1.34.2 (wir2p): 2. Außerhalb der Tagesordnung: [Ausrufung der Rheinischen Republik.]

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2. Außerhalb der Tagesordnung: [Ausrufung der Rheinischen Republik.]

Der Reichsverkehrsminister macht davon Mitteilung, daß er soeben durch besonderen Boten aus Köln die Nachricht erhalten habe, daß die Ausrufung der rheinischen Republik bevorstehe, und zwar solle der Einzug des neuen Bischofs von Trier zu diesem Zwecke benützt werden. In den Städten Trier, Gerolstein und Aachen solle die Aktion gleichzeitig in der Zeit vom 14.–17. Mai in die Wege geleitet werden8. Da die Angelegenheit für die Regierung, insbesondere[777] auch für die Beamten, von großer Bedeutung sei, beantrage er, daß alsbald die Reichs- und preußischen Ressorts zu einer gemeinsamen Beratung der Angelegenheit zusammentreten.

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In den Akten konnte lediglich ein Bericht von StS Brugger an den RK vom 4.5.22 zum Separatismus in den rheinischen besetzten Gebieten ermittelt werden, der jedoch die Trierer Bischofswahl nicht erwähnt. Darin gibt StS Brugger die Darlegungen „von durchaus zuverlässiger Seite, die ihre Nachrichten von einem Gewährsmann über Brüssel empfangen hat“, wie folgt wieder: „Der Völkerbundsrat habe sich in einer seiner letzten Sitzungen mit der Rheinlandfrage befaßt und entsprechend einer Anregung Frankreichs und Belgiens, die sich auf Anträge der vereinigten Sonderbündler stützten, eine Volksabstimmung in den Ländern am Rhein bis spätestens zum Herbst 1922 in Aussicht genommen. Die Abstimmung solle nach dem Vorbild der in Oberschlesien veranstalteten erfolgen. Neutrale Überwachungskommissionen würden bereits vorbereitet. Es sollen mehrere Fragen gestellt werden, die der rheinischen Bevölkerung die Wahl lassen würden, für ein Rheinland als preußische Provinz, als Bundesstaat im Verbande des Deutschen Reiches, als selbständigen Freistaat oder als mit Frankreich oder Belgien verbündete Länder zu stimmen. Es würde damit gerechnet, daß das Ergebnis dieser Volksabstimmung in gewissen Gebietsteilen (Koblenz, Trier) für Deutschland und insbesondere für Preußen ungünstig ausfallen werde. Für diesen Fall werde eine Zerstückelung der Rheinlande beabsichtigt. Es soll eine Art Sforzalinie gefunden werden. Bei dem Völkerbund liege übrigens auch ein Antrag der französischen Royalisten vor, aus dem Rheinlande zusammen mit dem Saarstaat und Elsaß-Lothringen einen neutralen Pufferstaat zu machen. Dahinter solle der Plan der Errichtung eines Königreiches Burgund stecken. Im Gegensatz hierzu bestehe in französischen und belgischen militaristischen Kreisen der Plan, eine strategische Linie zu erreichen, die von Germersheim rheinab über Mainz, Koblenz bis Bonn, von Bonn über das Vorgebirge nach Euskirchen bis zur Eifel führen soll, um die französisch-belgische Ostgrenze gegen Deutschland abzusperren“. Aus einer anderen Quelle, die Beziehungen zu Sonderbündlern habe, will Brugger erfahren haben, daß die Separatisten durch eine Deputation in Genua eine Denkschrift überreicht hätten, in der baldmöglichst eine Volksabstimmung in den Rheinlanden gefordert sei. Die Entente lasse die Rheinlande bereits durch Kommissionen bereisen, die die Stimmung der rheinischen Bevölkerung studieren sollten. Abschließend kommt StS Brugger zu dem Ergebnis: „Wenn auch die Führer der Separationsbewegung unbedeutend sind und ihr Anhang im Lande gering und sich überdies beschränkt auf gänzlich einflußlose Persönlichkeiten, so gewinnt diese neuerliche, starke Agitation im Zusammenhang mit den oben berichteten Tatsachen immerhin nicht unerhebliche Bedeutung. Es muß auch damit gerechnet werden, daß in den Zentren der separatistischen Bewegungen in Aachen, Köln, Trier, Koblenz und Wiesbaden Putschversuche unter dem Schutze der französischen bzw. belgischen Besatzung unternommen werden. Es wird notwendig sein, hiergegen Vorkehrungen zu treffen, und es dürfte zu erwägen sein, ob nicht auch auf diplomatischem Wege geeignete Schritte zu tun sein werden. Falls die Verhandlungen in Genua fortgesetzt werden sollten, müßte gegenüber den dort verfolgten separatistischen Plänen rechtzeitig eine entsprechende Gegenwirkung einsetzen“. (R 43 I /1838 , S. 231-236).

VizekanzlerBauer regt eine Besprechung an, an der von den Reichsressorts das Reichsministerium des Innern, das Reichsministerium des Auswärtigen, das Reichspostministerium, Reichsverkehrsministerium und Reichsarbeitsministerium zu beteiligen seien. Auch halte er eine vorherige Fühlungnahme mit den Parteiführern für geboten.

Staatssekretär Göhre spricht sich ebenfalls für eine Zuziehung der Parteivertreter aus.

Gesandter von Mutius hält eine ruhige Beurteilung der Lage für angezeigt und erachtet es für genügend, wenn zunächst ohne Zuziehung der Parteiführer sich die Ressorts mit der Frage eingehend beschäftigen.

VizekanzlerBauer stellt die Zustimmung des Kabinetts dahin fest, daß morgen 11 Uhr in der Reichskanzlei eine Besprechung unter den Reichsressorts und dem preußischen Herrn Ministerpräsidenten sowie dem preußischen Herrn Minister des Innern stattfinden solle9.

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Siehe Dok. Nr. 271.

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