1.62.1 (vpa2p): 1. Kontingente.

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Das Kabinett von Papen Band 2Das Kabinett von Papen Bild 183-R1230-505Wahllokal in Berlin Bild 102-03497AGöring, Esser und Rauch B 145 Bild-P046294Ausnahmezustand in Berlin während des „Preußenschlages“.Bild 102-13679

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[864]1. Kontingente2.

2

Über den Verlauf der Kabinettsberatung zu diesem Gegenstand heißt es in einer wahrscheinlich für die Dienatag (Dienst nationaler Tageszeitungen, Berlin) gefertigten „Information“ vom 4.11.32 (Unterschrift: Dertinger) u. a.: „In der gestrigen Kabinettssitzung über die Kontingentsfrage ist es zum Ausbruch einer offenen Krise innerhalb der Reichsregierung gekommen. Der Reichskanzler hat in der Sitzung einleitend festgestellt, daß er das Kabinett und sich selbst vor dem Volke und der Landwirtschaft für die Einführung der Kontingente verpflichtet hätte [vgl. dazu Dok. Nr. 166; 171; 186]. Er beabsichtige, sein Wort zu halten, umsomehr, als der Reichspräsident ebenfalls die Kontingentseinführung für erforderlich halte. Er, der Kanzler, stehe auf dem Standpunkt, daß die ganze Agrarpolitik stehe und falle mit einer gleichmäßigen Schutzpolitik für die Getreide- und die bäuerliche Veredelungswirtschaft. Eines allein zu schützen, könne zu keinem guten Ergebnis führen. Der Reichswirtschaftsminister, der Reichsfinanzminister und der Reichsaußenminister haben sich in der Kabinettssitzung erneut gegen die Kontingente ausgesprochen. Der Wirtschaftsminister befürchtet eine Störung des Exportes und damit steigende Arbeitslosigkeit, der Reichsfinanzminister sinkende Zolleinnahmen infolge des Aufhörens ausländischer Zufuhren und erhöhte finanzielle Anforderungen durch wachsende Arbeitslosigkeit. Der Reichsaußenminister stellt sich auf den Standpunkt, daß unsere Außenpolitik, insbesondere die Rüstungsfrage, nur bei wohlwollender Neutralität der kleineren und mittleren Staaten zum Erfolg gebracht werden könne, und unsere Rüstungsfreiheit könnten wir nicht dadurch aufs Spiel setzen, daß wir jetzt aus wirtschaftlichen Gründen unsere ganzen Nachbarstaaten vergrämen. Der Reichsernährungsminister hielt diesen Auffassungen entgegen, daß ein Zusammenbruch der Agrarwirtschaft in noch viel größerem Umfang zur Arbeitslosigkeit führen müsse, als es bei einer Absatzstockung im Auslande der Fall sein würde. Was die Rüstungsfrage betreffe, so wisse man ja inzwischen, daß im entscheidenden Moment wir ja keinen Bundesgenossen haben, außerdem dürfe nicht die Tatsache vergessen werden, daß der deutsche Auslandsabsatz zurückginge wegen der fehlenden Kaufkraft der deutschen Nachbarländer, und diese Kaufkraft sinke nicht durch die deutschen Maßnahmen, sondern in erster Linie wegen der allgemeinen wirtschaftlichen Krisenlage. Die Ausfuhr würde auch ohne Kontingente eine weiter absinkende Tendenz haben, es sei denn, daß die Krise an sich in der Welt überwunden würde. Der Reichskanzler hat sich im wesentlichen den Auffassungen von Braun angeschlossen [vgl. die ganz entgegengesetzten Ausführungen des RK vor Vertretern der Viehweidewirtschaft am 5. 11., Dok. Nr. 194], der außerdem noch eine Zustimmungserklärung des Reichswehrministers vorweisen konnte. Ehe Papen zur Abstimmung schreiten konnte, erklärten die […] Minister Warmbold und Schwerin, daß sie bei einem Beschluß des Kabinetts zur Einführung von Kontingenten ihren Rücktritt erklären würden; andererseits erklärte Braun, sofort seinen Rücktritt zu vollziehen, wenn die Kontingente endgültig abgelehnt würden. Um den Ausbruch einer offenen Ministerkrise vor den Wahlen [6.11.32] zu vermeiden, ist also die Frage bis zu den Wahlen vertagt worden.“ Hieran knüpfte Dertinger folgende Überlegungen: „Ob es noch im Kabinett nach den Wahlen zur Auseinandersetzung kommt, oder ob mit Rücksicht auf diese inneren Spannungen im Anschluß an die Wahlen eine Umbildung der Regierung versucht werden wird, ist noch unbestimmt. Der Reichskanzler selber sieht ein, daß sein Kabinett so zusammengesetzt sein muß, daß nicht nur auf allgemeinpolitischen Gebieten, sondern auch auf dem Gebiet der Wirtschaftspolitik absolut einhellige Auffassungen bestehen. Er selber rechnet also mit dem Ausscheiden von Warmbold usw. Die Frage ist nun, ob der neue Kanzler Papen heißt, oder ob man eine Gesamtumbildung vornimmt. Es sind Bestrebungen im Gange, nochmal einen Versuch mit den Nationalsozialisten nach den Wahlen zu machen und denkt dabei in erster Linie an Strasser. Die Aussichten hierfür sind äußerst gering, denn die Ansprüche der Nat.-Soz. sind noch größer geworden, als sie am 13. August waren. Hinzu kommt, daß der Reichspräsident mehr und mehr die Nat.-Soz. in jeder Beziehung ablehnt und sie nicht in der Regierung haben will. Schließlich ist wichtig die Auffassung des Reichspräsidenten, die mir heute aus seinem Büro übermittelt wurde, daß nach seiner Ansicht der autoritäre Gedanke völlig zu Bruch ginge, wenn jetzt der Kanzler ausgewechselt würde. Zwar kann der Kanzler einige „Handlanger“ entfernen, also Minister entlassen, die nicht voll mitziehen wollen, er selber aber müsse unter allen Umständen bleiben.“ (ZSg. 101/25, Bl. 291–293).

Der Reichskanzler führte unter Hinweis auf den Ernst der Lage aus, daß es nicht möglich gewesen sei, in Vorbesprechungen eine gemeinsame Linie zu finden3. Die Folgerungen, die sich daraus ergäben, müßten vor der Wahl vermieden werden. Nachher wäre die Lage erneut zu prüfen.

3

Zu den Vorbesprechungen s. Dok. Nr. 186 und 187, P. 4.

Deswegen müsse eine Formel gefunden werden, in der der Bruch nicht in die Erscheinung trete. Die Beschlüsse über die Stützung der Getreidepreise und[865] über die Butterregelung4 müßten darin aufgeführt werden. Im übrigen wäre zu erklären, daß das Material der Handelsvertragsdelegation geprüft werden müsse5.

4

Vgl. Anm 2 und 37 zu Dok. Nr. 187.

5

Zu dieser Prüfung s. die Denkschrift des RWiM vom 18. 11. (Anm 32 und 33 zu Dok. Nr. 187) sowie den Bericht des Handelspolitischen Ausschusses der RReg. vom 12.12.32 in R 43 I /1079 , Bl. 105–128.

Der Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft erklärte, es sei schwer, dieser Zwischenlösung zuzustimmen. Er tue es aber, weil er die Gefahren einer Ablehnung erkenne. Er verlas den Entwurf einer Pressenotiz.

Das Kabinett war mit dem Vorschlage des Reichskanzlers einverstanden. Die zuständigen Reichsminister übernahmen es, die Presseveröffentlichung zu formulieren6.

6

Die durch WTB am 3. 11. verbreitete Pressenotiz lautete: Die RReg. „befaßte sich in ihren Kabinettssitzungen vom 2. und 3. November mit Agrarfragen. Sie ist der Auffassung, daß ein Abgleiten der Getreidepreise verhindert werden muß. Für die Landwirtschaft tragbare Getreidepreise sind nicht nur im Hinblick auf die gesamte wirtschaftliche Bedeutung und die Notwendigkeit der Erhaltung des Getreidebaues erforderlich, sondern auch um einen Zusammenbruch der Osthilfeaktion, die Gefährdung der bisher für den Osten aufgewendeten Mittel und die dadurch bedingten unübersehbaren Folgen für alle Wirtschaftszweige des ganzen Reichsgebiets zu verhindern. Die Reichsregierung hat daher die hierzu erforderlichen Maßnahmen beschlossen. – Die Reichsregierung hält es für ebenso dringlich, andere ebenso gefährdete Zweige der deutschen Landwirtschaft zu schützen, um das Gleichgewicht zwischen den verschiedenen landwirtschaftlichen Produktionszweigen zu erhalten und eine ungesunde Ausweitung einzelner Zweige auf Kosten anderer zu vermeiden. Sie hat demgemäß der Kontingentierung der Buttereinfuhr auf Grund der mit mehreren Ländern getroffenen Abrede ihre Zustimmung erteilt. Sie hat ferner den Bericht der Kommission entgegengenommen, die in Brüssel, im Haag, in Rom, Paris und Kopenhagen über die Kontingentierung weiterer land- und forstwirtschaftlicher und gärtnerischer Erzeugnisse, insbesondere der bäuerlichen Veredlungswirtschaft, verhandelt hat. Die Reichsregierung veranlaßte, daß das besonders reichhaltige Material, das diese Verhandlungen ergeben haben, unverzüglich gesichtet und bearbeitet wird. Nach Abschluß dieser Arbeit wird sie ihre Entscheidung im einzelnen treffen.“ (WTB Nr. 2348 in R 43 I /1275 , Bl. 285).

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