1.190 (bru3p): Nr. 704 Der Bayerische Innenminister an den Reichsminister des Innern. München, 30. März 1932

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[2403] Nr. 704
Der Bayerische Innenminister an den Reichsminister des Innern. München, 30. März 1932

R 43 I /1455 , S. 411–422 Durchschrift

Betreff: Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung1

1

Das Schreiben ist auch abgedruckt bei Schulz, Staat und NSDAP, Dok. Nr. 62a.

Zum Rundschreiben vom 24. März 19322 […]

2

Das Rundschreiben des RIM vom 24.3.32 wurde in den Akten der Rkei nicht ermittelt.

Nach Lage der Dinge halte ich es für sehr wahrscheinlich, daß anläßlich des zweiten Wahlgangs der Reichspräsidentenwahl sowie anläßlich der am 24. April 1932 in verschiedenen Ländern stattfindenden Landtagswahlen3 wieder mit Bereitstellungen und Zusammenziehungen von Alarmbereitschaften politischer Verbände zu rechnen ist. Auch die Bevölkerung befürchtet allgemein für die beiden Wahltage die Wiederholung der Vorgänge vom 13. März 1932, die sie mit größter Besorgnis und Beunruhigung verfolgt hat4. Die Einrichtung von Alarmbereitschaften anläßlich der Wahlen vom 10. und 24. April 1932 muß daher nicht nur aus polizeilichen Gründen, sondern auch zur Vermeidung neuerlicher Beunruhigung der Bevölkerung verhindert werden. Die hierfür erforderlichen Bestimmungen werden mangels anderweitiger Rechtsgrundlagen durch Verordnung aufgrund Art. 48 der Reichsverfassung zu treffen sein. Da es sich um eine Maßnahme handelt, die sich nicht auf ein Land beschränken kann und daher für das ganze Reichsgebiet gleichmäßig getroffen werden sollte, kommt hierfür in erster Linie eine Verordnung des Reichspräsidenten aufgrund Art. 48, Abs. 2 der Reichsverfassung in Frage. Eine Anregung zu einer solchen Verordnung gestatte ich mir beizufügen (s. Anlage I)5. Ergänzend darf hierzu noch bemerkt werden, daß für die Schließung der für Bereitschaftszwecke benützten Räume im Hinblick auf § 7 des Siebenten Teiles der Dritten Notverordnung vom 6. Oktober6 eine besondere Bestimmung nicht erforderlich ist.

3

Am 24.4.32 fanden in Bayern, Preußen, Württemberg, Anhalt und Hamburg Landtags- bzw. Bürgerschaftswahlen statt (Schultheß 1932, S. 69).

4

Vgl. hierzu Dok. Nr. 700, Anm. 2.

5

Der bayer. NotVoEntw. verbot die Vereinigung von Angehörigen politischer Vereinigungen zu Alarmbereitschaften. Zuwiderhandlungen sollten mit Gefängnis nicht unter drei Monaten und Geldstrafen geahndet werden. Kraftwagen zur Beförderung von Bereitschaften konnten beschlagnahmt werden. Die NotVo. sah auch die Möglichkeit polizeilicher Haft für Zuwiderhandelnde vor (Durchschrift in R 43 I /1455 , S. 417–419, abgedruckt bei Schulz, Staat und NSDAP, Dok. Nr. 62b).

6

„Schließung von Sammelstätten staatsgefährlicher Betätigung“, Dritte NotVo. zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen und zur Bekämpfung politischer Ausschreitungen, RGBl. 1931 I, S. 537 , hier S. 567.

Beim I. Wahlgange der Reichspräsidentenwahl ist von nationalsozialistischer Seite der Versuch gemacht worden, Stimmberechtigte durch Abverlangen unterschriftlicher Erklärungen, wonach sie sich verpflichteten, ihre Stimme für den nationalsozialistischen Bewerber abzugeben, in ihrer Stimmabgabe zu beeinflussen. Gleichzeitig wurde geäußert, man wolle sich beizeiten merken, wer die Partei in ihrem Kampfe um die Erringung der Macht unterstützt habe. Da das Strafgesetzbuch[2404] keine ausreichenden Strafbestimmungen enthält, sind zur Bekämpfung solcher und ähnlicher terroristischer Beeinträchtigungen der Wahlfreiheit besondere Strafvorschriften erforderlich. Auch hierfür gestatte ich mir, eine Anregung anzufügen (Anlage II)7.

7

Der bayer. NotVoEntw. zur Sicherung der Wahlfreiheit bedrohte das Sammeln unterschriftlicher Wahlverpflichtungserklärungen oder die Gewaltanwendung oder Gewaltandrohung zur Einschränkung der Wahlfreiheit mit Gefängnis (Durchdruck in R 43 I /1455 , S. 421, auch in Schulz, Staat und NSDAP, Dok. Nr. 62c).

Ich wäre für umgehende Rückäußerung dankbar, ob Bestimmungen, wie sie in den beiden Anlagen vorgeschlagen sind, für den zweiten Wahlgang der Reichspräsidentenwahl und die am 24. April 1932 stattfindenden Landtagswahlen von Reichs wegen erlassen werden wollen. Verneinendenfalls ist für Bayern in Aussicht genommen, derartige Bestimmungen durch Verordnung des Bayerischen Gesamtministeriums aufgrund Art. 48 Abs. 4 der Reichsverfassung8 zu treffen. Ergänzend darf bemerkt werden, daß die Bestimmungen zum Schutze der Wahlfreiheit schon in den allernächsten Tagen erlassen werden müßten, da die Versuche zur Beeinflussung der Wahlberechtigten bei der Stimmabgabe schon jetzt wieder begonnen haben9.

8

Vgl. Dok. Nr. 706.

9

Art. 48, Abs. 4 RV lautet: „Bei Gefahr im Verzuge kann die Landesregierung für ihr Gebiet einstweilige Maßnahmen der in Abs. 2 bezeichneten Art treffen. Die Maßnahmen sind auf Verlangen des Reichspräsidenten oder des Reichstags außer Kraft zu setzen“.

Die Innenministerien von Preußen, Sachsen, Württemberg, Baden und Hessen haben Abdruck des gegenwärtigen Schreibens und seiner Anlagen erhalten.

gez. Dr. Stützel.

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