1.124.2 (ma32p): 2. Bericht über die Lage der Großeisenindustrie.

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2. Bericht über die Lage der Großeisenindustrie.

Der Reichsarbeitsminister berichtete über die Stellungnahme der Werke der Großeisenindustrie zu dem für den 1. Januar 1928 bevorstehenden Inkrafttreten der Verordnung über die Arbeitszeit in Stahlwerken, Walzwerken und anderen Anlagen der Großeisenindustrie. Die Industriewerke haben in einer Eingabe an den Reichsarbeitsminister beantragt, das Inkrafttreten der Verordnung hinauszuschieben1.

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Nach der VO des RArbM vom 16.7.27 sollte in den Stahl- und Walzwerken und in anderen Anlagen der Großeisenindustrie zum 1.1.28 die achtstündige Arbeitszeit und damit das Dreischichtensystem eingeführt werden (RGBl. 1927 I, S. 221 ; vgl. Dok. Nr. 277, P. 2). Die hiervon betroffenen Werke hatten in einer Eingabe an den RArbM vom 26.10.27 beantragt, das Inkrafttreten der VO hinauszuschieben, da die Umstellung der Betriebe auf die verkürzte Arbeitszeit mit erheblichen technischen, personellen und finanziellen Schwierigkeiten verbunden sei (Abdruck der Eingabe in: 25 Jahre Arbeitnordwest, S. 169 ff.). Bei den Metallarbeitergewerkschaften war dieser Antrag und seine Begründung auf Kritik gestoßen. Eine Besprechung zwischen Arbeitgeber- und Gewerkschaftsvertretern im RArbMin. am 9.11.27 hatte keine Annäherung der gegensätzlichen Standpunkte gebracht (Besprechungsprotokoll und weitere Materialien hierzu in R 13 I /69 ). Am 23.11.27 hatten die Metallarbeiterverbände für den nordwestlichen Bezirk der Eisen- und Stahlindustrie das geltende Lohn- und Arbeitszeitabkommen gekündigt und neben Lohnerhöhungen die strikte Durchführung der VO über den Achtstundentag gefordert. Die Unternehmensleitungen hatten daraufhin am 3.12.27 dem RArbM die Stillegung der Betriebe zum 1.1.28 für den Fall angezeigt, daß die Verhandlungen mit den Gewerkschaften nicht zu wirtschaftlich tragbaren Ergebnissen führen sollten. Der weitere Verlauf der Schlichtungsverhandlungen hing nun weitgehend davon ab, welche Haltung der RArbM zum Antrag der Arbeitgeber einnahm, die Inkraftsetzung der VO über den Achtstundentag in den Stahl- und Walzwerken hinauszuschieben. In einem Schreiben an den StSRkei vom 6. 12. hatte RArbM Brauns mitgeteilt, daß er nach Prüfung aller Gesichtspunkte jetzt eine Entscheidung in dieser Frage treffen und hierüber das Kabinett unterrichten wolle (R 43 I /2060 , Bl. 199). Zum Gesamtzusammenhang vgl. Weisbrod, Schwerindustrie in der Weimarer Republik, S. 333 ff.

[1144] Der Reichsarbeitsminister erklärte, daß er beabsichtige, den Antrag grundsätzlich abzulehnen und nur gewisse Erleichterungen insbesondere auf dem Gebiete der Sonntagsarbeit zuzugestehen. Nach der in Frage kommenden Verordnung stehe ihm das Entscheidungsrecht allein zu. Angesichts der weittragenden Auswirkungen, die seine Entscheidung im Gefolge haben werde, halte er es jedoch für angezeigt, dem Reichskabinett von seiner Absicht vorher Kenntnis zu geben. Dabei wolle er aber nicht so weit gehen, die formelle Zustimmung des Reichskabinetts zu seiner Entscheidung zu beantragen.

Der Reichswirtschaftsminister brachte demgegenüber zum Ausdruck, daß er die Berichterstattung des Reichsarbeitsministers an das Reichskabinett über die Lage und über seine Absichten dankbar anerkenne, und meinte dann weiter, daß die logische Folge dieser Unterrichtung des Kabinetts doch die sei, daß dem Reichskabinett Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben werde. Er nehme nicht an, daß es in der Absicht des Reichsarbeitsministers liege, gegebenenfalls Schritte zu tun, die von der Mehrheit des Kabinetts nicht für richtig gehalten würden.

In der Sache selbst hielt er den Zeitpunkt für eine abschließende Endentscheidung für verfrüht. Er wies darauf hin, daß für den kommenden Tag Verhandlungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern in Berlin bevorständen, deren Ergebnis von seiten der Reichsregierung wohl nicht vorgegriffen werden dürfe.

Der Reichsarbeitsminister war grundsätzlich bereit, seine Entscheidung bis zum letztmöglichen Termin hinauszuschieben, insbesondere auch den Ausgang der Verhandlungen unter den Parteien vom kommenden Tage, über die er übrigens von den Beteiligten nicht unterrichtet worden war, abzuwarten. Da indessen die Schlichtungskammer bereits für den übernächsten Tag, Freitag, den 9. 12. nachmittags 4 Uhr, in Köln einberufen sei, müsse seine Entscheidung unbedingt am Vermittag des 9. Dezember hinausgehen.

Im allseitigen Einverständnis wurde daraufhin die Weiterberatung auf Freitag, den 9. Dezember vormittags 10 Uhr, vertagt2.

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Siehe Dok. Nr. 369, P. 2.

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