2.72.1 (vsc1p): [Verweigerung außerordentlicher Vollmachten für das Kabinett von Schleicher; Rücktritt des Kabinetts.]

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[Verweigerung außerordentlicher Vollmachten für das Kabinett von Schleicher; Rücktritt des Kabinetts.]

Am 28. Januar, 12.15 Uhr vormittags, empfing der Herr Reichspräsident auf erneuten Wunsch wieder den Herrn Reichskanzler von Schleicher. Der Reichskanzler trug hierbei folgendes vor: Es ergäben sich folgende 3 Möglichkeiten, 1.) ein Mehrheitskabinett Hitler; das wäre an sich eine Lösung, doch glaube er nicht an dessen Zustandekommen; 2.) ein Minderheitskabinett Hitler; dieses entspräche aber nicht der bisherigen Haltung des Herrn Reichspräsidenten; 3.) die Beibehaltung der jetzigen Präsidialregierung; diese könne aber nur dann arbeiten, wenn sie das Vertrauen und die Vollmacht des Herrn Reichspräsidenten hinter sich habe. – Gegen eine Regierung auf der schmalen Basis der Deutschnationalen usw. ohne Nationalsozialisten wären 9/10 des deutschen Volkes; das würde zu revolutionären Erscheinungen und zu einer Staatskrisis3 führen.

3

Zu dieser Formulierung und der damit verbundenen Problematik vgl. Dok. Nr. 71, Anm. 8 und Dok. Nr. 77, Anm. 15.

Wenn die jetzige Regierung vor den Reichstag treten solle, müsse er um die Zusage der Auflösung bitten.

Der Herr Reichspräsident erwiderte: Das kann ich bei der gegebenen Lage nicht. Ich erkenne dankbar an, daß Sie versucht haben, die Nationalsozialisten für sich zu gewinnen und eine Reichstagsmehrheit zu schaffen. Es ist leider nicht gelungen und es müssen daher nun andere Möglichkeiten versucht werden.

Der Reichskanzler: Ich habe noch eine Bitte aus dem Kabinett vorzutragen; einige Reichsminister lassen den Herrn Reichspräsidenten bitten, ihm unmittelbar über die politische Situation noch berichten zu dürfen. Es sind dies Punkte, die ich nicht gerne selbst vorbringen möchte.

[311] Der Herr Reichspräsident: Das will ich mir noch vorbehalten; an meiner Entscheidung aber kann es nichts ändern. – Ich danke Ihnen für die dem Vaterlande in schwerer Zeit geleisteten treuen Dienste und bitte Sie, diesen Dank auch den Herren Reichsministern zu übermitteln; ich bin Ihnen allen sehr dankbar.

Der Reichskanzler: Bei der Neubildung der Reichsregierung bitte er den Herrn Reichspräsidenten, namentlich das Reichswehrministerium keinem Parteigänger Hitlers zu übertragen. Das würde die Reichswehr in große Gefahr bringen.

Der Herr Reichspräsident erwiderte, daß er einen solchen Gedanken auch von sich aus absolut ablehne.4

4

Zu verschiedenen „schon legendär gewordenen angeblichen Schlußsätzen der Unterredung“ s. Thilo Vogelsang: Reichswehr, Staat und NSDAP. S. 384.

Berlin, den 28. Januar 1933.

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