1.30.3 (wir2p): 3. [Sachlieferungsverhandlungen mit Italien.]

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3. [Sachlieferungsverhandlungen mit Italien.]

Geheimrat Cuntze gibt einen ausführlichen Bericht über den Stand der Forderungen5.

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In R 43 I nichts ermittelt; offenbar handelt es sich um Verhandlungen für das zu dem am 28.2.22. paraphierten, und am 2. 6. endgültig gezeichneten Cuntze-Bemelmans-Abkommen, also das Sachlieferungsabkommen zwischen der dt. Reg. und der Repko. Dem hierin vereinfachten Verfahren für die von der dt. Reg. zu leistenden Sachlieferungen konnten die alliierten Regierungen beitreten (Wortlaut des Abkommens siehe RT-Drucks. Nr. 4468 , S. 12, Bd. 374).

Reichsminister Schmidt äußert Bedenken gegen die Kreditgewährung. Erhielte die italienische Regierung den Kredit, so wäre sie in der Lage, selbst Kredite zu geben, und dies sei ein Anreiz, das Abkommen in voller Höhe des Kredites in Anspruch zu nehmen. Auch Zollerleichterungen, die evtl. von der italienischen Regierung gewährt werden könnten, wirkten ähnlich. Er befürchtet, daß die gesamte Einfuhr Deutschlands nach Italien auf Reparationskonto liefe, falls das Abkommen sich in der Größenordnung von 120 Millionen bewege. Erträglicher sei das Sachlieferungsabkommen, wenn Italien uns in der Frage des deutschen Eigentums entgegenkomme.

[767] Staatssekretär v. Simson hält es für schwer, das Abkommen über das deutsche Eigentum so zu gestalten, daß es als Ausgleich für das Sachlieferungsabkommen in Betracht kommen könne.

Exzellenz v. Meinel schließt sich den Ausführungen des Reichsministers Schmidt bezüglich der Frage der Inanspruchnahme des Abkommens an, man müsse danach streben, die Quote von 120 Millionen erheblich herabzusetzen etwa auf 40 Millionen6.

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Artikel XVI des Cuntze-Bemelmans-Abkommens vom 2.6.22 setzt die Höhe der Sachlieferungen nicht fest: „Die deutsche Regierung und die Reparationskommission werden in Verbindung bleiben, um sich zu vergewissern, daß die Höhe der Zahlungen, welche die deutsche Regierung im Laufe des Reparationsjahres auf Grund dieser Vereinbarung geleistet oder noch zu leisten hat, zuzüglich des Wertes der sonstigen während des selben Zeitraumes von der deutschen Regierung bewirkten oder noch zu bewirkenden Leistungen, die für diesen Zeitraum festgesetzten Verpflichtungen Deutschlands nicht überschreitet.“ (RT-Drucks. Nr. 4468 , S. 19, Bd. 374).

Botschafter v. Neurath macht darauf aufmerksam, daß die Verhandlungen wegen des deutschen Eigentums nur politisch, nicht finanziell zu werten seien. Ein Abschluß der Verhandlungen sei wünschenswert, besonders mit Bezug auf die deutschen Vermögen in den abgetretenen Gebieten Südtirols, die Gefahr liefen, sequestriert oder liquidiert zu werden. Den Italienern gegenüber sei die Zahl von 800 Millionen Papierlire für die Ablösung des deutschen Eigentums genannt worden.

Staatssekretär Hirsch macht darauf aufmerksam, daß die 800 Millionen Papier-Lire, auf 10 Jahre verteilt und auf Goldmark umgerechnet, jährlich den relativ geringen Betrag von etwa 14 Millionen Mark ergeben. Dieser Betrag sei nicht so hoch, daß man, um in dieser Frage zu einem Schluß zu kommen, im Sachlieferungsabkommen schwere Lasten, die prinzipieller Natur seien, auf sich nehmen dürfe. Es sei zu bedenken, daß mit der Zeit die Kohlenlieferungen abnähmen und infolgedessen der in die normale Ausfuhr fallende Export aus dem Sachlieferungsabkommen größer würde.

Reichsminister Rathenau schließt sich ebenfalls den Ausführungen des Reichsministers Schmidt an. Die Quote von 120 Millionen Mark sei zu hoch. Wenn man sich aber mit Italien nicht einige, so läge die Gefahr vor, daß Italien die Zölle stark erhöhe und Zollausnahmen nur für Reparationsleistungen gäbe. Dann sei der normale Export ruiniert.

Der Reichskanzler regt an, eine Denkschrift über die verschiedenen Sachlieferungsabkommen herzustellen7, die notwendig sei angesichts der wachsenden Opposition im Reichstag gegen derartige Abkommen. Die Verhandlungen sowohl über die Eigentumsfrage als über das Sachlieferungsabkommen sollen weiter geführt werden.

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Eine solche Denkschrift ist in Reichstagsdrucksachen nicht ermittelt.

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