2.227.1 (ma31p): 1. Strafrechtsreform; Republikschutzgesetz.

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1. Strafrechtsreform; Republikschutzgesetz.

Der Reichskanzler führte aus, daß die zuständigen Ressorts Vorschläge zu dem Problem des Republikschutzgesetzes ausgearbeitet hätten1. Nach seiner Auffassung sei es am besten, wenn das Republikschutzgesetz in seiner Dauer um 2 Jahre verlängert werde2. Die Neuwahlen würden dann vorüber sein, und das neue Reichskabinett werde voraussichtlich genügend Zeit haben, sich dann über die eventuelle Aufhebung des Republikschutzgesetzes schlüssig zu werden.

1

Schriftliche Vorschläge der zuständigen Ressorts (RIMin, RJMin.) zu dieser Ministerbesprechung konnten nicht ermittelt werden.

2

Vgl. Dok. Nr. 220, Anm. 7.

Nötig sei auch eine Stellungnahme des Reichskabinetts zu den auf Antrag Preußens in den Strafgesetzentwurf neu aufgenommenen Vorschriften.

[713] Der Reichsminister der Justiz führte hierzu aus, daß er von einer Doppelvorlage der Reichsregierung zu den auf Antrag Preußens in der letzten Reichsratssitzung vor Ostern in den Strafgesetzentwurf neu aufgenommenen Vorschriften3 abrate. Nach seiner Ansicht solle nur im Anschreiben an den Reichstag hervorgehoben werden, daß die Reichsregierung mit dem Reichsrat in den erwähnten Punkten nicht übereinstimme. Die Hervorhebung solle in einem kurzen Satz erfolgen. Hiergegen erhoben sich keine Bedenken4.

3

Siehe Dok. Nr. 220, Anm. 6.

4

Am 14.5.27 legte der RJM dem RT den „Entwurf eines Allgemeinen Deutschen Strafgesetzbuchs“ in der vom RR angenommenen Fassung vor (RT-Bd. 415 , Drucks. Nr. 3390 ). Der Entwurf enthält die auf Antrag Preußens eingearbeiteten Bestimmungen des Republikschutzgesetzes über die Strafbarkeit der öffentlichen Beschimpfung der republikanischen Staatsform (§ 101) sowie über die Strafbarkeit der Teilnahme an staatsfeindlichen Verbindungen (§ 175). Am 22. 6. wurde der GesEntw. dem Strafrechtsausschuß des RT überwiesen (RT-Bd. 393, S. 11000 ).

Über das Problem des Republikschutzgesetzes müsse wohl mit dem Interfraktionellen Ausschuß gesprochen werden. Bei den Deutschnationalen beständen Bedenken gegen eine glatte Verlängerung des Gesetzes, ja es habe sich sogar vor Ostern stärkster Widerstand dagegen geltend gemacht5.

5

In einem Vermerk ORegR Wiensteins vom 14.4.27 heißt es u. a.: Nach einer vertraulichen Mitteilung aus dem RIMin. habe sich die deutschnationale Fraktion vor kurzem mit der Frage der Verlängerung des Republikschutzgesetzes eingehend beschäftigt. „Entgegen den Wünschen der Reichsminister Hergt und v. Keudell hat sich die Mehrheit bei der Abstimmung zu der Auffassung bekannt, daß eine Verlängerung des Gesetzes in toto nicht in Frage kommen könne. Die überwiegende Auffassung ging dahin, daß wahrscheinlich gewisse Bestimmungen des Republikschutzgesetzes, z. B. über Versammlungen, in den Entwurf des neuen Vereinsgesetzes einzuarbeiten oder in ein neues Gesetz aufzunehmen seien, daß andere Bestimmungen vielleicht in dem neuen Strafgesetzbuch Aufnahme finden könnten, daß jedoch der § 23 des Republikschutzgesetzes (Möglichkeit des Verbots der Rückkehr des früheren Kaisers) nicht aufrecht zu erhalten sei.“ (R 43 I /1216 , Bl. 17–18).

Die Deutschnationalen könnten sich wohl mit einer Verlängerung des Gesetzes dann einverstanden erklären, wenn gewisse Kompensationen gewährt würden. Z. B. solle die Fassung „verfassungsmäßig festgestellte republikanische Staatsform“ fortfallen, es solle nur noch „Staatsform“ heißen. Ferner solle es nicht mehr „Reichsfarben“ heißen, sondern „die in Art. 3 der Reichsverfassung erwähnten Farben“.

Der Reichspostminister habe ihm vor seiner Abreise erklärt, daß die Bayer. Volkspartei auch schwere Bedenken gegen eine glatte Verlängerung des Republikschutzgesetzes habe. Er (Reichsminister Hergt) wolle jedoch natürlich der Stellungnahme der Bayer. Volkspartei nicht vorgreifen.

Der Reichsarbeitsminister betonte, daß er es bedauern würde, wenn das Reichskabinett den Vorschlägen des Reichskanzlers in bezug auf das Republikschutzgesetz nicht folgen sollte. Vielleicht könne die Stellungnahme der Deutschnationalen dadurch erleichtert werden, daß sie im Reichstage eine formulierte Erklärung des Inhalts abgäben, daß sie der Formulierung des Republikschutzgesetzes im einzelnen nicht zustimmen könnten, jedoch jetzt keine Abänderungsanträge stellen wollten, weil die Gültigkeitsdauer des Gesetzes nur um 2 Jahre verlängert werde und weil das Gesetz dann wahrscheinlich aufgehoben werden solle.

[714] Der Reichsminister der Justiz erklärte, daß seine Fraktion6 mit einer derartigen Erklärung sich sicherlich nicht abfinden würde.

6

DNVP-Fraktion.

Der Reichsminister des Auswärtigen führte aus, daß er unbedingt noch mit seiner Fraktion7 über diese Dinge sprechen müsse.

7

DVP-Fraktion.

Der Reichswehrminister wies darauf hin, daß die Streichung des § 23 des Republikschutzgesetzes aus außen- und innenpolitischen Gründen unmöglich sei.

Der Reichskanzler stellte fest, daß wohl die meisten der anwesenden Minister noch mit ihren Fraktionen wegen des Republikschutzgesetzes sprechen wollten. Eine baldige Parteiführerbesprechung werde sich auch empfehlen8. In der nächsten Kabinettssitzung am Mittwoch, den 11. Mai sei eine endgültige Beschlußfassung anzustreben.

8

Siehe Dok. Nr. 230.

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