1.120.1 (ma32p): Besoldungsvorlage.

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Besoldungsvorlage.

Der Reichskanzler berichtete, daß der in Verfolg der Besprechung vom 2. Dezember 1927 mit den Führern der Regierungsparteien des Reichstags vorgenommene Versuch, mit dem Preußischen Kabinett in gemeinsamer Sitzung über eine generelle Kürzung der Besoldungsvorlage zu verhandeln, am Widerstande Preußens gescheitert sei. Das Preußische Gesamtministerium habe sich zu einer gemeinsamen Beratung mit der Reichsregierung nur dann bereit gefunden, wenn die Reichsregierung zuvor zu festen Entschlüssen in der Sache gekommen sei. Ob die Preußische Staatsregierung sich alsdann gegebenenfalls dem Vorgehen des Reichs anschließen werde, müsse als zweifelhaft angesehen werden, zumal nach den Auffassungen, die der Preußische Ministerpräsident[1135] Braun ihm gegenüber am Vormittage in einer Unterredung zum Ausdruck gebracht habe1.

1

Über die hier erwähnten Besprechungen über „eine generelle Kürzung der Besoldungsvorlage“ war in den Akten der Rkei nichts zu ermitteln. Offenbar ging es dabei um einen vom Gewerkschaftsflügel der Zentrumsfraktion unterbreiteten Vorschlag, die in der Besoldungsvorlage vorgesehenen Besoldungserhöhungen zunächst nur zu 75% auszuzahlen und die restlichen 25% erst am 1.4.29 zur Auszahlung zu bringen. Vgl. dazu: „Tägliche Rundschau“ vom 4.12.27; Morsey, Zentrumsprotokolle, Dok. Nr. 204; Politisches Jahrbuch 1927/28, S. 580; Nachl. Marx , Nr. 72, Erinnerungsbericht „Das Jahr 1927“, S. 146 f.

Der Reichskanzler stellte, ohne Widerspruch zu finden fest, daß unter diesen Umständen die Kürzungsaktion von der Reichsregierung nicht weiter verfolgt werden könne.

Der Reichsminister der Finanzen wies darauf hin, daß aller Voraussicht nach gleichzeitig mit der Besoldungsvorlage die auf Grund der sogenannten Lex Brüning vorzunehmende Lohnsteuersenkung2 beschlossen werde. Er regte an, wenigstens die dadurch für die Beamten geschaffenen steuerlichen Erleichterungen durch einen entsprechenden Abstrich an der Besoldungserhöhung auszugleichen.

2

Siehe dazu Dok. Nr. 364, P. 1.

Der Reichsminister der Justiz sprach sich gegen eine derartige Maßnahme aus, da sie in ihrem finanziellen Ergebnis nicht allzu bedeutend sei, andererseits aber die Beamten stark verbittere.

Der Reichsarbeitsminister war gegenteiliger Auffassung.

Der Reichskanzler führte aus, daß das Schicksal der Lohnsteuersenkung zur Zeit noch nicht klar feststehe und daß es daher wohl verfrüht sei, schon jetzt zur Entscheidung zu kommen.

Er schlug unter allgemeiner Billigung der übrigen Reichsminister vor, die vom Reichsminister der Finanzen angeregte Frage noch offen zu lassen.

Sodann trat das Kabinett in die Erörterung von noch nicht abschließend behandelten Spezialfragen zur Besoldungsvorlage ein.

Ministerialzulage:

Der Reichsminister der Finanzen berichtete, daß die in Aussicht genommene Erhöhung der Ministerialzulage um 50 v.H.3 bei den Regierungsparteien auf Widerstand stoßen werde; andererseits sei anzuerkennen, daß es ein unerträglicher Zustand sei, wenn in Preußen die um 50 v.H. erhöhte Ministerialzulage weiter gewährt werde und daß die Reichsbeamten in dieser Weise gegenüber den Beamten in Preußen benachteiligt blieben.

3

Vgl. Dok. Nr. 360 unter „Ministerialzulage“.

Das Kabinett war der Auffassung, daß zur Frage der Höhe der Ministerialzulage endgültig erst bei der Beratung des Etats Stellung zu nehmen sei. Wenn die Regierung jedoch bei den Beratungen im Reichstag über die Besoldungsreform auf Anfrage der Parteien zu einer Äußerung über ihre Stellungnahme genötigt werden sollte, so müsse gesagt werden, daß die Reichsregierung mit Rücksicht auf das Vorgehen Preußens im Etat Mittel für eine um 50 v.H. erhöhte Ministerialzulage anfordern werde.

[1136] Höhere Beamte:

Nach kurzer Aussprache beschloß das Kabinett4 mit 5 gegen 3 Stimmen, daß für die Gruppe der Regierungsräte Grundgehälter von 4500 bis 8700 RM vorzusehen seien. An dieser Änderung der bisherigen Regierungsvorlage soll jedoch nur dann festgehalten werden, wenn die Änderung ohne irgendwelche Rückwirkungen auf andere Gruppen durchgesetzt werden kann.

4

Zur Vorgeschichte dieses Kabinettsbeschlusses siehe Dok. Nr. 353, P. 4 sowie Dok. Nr. 360 unter „Höhere Beamte“.

Behandlung der Pensionäre:

Der Reichsminister der Finanzen berichtete über den gegenwärtigen Stand der Verhandlungen in dieser Frage mit den Regierungsparteien5.

5

Aufzeichnungen über diese Verhandlungen in den Akten der Rkei nicht zu ermitteln. Zur Vorgeschichte siehe Dok. Nr. 355.

Er gab ferner Kenntnis von einem Beschluß des Vorstandes der Zentrumsfraktion, demzufolge mit der Regierungsvorlage eine Aktion auf Erhöhung der Bezüge der Sozialrentner organisch verbunden werden soll6. Die finanziellen Auswirkungen dieses Beschlusses der Zentrumspartei habe er auf 120 bis 130 Millionen berechnen lassen. Eine Deckung für derartige Mehraufwendungen sei im Haushalt nicht vorgesehen und könne auch nach seiner Auffassung nicht geschaffen werden.

6

Zu diesem Beschluß des Vorstandes der Zentrumsfraktion siehe Morsey, Zentrumsprotokolle, Dok. Nr. 204. Siehe auch die weiteren Beratungen der Zentrumsfraktion über die Besoldungsvorlage, a.a.O., Dok. Nr. 205 ff.

Der Reichsarbeitsminister regte an, unter diesen Umständen die Pensionärsfrage jetzt aus der Regierungsvorlage auszuscheiden und sie bei den Beratungen über den Reichshaushalt zur gleichmäßigen Behandlung mit einer Aufbesserung der Bezüge der Sozialrentner wieder aufzunehmen.

Nach längerer Aussprache beschloß das Kabinett mit Mehrheit, von einer Zurückziehung des Abschnitts V des Besoldungsgesetzentwurfs7 Abstand zu nehmen.

7

Abschnitt V des Besoldungsgesetzentwurfs betr. Wartegelder, Ruhegehälter und Hinterbliebenenbezüge.

Da die Einstellung der Regierungsparteien zur Sache nicht genügend geklärt erschien und das Kabinett der Auffassung war, daß es in dieser Frage ausschlaggebend auf die Auffassung der Fraktionen ankomme, soll versucht werden, durch Verhandlungen mit den Regierungsparteien auf der Basis zu einem Ausgleich zu gelangen, daß die Wartestandsbeamten eingestuft werden und daß den Vorschlägen des Zentrums entsprechend nur diejenigen Pensionäre in die Aufbesserung der Bezüge eingeschlossen werden, bei denen das der Berechnung des ruhegehaltsfähigen Diensteinkommens bisher maßgebend gewesene Grundgehalt 12 000 RM nicht übersteigt8.

8

Auf der Grundlage dieses Vorschlages kam in den folgenden Tagen eine Einigung zwischen den Koalitionsfraktionen über die umstrittene Regelung der Beamtenpensionen zustande; DVP und DNVP verzichteten dabei auf ihre Forderung, sämtliche Pensionäre in die neue Besoldungsordnung einzugruppieren. Während der 2. Lesung der Besoldungsvorlage im Haushaltsausschuß des RT brachten die Regierungsparteien am 7. 12. einen gemeinsamen Antrag zur Pensionsregelung (Abschnitt V des Besoldungsgesetzes) ein, der im wesentlichen folgendes vorsah: Die Wartestandsbeamten werden in die neue Besoldungsordnung eingruppiert, ihre Bezüge werden dementsprechend neu festgesetzt. Die Bezüge der Ruhestandsbeamten, die beim Inkrafttreten des Besoldungsgesetzes bereits pensioniert sind, werden in der Weise erhöht, daß zu den Grundgehältern, die bisher für die Berechnung des ruhegehaltsfähigen Diensteinkommens maßgebend waren, bestimmte prozentuale Zuschläge hinzutreten; das sich hierbei ergebende neue Grundgehalt darf jedoch – gemäß einem Zusatzantrag – nicht höher sein als 13 200 RM (Ausschußdrucks. Nr. 1583 und 1592). Diese Anträge wurden am 8. 12. vom Haushaltsausschuß und am 14. 12. auch vom Plenum des RT bei der Verabschiedung des Besoldungsgesetzes angenommen (RT-Bd. 420 , Drucks. Nr. 3765 , hierzu auch Beilage II; RT-Bd. 394, S. 12047  ff., 12100 ff.). Siehe §§ 25 ff. des Besoldgungsgesetzes vom 16.12.27 (RGBl. I, S. 349 ).

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