2.106.1 (ma31p): 1. Vorlage über die Neuordnung des Wahl- und Abstimmungsrechts.

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Die Kabinette Marx III und IVDas Kabinett Marx IV Bild 146-2004-0143Chamberlain, Vandervelde, Briand und Stresemann Bild 102-08491Stresemann an den Völkerbund Bild 102-03141Groener und Geßler Bild 102-05351

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1. Vorlage über die Neuordnung des Wahl- und Abstimmungsrechts.

Der Reichsminister des Innern nahm Bezug auf die vorliegenden Gesetzentwürfe über die Neuordnung des Wahl- und Abstimmungsrechts1 und trug die[298] Grundzüge der Reformvorschläge vor. Dabei führte er aus, daß er sich auf die Entwürfe keineswegs grundsätzlich festlegen wolle. Das Volk – weniger allerdings das Parlament – verlange nach einer grundlegenden Umgestaltung des bisherigen Wahlrechts. Das Problem sei in seinen Einzelheiten zwischen den Parteien jedoch überaus strittig und es könne sich im Augenblick für die Reichsregierung wohl nur darum handeln, das Reformwerk in Gang zu bringen. Zu diesem Zweck seien die Gesetzentwürfe ausgearbeitet; sie stellten eine eingehend durchgearbeitete Lösungsmöglichkeit dar, die den gesetzgebenden Körperschaften und der Öffentlichkeit zur Diskussion übergeben werden könne.

1

Die von RIM Külz am 24.10.26 der Rkei übersandte „Vorlage über die Neuordnung des Wahl- und Abstimmungsrechts“ (R 43 I /999 , S. 713–781) umfaßte vier Entwürfe: 1. den „Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Reichsverfassung“, 2. den „Entwurf eines Reichswahlgesetzes“, 3. den „Entwurf eines Dritten Gesetzes über die Wahl des Reichspräsidenten“, 4. den „Entwurf eines Zweiten Gesetzes über den Volksentscheid“. Der „Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Reichsverfassung“ sah in Abänderung von Art. 22 Abs. 1 RV die Heraufsetzung des Wahlalters von 20 auf 21 Jahre vor. Der „Entwurf eines Reichswahlgesetzes“ zielte auf eine durchgreifende Reform des Reichstagswahlrechts ab und bildete das Kernstück der Vorlage. Nach der Begründung, die sich z. T. wörtlich an die Denkschrift des RIM vom 19.3.26 anlehnte (siehe diese Edition, Die Kabinette Luther I/II, Dok. Nr. 319), bestehe das Ziel der Reform darin, im Rahmen des verfassungsmäßig festgelegten Verhältniswahlsystems „der früheren Einerwahl möglichst nahezukommen. Wähler und Kandidaten müssen sich von Angesicht zu Angesicht gegenüberstehen. Der Neigung zu einer übermäßigen Parteizersplitterung muß, ohne Eingriff in ernsthafte politische Bewegungen, entgegengewirkt werden und so Erreichung klarer Mehrheitsverhältnisse im Parlament angestrebt werden.“ Als wichtigste Neuerungen sah der Entwurf vor: die Beseitigung der Listen einschließlich der Reichsliste, die Zulassung nur eines Bewerbers auf jedem örtlichen Wahlvorschlag, eine starke Verkleinerung und entsprechende Vermehrung der Wahlkreise (von 35 auf 227) sowie der Wahlkreisverbände (von 16 auf 37), eine Verminderung der Gesamtzahl der Abgeordneten (1 Mandat auf 70 000 Stimmen; bisher 60 000). Die Gesetzentwürfe über die Wahl des Reichspräsidenten und über den Volksentscheid enthielten Änderungen vorwiegend technischer Natur und waren teilweise durch die Neufassung des Reichswahlgesetzes bedingt.

In der darauf folgenden Aussprache wurde, ohne auf den materiellen Inhalt der Gesetzentwürfe besonders einzugehen, lediglich die Frage des taktischen Vorgehens für die Inangriffnahme des Reformprogramms erörtert. Insbesondere wurde darüber beraten, ob die Entwürfe schon jetzt dem Interfraktionellen Ausschuß der Regierungsparteien unterbreitet werden sollten.

Das Kabinett einigte sich dahin, daß die Herren Minister binnen einer Woche zunächst einmal mit den sachverständigen Mitgliedern ihrer Parteien Fühlung nehmen sollten, um die grundsätzliche Auffassung der Regierungsparteien zur Sache zu erforschen und um dem Kabinett so die Möglichkeit zu verschaffen, sich über die Richtlinien schlüssig zu werden, die bei der neuen Wahlrechtsvorlage zweckmäßigerweise einzuhalten seien. Das Kabinett werde alsdann in der Sache nach etwa einer Woche weiter beraten2.

2

Die Wahlreformvorlage des RIM wurde von den Kabinetten Marx III und IV nicht weiterberaten und auch nicht den parlamentarischen Körperschaften zugeleitet. Erst das Kabinett Brüning beschäftigte sich wieder mit einem GesEntw., der auf eine umfassende Neugestaltung des Reichstagswahlrechts abzielte; siehe diese Edition, Die Kabinette Brüning I/II, Kabinettssitzung vom 19.8.30 (Dok. Nr. 102).

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