2.25.1 (str1p): 1. Aufhebung der Kohlensteuer.

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Die Kabinette Stresemann I und II. Band 1Gustav Stresemann und Werner Freiherr von Rheinhaben Bild 102-00171Bild 146-1972-062-11Reichsexekution gegen Sachsen. Bild 102-00189Odeonsplatz in München am 9.11.1923 Bild 119-1426

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1. Aufhebung der Kohlensteuer5.

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Das Kohlensteuergesetz vom 26.3.23 (RGBl. I, S. 193  ff.), das ein Gesetz aus dem Jahr 1917 ablöste, war im Betriebssteuergesetz vom 11.8.23, Art. VIII (RGBl. I, S. 772 ) dahin novelliert worden, daß der RFM das Recht erhielt, Bauschsteuern zu erheben und Fälligkeitstermine hinauszuschieben.

Der Reichswirtschaftsminister führt aus, daß das Abkommen vom 6. August 1923, durch welches für Lohn und Kohlenpreise ein Index eingeführt worden[127] sei, ein ungeheueres Anschwellen der Kohlenpreise zur Folge gehabt habe. Das Steigen der Kohlenpreise habe für die deutsche Wirtschaft außerordentliche Bedenken6. Er sei der Ansicht, daß die Kohlenpreise reduziert werden müßten und daß man zu diesem Zwecke die Kohlensteuer zunächst für eine gewisse Zeit, nämlich bis zum 30. September 1923 aufheben müsse. Wenn die Steuer aufgehoben würde, dann könnte auch der Entwertungsfaktor bei der Feststellung des Kohlenpreises abgebaut werden7. Man müsse berücksichtigen, daß die Kohlensteuer überhaupt nur als eine vorübergehende Steuer gedacht sei. Der jetzige Zustand, daß die Preise für deutsche Kohle weit über dem Weltmarktpreis lägen, sei jedenfalls nicht haltbar.

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Zur bisherigen Diskussion des Kohlenpreises und seiner Auswirkungen auf die Wirtschaft im RKab. Dok. Nr. 10, P. 2, und Dok. Nr. 18. Der Reichskohlenrat teilte seinen Mitgliedern am 27. 8. mit, nach der Indexangleichung sei der Kohlenpreis weiterhin am 20. und 27. 8. erhöht worden. „Für die Erhöhung ab 20. war maßgebend eine Lohnerhöhung von 58,2 für die unbesetzten und 67,9 v. H. für die besetzten Reviere und eine Großhandelsindexsteigerung von 83,4%. Außerdem wurden die Bergarbeiterheimstättenbeiträge in etwa entsprechendem Ausmaße gesteigert und ab 27. d. M. der Handelsaufschlag von 4 auf 6 v. H., für Ruhrkohle auf 8 v. H. des Preises erhöht“ (BA: NL Silverberg  149, Bl. 275).

7

In der Sitzung des Kohlenrats am 21. 8. hatte der RWiM bereits um Vorschläge gebeten, „ob und in welchem Umfang der Geldentwertungsfaktor aus dem Kohlenpreis herausgenommen und in die Zahlungsbedingungen hineingenommen werden könne“. Darauf war ihm von GehR Brecht von der Geschäftsleitung des Reichskohlenverbandes erwidert worden: „Über 3 Monate habe man gezögert, ehe man angefangen habe, diesem Faktor durch entsprechenden Zuschlag auf den Kohlenpreis etwas Rechnung zu tragen. Da ein Zuschlag in Höhe der tatsächlichen Geldentwertung mit Rücksicht auf die Wirtschaft nicht durchführbar sei, habe man eine Lösung dahin finden müssen, daß man einmal in gewissem Umfange, und zwar mit 33%, die Geldentwertung in Rechnung stellte und ferner durch weitestgehende Vorauszahlungen der Geldentwertung vorbeugte.“ Auf Anregung des RWiMin. habe man, um der Geldentwertung begegnen zu können, die Frist zwischen Lieferung und Zahlung von drei auf 2 Wochen herabgedrückt. „Auch diese kürzere Frist bedeute immer noch eine Entwertung auf ¼ und mehr der ursprünglichen Beträge. Es sei klar, daß man eine durchgreifende Lösung nur finden könne, wenn in Goldmark gerechnet werde“ (BA: NL Silverberg  149, Bl. 295/260).

Er stelle den Antrag, das Kabinett möge beschließen,

dem Reichsrat und dem Reichskohlenrat eine Vorlage zu machen, nach der die Kohlensteuer für einen bestimmten Zeitraum, nämlich für den Monat September aufgehoben werden soll.

Der Reichsminister der Finanzen weist darauf hin, daß hier einer der Fälle vorliege, in der die Wirtschaftspolitik in einem gewissen Gegensatz zu der Finanz- und Währungspolitik stehe. Wenn er sich auch den von dem Herrn Reichswirtschaftsminister vorgetragenen Gründen für die Aufhebung der Kohlensteuer nicht ganz verschließen könne, so habe er doch andererseits schwere Bedenken gegen die Aufhebung der Kohlensteuer. Die Steuer habe im letzten Etatsjahr 15% der Reichseinnahmen ausgemacht8, vor allem aber werde die Erklärung, daß die Steuer gestrichen werden solle, unserem finanzpolitischen Ansehen im Auslande großen Schaden zufügen. Die Preise der Produkte würden auch nicht heruntergehen, wenn man die Kohlensteuer aufhebe.

8

Diese Einnahme gründete sich auf das Kohlensteuergesetz vom 8.4.1917. Sie betrug vom 1.4.22 bis zum 31.3.23 237 947 486 599 M bei einer Gesamteinnahme von 1 545 328 290 355 M (RMinBl. 1923, S. 290 f.).

Ein Ersatz der Kohlensteuer durch andere Steuern komme nicht in Frage, und eine weitere Erhöhung der Umsatzsteuer sei nicht tragbar. Vor allem[128] komme auch in Betracht, daß die Erhebung der Umsatzsteuer große Unkosten verursache, während die Erhebung der Kohlensteuer als eine Quellensteuer mit nur geringen Unkosten verbunden sei.

Im Augenblick könne er jedenfalls für eine Aufhebung der Kohlensteuer nicht stimmen.

Der Reichsverkehrsminister ist der Ansicht, daß die Frage der Aufhebung der Kohlensteuer im Rahmen der Gesamtpolitik geprüft werden müsse. Nach seiner Auffassung kommt eine Aufhebung oder eine Ermäßigung der Kohlensteuer dann in Frage, wenn die Grubenbesitzer ihrerseits Zugeständnisse in Bezug auf die Preisgestaltung machten. Man müsse sich auch überlegen, ob die Einfuhr ausländischer Kohle nicht monopolisiert werden solle.

Vizekanzler und Reichsminister für Wiederaufbau: Für die Dauer könne die Kohlensteuer nicht aufrecht erhalten bleiben. Vorläufig aber solle man noch versuchen, mit der Kohlensteuer auszukommen.

Reichskanzler Nach seiner Ansicht sei die Hauptfrage, ob auch die Preise herabgesetzt würden, wenn die Kohlensteuer herabgesetzt oder aufgehoben würde. Auf keinen Fall könne das Reich mit einer Herabsetzung oder Aufhebung der Kohlensteuer vorangehen, ohne daß die Wirtschaft zugleich die Preise herabsetze.

Der Reichswirtschaftsminister bittet das Kabinett, folgenden Beschluß zu fassen:

Das Kabinett ist bereit, an den Reichsrat wegen einer Außerhebungsetzung der Kohlensteuer heranzutreten, sofern durch diese die deutschen Kohlenpreise wieder auf die Weltmarktpreise gebracht werden.

Der Reichskanzler hält einen Zusatz zu diesem Beschluß für nötig, der dahin geht, daß das Kabinett entschlossen sei, die entstehenden Ausfälle durch neue Einnahmen zu decken.

Der Reichsminister der Finanzen ist derselben Ansicht.

Das Kabinett kommt zu dem Ergebnis, daß ein Beschluß in der von dem Reichswirtschaftsminister vorgeschlagenen Form noch nicht gefaßt werden soll.

Der Reichswirtschaftsminister soll zunächst mit den Kohlenproduzenten darüber verhandeln, zu welchen Zugeständnissen sie bereit sind, falls die Kohlensteuer für eine Zeit außer Hebung gesetzt werden sollte9.

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S. zum Fortgang Dok. Nr. 33.

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