträge2 einverstanden sei. Hergt habe ferner den Wunsch geäußert, daß bei der Unterzeichnung des Abkommens durch Botschafter Sthamer3 auch eine Erklärung der Reichsregierung in der Kriegsschuldfrage überreicht werde.

1

Am 28. 8. begann im RT die 3. Lesung der Gesetze zur Durchführung des Dawes-Gutachtens und des Gesetzes über die Londoner Konferenz (RT-Bd. 381, S. 997  ff.).

2

Am 28. 8. brachte die deutschnationale RT-Fraktion zur 3. Lesung einen Änderungsantrag zum „Gesetz über die Londoner Konferenz“ ein. Danach soll das Gesetz nur dann in Kraft treten, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind: Durch völkerrechtlich bindende Abmachungen ist sicherzustellen, daß die widerrechtlich besetzten Gebiete spätestens bis zum 10.1.25 geräumt werden; die Auslegung des Rheinlandabkommens ist einer Vereinbarung mit Deutschland vorzubehalten und einem Schiedsgericht zu unterstellen. Ferner soll das Gesetz nicht in Kraft treten, solange nicht die RReg. in einer amtlichen, den all. Mächten abzugebenden Erklärung das in Art. 231 des VV enthaltene Anerkenntnis der dt. Schuld am Kriege förmlich widerrufen hat (RT-Drucks. Nr. 524, Bd. 383 ). In einer Entschließung der deutschnationalen RT-Fraktion vom 28. 8. zur 3. Beratung des „Gesetzes über die Londoner Konferenz“ wird die RReg. außerdem aufgefordert, a) binnen zwei Jahren eine Nachprüfung der Leistungsfähigkeit Deutschlands gemäß Art. 234 des VV herbeizuführen mit dem Ziel, die Gesamtlast des Dawes-Plans herabzumindern; b) im Wege diplomatischer Verhandlungen darauf zu dringen, daß für die gesamten künftigen Leistungen Deutschlands eine feste Grenze vereinbart wird (RT-Drucks. Nr. 525, Bd. 383 ).

3

Die Unterzeichnung des Londoner Schlußprotokolls und der Londoner Abkommen über die Inkraftsetzung des Dawes-Gutachtens soll am 30. 8. in London stattfinden.

Eine Erklärung in der Kriegsschuldfrage in dieser Form halte er (Stresemann) nicht für möglich. Seiner Ansicht nach käme in Betracht eine durch WTB-Notiz zu verbreitende gemeinsame Erklärung des Reichspräsidenten und der Reichsregierung.

Nach längerer Debatte wurde beschlossen, daß die Reichsregierung zwei Erklärungen abgeben solle: eine Erklärung zu den Anträgen und Entschließungen der Parteien und eine Erklärung in der Kriegsschuldfrage. Diese beiden Erklärungen sollten in der Reichstagssitzung am 29. August abgegeben werden4.

4

Vor der Schlußberatung des RT über die Dawes-Gesetze am 29. 8. nimmt der RK zu den vorliegenden Anträgen und Entschließungen der Parteien Stellung. Zu den Anträgen der DNVP (s. Anm. 2) erklärt der RK: Die RReg. könne sich auch den von der DNVP gestellten Anträgen in ihren Grundgedanken anschließen, sie könne ihnen jedoch nicht in der vorgeschlagenen Form zustimmen. Da die Anträge in die Form einer Suspensivbedingung für das Inkrafttreten der Londoner Vereinbarungen gekleidet seien, bestünde die Gefahr, daß damit das Ergebnis der Londoner Konferenz zu Fall gebracht würde. Die RReg. sei der Ansicht, daß der Grundgedanke der Anträge in anderer Weise verwirklicht werden müsse und könne (RT-Bd. 381, S. 1067  f.).

In der Schlußabstimmung am 29. 8. werden die Gesetze zur Durchführung des Dawes-Gutachtens vom RT angenommen. Auch das verfassungsändernde RB-Gesetz erhält die erforderliche Zweidrittelmehrheit; von der deutschnationalen RT-Fraktion stimmen 48 Abgeordnete dafür, 52 dagegen (RT-Bd. 381, S. 1085  ff., 1125 ff.; vgl. Schultheß 1924, S. 74 f.).

Die Erklärung der RReg. zur Kriegsschuldfrage wird jedoch nicht, wie in der obigen Kabinettssitzung beschlossen, in der RT-Sitzung vom 29. 8. abgegeben, sondern nach Annahme der Dawes-Gesetze in Form einer amtlichen „Kundgebung“ durch WTB veröffentlicht. S. Dok. Nr. 290.

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