2.188.3 (bau1p): 3. Mitteilungen des Reichswehrministers über das Bevorstehen eines militärischen Putsches.

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Das Kabinett BauerKabinett Bauer Bild 183-R00549Spiegelsaal Versailles B 145 Bild-F051656-1395Gustav Noske mit General von Lüttwitz Bild 183-1989-0718-501Hermann EhrhardtBild 146-1971-037-42

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3. Mitteilungen des Reichswehrministers über das Bevorstehen eines militärischen Putsches8.

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Zur Vorgeschichte vgl. Dok. Nr. 183 und 219. – Es ist nicht ganz sicher, wann die Behandlung dieses TOP stattfand. In der vom RJM Schiffer „nach persönlichen Erinnerungen“ nach 1941 angefertigten Niederschrift „Der Kapp-Putsch“ heißt es dazu: „In der Sitzung wurde zunächst der sachliche Teil der Tagesordnung erledigt. Alsdann wurden die Referenten entlassen, und die Minister blieben allein, um die Lage vertraulich zu besprechen. Noske gab in großen Umrissen ein Bild der Situation, wie sie sich nach den Ereignissen der letzten Tage herausgestellt hatte. Er hielt sie für gespannt, glaubte zwar immer noch, sie, was auch kommen möge, zu beherrschen, rechnete aber damit, daß etwas kommen könne. Seine Zuhörer waren weniger pessimistisch. Sie nahmen an, daß alle diese Zuckungen sich beruhigen und alle diese Ansätze zu Unruhen im Sande verlaufen würden. Es sei nicht an dem, daß man sich über sie besonders aufregen oder gar aktive Vorbereitungen treffen müsse. Nur ich war anderer Meinung. Ich könne die Empfindung nicht unterdrücken, daß nach dieser Zuspitzung der Gegensätze irgend eine gewaltsame Entladung erfolgen werde. Zwar sei ich davon durchdrungen, daß man ihrer wieder Herr werden würde und für den Bestand der Staatsordnung nichts zu fürchten habe. Aber man müsse gerüstet sein und die erforderlichen Vorkehrungen ins Auge fassen. Noske erklärte, daß es ihm vor allem darauf ankomme, die Verhältnisse zu klären.“ In der Einleitung zur Niederschrift hatte Schiffer bereits davon berichtet, daß ihm am 11. 3. bei einem Nachmittagsempfang im RJMin. ein General von dem Zusammenstoß zwischen Gen. von Lüttwitz einerseits und dem RPräs. und RWeM andererseits (vgl. Dok. Nr. 210, Anm. 6) Mitteilung gemacht und ihn vor der von Lüttwitz geschworenen „Urfehde“ gewarnt habe (Nachl. Schiffer , Nr. 16, Bl. 2 und 11 f.).

Der Reichswehrminister teilt mit, daß nach sicheren Nachrichten seit einiger Zeit in einem engen Kreise regelmäßige Besprechungen stattfänden, mit dem Ziele, eine andere Zusammensetzung der Reichsregierung herbeizuführen. Man habe versucht, zu diesen Besprechungen auch Offiziere hinzuzuziehen. In diesen Besprechungen sei betont worden, daß die Regierung in ihrer jetzigen Zusammensetzung zu schwach sei, insbesondere sei die Tätigkeit des Preußischen Landwirtschaftsministers und des Reichsministers des Äußern9[668] als besonders verderblich hingestellt worden. Auch die Frage der Wahl des Reichspräsidenten und des Termins der Reichstagswahlen sei in diesen Besprechungen erörtert worden. Vor 14 Tagen habe man in diesen Kreisen überlegt, die Wilhelmstraße zu besetzen und eine Umbildung des Kabinetts herbeizuführen. Die Bestrebungen würden geleitet von Generallandschaftsdirektor Kapp und dem Hauptmann von [!] Pabst. Er, der Reichswehrminister, habe es für richtig gehalten, die in Bildung begriffene Organisation sofort zu zersprengen. Er habe deshalb die Verhaftung der Hauptbeteiligten angeordnet10. Zurzeit gehe das Gerücht, daß gewisse Truppenteile, insbesondere die Marinebrigade, mit der Absicht umgingen, die dargelegten Pläne in der kommenden Nacht zu verwirklichen11. Er habe deshalb den Alarmzustand und verschärfte Bewachung angeordnet12.

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RIM Koch, der gewöhnlicherweise die Kabinettssitzungen gemäß den von ihm gesetzten Schwerpunkten protokollierte, vermerkt in einer Aufzeichnung vom 12. 3. zu diesem TOP lediglich: „Putschversuch von Noske entdeckt oder doch behauptet. Phantastische Idee, Müller als ungeeignet gewaltsam zu beseitigen, den Kanzler aber beizubehalten. Eine solche weise Beschränkung kann nur auf die Dummheit der zu Verführenden berechnet sein. Hoffentlich hat Noske hinreichende Grundlagen für seine Verhaftungen“ (nach der mschr. Übertragung in: Nachl. Koch-Weser , Nr. 26, Bl. 1).

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Die maßgeblichen Stabsoffiziere im RWeMin. und Reichswehrgruppenkommando 1, die nach der Beurlaubung des Gen. von Lüttwitz (vgl. Dok. Nr. 219) mit gewaltsamen Aktionen des in Umrissen bekannten Verschwörerkreises rechneten, arbeiteten daraufhin durch ein Geheimtelegramm Gen. von Oldershausens an alle Gruppenkommandos und Wehrkreiskommandeure (zit. in der Schiffer-Niederschrift; Nachl. Schiffer , Nr. 16, Bl. 10) auf die Isolierung Lüttwitz’ hin und veranlaßten des weiteren beim RWeM auf die VO des RPräs. vom 13.1.20 gestützte Haftbefehle gegen Kapp, Pabst, Schnitzler und Grabowsky. Noske will die Haftbefehle am 11. 3. gegen 9 Uhr ausgestellt haben (Zeugenaussage vor dem Reichsgericht im Hochverratsverfahren gegen Jagow u. a. am 10.12.21; Protokollauszug in: Nachl. Luetgebrune , Nr. 26, Bl. 304). Ein vom RWeM unterschriebener, am 12. 3. ausgestellter Schutzhaftbefehl gegen Oberst Bauer befindet sich als Fotokopie in: Nachl. Bauer, Nr. 29, Bl. 11. – Zum teilweisen Mißerfolg dieser Maßnahmen vgl. Dok. Nr. 219, Anm. 22.

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Die Nachricht von dem bevorstehenden Marsch der 2. Marinebrigade auf Berlin scheint der RWeM während der Kabinettssitzung erhalten zu haben. Nachfolgend wird der ChdAdm., VAdm. von Trotha, mit der Inspektion des Lagers Döberitz, wo die 2. Marine-Brigade (Ehrhardt) untergebracht war, beauftragt. Nachdem von Trotha dem RWeM gegen 20.30 Uhr einen beruhigenden Lagebericht erstattete (vgl. Dok. Nr. 187), war der Schiffer-Niederschrift zufolge das RKab. „mit Noske einstimmig der Ansicht, daß diese Schilderung objektiv zum mindesten zweifelhaft sei und einer Nachprüfunge bedürfe […]. Wir erklärten uns deshalb durchaus damit einverstanden, daß er noch andere Beobachter nach Döberitz schickte. […] Die Sitzung wurde gegen 9 Uhr geschlossen“ (Nachl. Schiffer , Nr. 16, Bl. 13). – Zum Fortgang s. Dok. Nr. 188.

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Einzelheiten s. Dok. Nr. 210, insbesondere Anm. 7.

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