1.68.1 (ma32p): [Anlage]

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[959] [Anlage]

Der Präsident des Reichsbank-Direktoriums an den Reichsminister der Finanzen. 22. September 1927 (Abschrift)

Sehr geehrter Herr Reichsminister!

Unter Bezugnahme auf die gestrige Besprechung beehre ich mich, zu der Frage der Änderung der behördlichen Mitwirkung bei der Aufnahme der Auslandskredite folgendes auszuführen:

Die Beratungsstelle ist nach ihrer bisherigen Gestaltung ein Vertrauensausschuß der Länder, dem sechs Sachverständige angehören14. Diese Sachverständigen sind gehalten, ihre Entscheidung auf Grund der von den Ländern fixierten Richtlinien zu fällen. Eine Ablehnung der Anträge kann danach im allgemeinen nur erfolgen,

14

Siehe Dok. Nr. 301, Anm. 8.

1.

wenn der Verwendungszweck der Auslandskredite nicht produktiv im Sinne der Richtlinien ist oder

2.

wenn die Maximalbelastung durch Zinsen, Disagio-Gesamtbetrag etc. über der üblichen Höhe liegt.

Die Beratungsstelle darf demnach zur Zeit Anleihen öffentlicher Körperschaften selbst dann nicht ablehnen, wenn eine Ablehnung vom Standpunkt der Währung, der wirtschaftlichen oder der politischen Situation geboten ist. Eine derartige mechanische Festlegung wird der Bedeutung der Angelegenheit nicht gerecht und erfüllt nicht den Zweck, zu dem die stelle geschaffen worden ist. Es geht nicht an, daß die Mitglieder dieser Stelle gehalten sein sollen, bei Fällung ihrer Entscheidung vor wichtigen, aber durch die Richtlinien nicht erfaßten Tatsachen die Augen zu verschließen und Erwägungen allgemeiner Art von entscheidender Bedeutung auszuschalten. Es müssen vielmehr bei Begutachtung – abgesehen von dem Zweck der Anleihe, ihren Bedingungen und ihrem Betrag – auch die jeweilig maßgebenden Verhältnisse auf dem Gebiet der Währung, der Wirtschaft und der Politik, die allgemeine Lage und die Frage der Gesamtverschuldung Deutschlands bei der Entscheidung für oder gegen das einzelne Anleiheprojekt voll zur Geltung kommen können. Es mag zweckmäßig sein, Richtlinien aufzustellen, die gewisse Erfordernisse bezüglich des Zwecks der Anleihe usw. vorsehen. Indessen darf die Bedeutung solcher Normen nur die sein, daß Anleihen, die den vorgesehenen Voraussetzungen nicht entsprechen, jedenfalls abgelehnt werden müssen. Soweit aber Anleihen den Richtlinien, wie sie jetzt bestehen, an sich entsprechen, hat darüber hinaus noch die Prüfung zu erfolgen, ob auch unter dem Gesichtspunkt der gesamten Erfordernisse unserer Währung, Wirtschaft und allgemeinen Politik die einzelne Anleihe genehmigt werden kann oder nicht. Dabei wird der Währung, zu deren Schutz die Institution ja geschaffen ist, eine entscheidende Bedeutung eingeräumt werden müssen.

Was die Organisation der Beratungsstelle anlangt, wird man meines Erachtens auch hier um einige Änderungen nicht herumkommen. Die in die Stelle entsandten Personen sollten nicht als inoffizielle Sachverständige, sondern als[960] amtliche Vertreter der sie entsendenden Behörde der Beratungsstelle angehören und demgemäß nicht ihre persönliche, sondern die Auffassung ihrer Behörde wiedergeben. Für die Genehmigungsbeschlüsse der Beratungsstelle müßte Einstimmigkeit vorgeschrieben werden. Bei Meinungsverschiedenheiten dürfte lediglich der Appell an das Reichskabinett offenstehen15.

15

Vgl. dazu die Aufzeichnung des LegR Vallette vom 5.10.27, in: ADAP, Serie B, Bd. VII, Dok. Nr. 10.

Das Vorstehende erschöpft wahrscheinlich die Frage nicht, sondern stellt nur eine erste Anregung dar. Ich darf mir eventuell für die weiteren Beratungen Näheres vorbehalten.

In ausgezeichneter Hochachtung bin ich

Ihr sehr ergebener

gez. Dr. Hjalmar Schacht

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