1.178 (bru2p): Nr. 430 Vermerk des Staatssekretärs Pünder über eine Besprechung des Reichskanzlers mit Abgeordneten der SPD am 5. August 1931

Zum Text. Zur Fußnote (erste von 11). Zu den Funktionen. Zum Navigationsmenü. Zum Navigationsbaum

 

Bandbilder:

Die Kabinette Brüning I und II. Band 2 Das Kabinett Brüning I Bild 183-H29788NS-Wahlversammlung im Sportpalast Bild 102-10391Arbeitslose Hafenarbeiter Bild 102-11008Bankenkrise 1931 Bild 102-12023

Extras:

 

Text

RTF

Nr. 430
Vermerk des Staatssekretärs Pünder über eine Besprechung des Reichskanzlers mit Abgeordneten der SPD am 5. August 1931

R 43 I /2372 , S. 487–495 Durchschrift1

1

Das Original befindet sich im Nachl. Pünder Nr. 139, Bl. 103–107.

Der Herr Reichskanzler empfing gestern nachmittag auf sozialdemokratischen Wunsch im Beisein der Herren Reichsminister Dietrich und Stegerwald und des Unterzeichneten die sozialdemokratischen Führer Dr. Breitscheid, Wels und Dr. Hilferding. Die letztgenannten Herren berichteten zunächst über ihre große internationale Tagung in Wien, über die sie sich sehr zufrieden äußerten2.

2

Am 25.7.31 hatte in Wien der 4. Kongreß der 2. Internationalen getagt (Schultheß 1931, S. 581).

Hinsichtlich der schon vor einigen Wochen in Aussicht genommenen Novellierung der großen Juni-Notverordnung hinsichtlich einiger sozial- und finanzpolitischer Anregungen3 äußerten sich die Herren sehr ruhig und zurückhaltend. Dr. Breitscheid betonte, daß in diesem Kreise eine Erörterung nicht mehr erforderlich sei, sondern daß dies jetzt wohl den beiderseitigen Sachverständigen (Abgeordneten Dr. Hertz und Aufhäuser und die zuständigen Herren der Ministerien) überlassen bleiben könne.

3

Vgl. Dok. Nr. 355 und Dok. Nr. 374.

Auf Wunsch der sozialdemokratischen Vertreter äußerte sich alsdann der Herr Reichskanzler eingehender über die augenblicklich schwebenden finanzpolitischen Fragen. Er berichtete über die voraussichtliche Wiedereröffnung[1519] der Sparkassen am kommenden Sonnabend, was nun durch die Wechselfähigmachung der Sparkassen erreicht habe. Allerdings würde noch durch eine Notverordnung bestimmt werden, daß Kredite an die Kommunen seitens der Sparkassen nicht mehr gegeben werden dürften4. Abgeordneter Dr. Hilferding stimmte dem durchaus zu und betonte, daß das Kommunaldefizit natürlich unter keinen Umständen durch Notenausgabe gedeckt werden dürfe.

4

S. Dok. Nr. 431 P. [4] und [5].

Das Gespräch wandte sich dann der bevorstehenden Aktienrechtsreform zu5. Abgeordneter Dr. Hilferding führte aus, die ihm bekannte Frage, ob und wieweit diese Reform im Wege der Notverordnung erledigt werden könne, sei nach seiner Auffassung eine gesetzestechnische Frage. Er wisse, daß sein Parteifreund Ministerpräsident Braun gegen eine große Notverordnung auf diesem Gebiete sei. Tatsächlich griffen aber nach seiner Auffassung die einzelnen Probleme sehr ineinander, und die wichtigen Fragen, die man doch durch Notverordnung alsbald regeln müsse, seien sehr zahlreich, so daß mehr nebensächliche Punkte nur in geringer Zahl übrig blieben. Er persönlich hätte daher nichts dagegen, wenn die ganze Reform im Wege der Notverordnung erledigt würde. Gegen den Entwurf selber bestünden aber noch sehr erhebliche Bedenken. Er erwähnte hierbei die Fragen des Kaufs eigener Aktien, die Beseitigung des Mehrstimmrechts, die Vertretung der Depotaktien nur bei schriftlicher Genehmigung des Aktionärs. Auf Wunsch des Herrn Reichskanzlers versprach Abgeordneter Dr. Hilferding, seine Anregungen in zusammenfassender knapper Form dem Reichsjustizministerium, dem Reichswirtschaftsministerium und der Reichskanzlei schriftlich zu unterbreiten6.

5

S. Dok. Nr. 431 P. [3].

6

Das Schreiben Hilferdings war in den Akten der Rkei nicht zu ermitteln. Ein Vermerk des MinR Feßler vom 16.9.31 über Hilferdings Vorschläge befindet sich in R 43 I /1082 , Bl. 242–243.

Alsdann wurden Fragen der Bankenkontrolle erörtert. Der Herr Reichskanzler betonte die Notwendigkeit einer völligen Reorganisation der Banken, und zwar auch bei den Banken, die nicht unter dem Reichseinfluß stünden. Jedenfalls sei überall eine starke Dezentralisation, insbesondere beim Kreditgeschäft notwendig. Der Herr Reichskanzler erwähnte auch das Problem Preußenkasse – Dresdner Bank7. Das Problem der Bankaufsicht sei so ungeheuer vielseitig, daß eine Regelung in einigen Tagen und ohne Vorbereitung durch Sachverständige nicht möglich sei. Er dächte daher daran, der Reichsregierung die Einsetzung einer ganz kleinen Kommission von Sachverständigen vorzuschlagen, die in kürzester Frist der Reichsregierung entsprechende Vorschläge machen sollten.

7

Vgl. dazu Dok. Nr. 453, Anm. 6.

Abgeordneter Dr. Hilferding erklärte sich namens seiner Freunde mit den Ausführungen des Herrn Reichskanzlers durchaus einverstanden. Sehr wichtig und schwierig sei die Frage, welche Stelle die Bankaufsicht ausüben solle. An sich sei zunächst an die Reichsbank zu denken. Ohne Abänderung ihres Status wäre dies aber keine befriedigende Lösung. Es käme daher vielleicht in Betracht, nach voraufgegangenen vertraulichen internationalen Besprechungen[1520] auf eine Abänderung des Reichsbankstatuts hinzuwirken, oder aber es müsse ein eigenes Aufsichtsamt als ein Regierungsamt für die Bankenkontrolle eingesetzt werden, dem man zweckmäßigerweise keine kollegiale, sondern eine persönliche Spitze geben müsse. Die Zuständigkeit müsse sich wohl zunächst schon aus technischen Gründen auf die Großbanken beschränken, müsse aber allmählich ausgedehnt werden. Die Einsetzung eines kleinen Gremiums zur Vorbereitung all dieser Fragen erscheine seinen politischen Freunden sehr zweckmäßig.

Alsdann wurden Fragen der Devisenzwangswirtschaft besprochen8. Die sozialdemokratischen Vertreter hatten Sorge, daß mit Hilfe dieser an sich für eine Übergangszeit wohl notwendigen Bestimmungen eine für die deutsche Gesamtwirtschaft schädigende Handelspolitik getrieben werden könne. Abgeordneter Dr. Hilferding führte hierzu aus, die deutsche Handelsbilanz sei absolut aktiv. Wenn man nun aber daran ginge, die Zuweisung von Devisen zum Einkauf, z. B. von ausländischen Südfrüchten, Gemüsen und Weinen zu verweigern, so würde dies zu schwersten Schlägen für den deutschen Export führen. Der Herr Reichskanzler und Reichsminister Dietrich äußerten sich hierzu, daß die Reichsregierung im wesentlichen die gleiche Auffassung habe. Die zweifellos sehr unbequemen Vorschriften seien nur als Übergangsbestimmungen tragbar, so, wie der Herr Reichskanzler dies ja auch in seiner gestrigen Rundfunkrede ausgeführt hätte9, und es erscheine auch durchaus unzweckmäßig, unter Umgehung handelspolitischer Bindungen auf diesem Wege neue Wege der Handelspolitik einzuschlagen.

8

Vgl. Dok. Nr. 425, Anm. 3.

9

Der RK hatte in seiner Rundfunkrede vom 4. 8. abends auf die schweren Strafbestimmungen der DevisenNotVO hingewiesen und erklärt, daß durch die NotVO in Einzelfällen fühlbare Härten eintreten könnten. Die RReg. sei entschlossen dafür zu sorgen, daß diese Maßnahmen bei aller Schärfe ihrer Durchführung nicht wirtschaftsstörend wirken würden (WTB Nr. 1639 vom 4.8.31, R 43 I /2372 , S. 389–393, hier S. 391).

Abschließend wurde sodann von den sozialdemokratischen Vertretern die Frage des Diskonts angeschnitten, wobei der Herr Reichskanzler betonte, daß der Satz von 15% natürlich auch nur ein vorübergehender sein könne10.

10

Der Diskontsatz war am 31.7.31 von der Rbk auf 15% festgesetzt worden (Schultheß 1931, S. 168).

Abgeordneter Dr. Hilferding regte für den Fall, daß es sich doch um eine Anordnung von längerer Dauer handeln sollte, die Prüfung der Frage an, ob nicht gesetzliche Änderungen auf einigen Gebieten notwendig wären, da in vielen privatwirtschaftlichen Verträgen, namentlich im Baumarkt, sich die Zinsen nach dem Reichsbankdiskont richteten11.

11

Durchschriften dieses Vermerks erhielten der RFM, der RArbM und die StSS Joël, Trendelenburg und Schäffer (R 43 I /2372 , S. 495).

Pünder

Extras (Fußzeile):