2.104.1 (bau1p): 1. Entwürfe eines Reichseinkommensteuergesetzes, eines Kapitalertragssteuergesetzes und eines Landesbesteuerungsgesetzes.

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1. Entwürfe eines Reichseinkommensteuergesetzes, eines Kapitalertragssteuergesetzes und eines Landesbesteuerungsgesetzes1.

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Kabinettsvorlagen (ohne Begründungen) in: R 43 I /1352 , Bl. 89–104, 105–110 und 111–120. – Der Entw. eines Reichseinkommensteuergesetzes sieht die Ablösung der bundesstaatlichen Einkommensteuern durch eine reichseinheitlich zu erhebende und dem Reich als direkte Einnahme zufließende Einkommensteuer der natürlichen Personen vor. Besteuert wird im Rahmen einer jährlichen Veranlagung der „Gesamtbetrag aller in Geld oder Geldeswert bestehenden Einkünfte nach Abzug der ausdrücklich im Gesetze vorgesehenen Beträge“ mit progressiv von 10% bis 60% steigenden Steuersätzen. Steuerfrei bleibt ein von der Zahl der vom Steuerpflichtigen zu versorgenden Personen abhängiges sog. Existenzminimum (mindestens 1000 M). Neben dem Veranlagungsverfahren wird als Neuerung bei Lohn- und Gehaltszahlungen die Erhebung der Steuer an der Quelle im Abzugsverfahren eingeführt. Offen bleibt zunächst die Frage der Beteiligung der Länder und Gemeinden am Steueraufkommen und die Frage, ob die untere Freigrenze von den Ländern oder Gemeinden noch zusätzlich besteuert werden darf. Der GesEntw. war den Länderregg. am 28. 10. und dem RR (als Drucks. Nr. 235) am 15.11.19 vorgelegt worden. Zur Stellungnahme der Länder s. Dok. Nr. 104. Nachdem der RR am 29. 11. zustimmt, geht der GesEntw. in novellierter Fassung am gleichen Tag der der NatVers. zu (NatVers.-Bd. 340 , Drucks. Nr. 1624 ). – Der Entw. eines Kapitalertragsteuergesetzes sieht einen Einheitssteuersatz von 10% als Quellensteuer auf das aus Kapitalvermögen herrührende Einkommen vor. Der Ertrag fließt dem Reich zu (NatVers.-Bd. 340 , Drucks. Nr. 1625 ). – Die übrigen Ertragssteuern (Grund-, Gebäude-, Gewerbesteuern) verbleiben den Ländern und Gemeinden. – Der Entw. eines Landesbesteuerungsgesetzes enthält die grundlegenden Bestimmungen über den zukünftigen Finanzausgleich zwischen Reich, Ländern und Gemeinden. Einzelheiten s. Dok. Nr. 54. Der GesEntw. war den Länderregg. am 25. 10. mit der Bitte um Stellungnahme bis zum 7.11.19 zugegangen (vgl. dazu Dok. Nr. 104). Der NatVers. wird der GesEntw. in novellierter Fassung zusammen mit den vorgenannten Entww. am 29. 11. vorgelegt (NatVers.-Bd. 340 , Drucks. Nr. 1623 ).

a) Reichsminister Koch erhebt grundsätzliche Bedenken gegen den Übergang der Gemeindesteuern auf das Reich. Das Kabinett ist darüber einig, daß diese Frage bereits durch die vorangegangenen Entschlüsse des Kabinetts und die Verhandlungen mit den Landesregierungen erledigt ist2.

2

Zu den Gemeindesteuern vgl. Dok. Nr. 54, Anm. 5.

b) Von verschiedenen Seiten werden Bedenken gegen den § 53 des Entwurfs des Landesbesteuerungsgesetzes erhoben3, weil diese Vorschrift eine Änderung der Verfassung sei. Es wird beschlossen, die Bestimmung in dem Entwurf zu belassen, und zwar besonders mit Rücksicht darauf, daß ihre Aufnahme[387] der Preußischen Regierung in den Vorverhandlungen zugesagt worden ist4 und sie im Reichsrat zweifellos wieder eingestellt werden würde. Es bleibt vorbehalten, darauf zu achten, daß die Annahme der Bestimmung mit den Mehrheiten erfolgt, die für Verfassungsänderungen vorgesehen sind, und daß bei der Entschließung der Nationalversammlung eine der Verfassung entsprechende Anzahl von Abgeordneten anwesend ist5.

3

§ 53 der Kabinettsvorlage (= § 57 der Regierungsvorlage an die NatVers.) lautet: „Änderungen des Maßstabes für die Beteiligung der Länder und Gemeinden am Ertrage von Reichssteuern dürfen nur unter den Voraussetzungen erfolgen, die nach der Reichsverfassung für Verfassungsänderungen vorgesehen sind.“ – Zur Verfassungsänderung s. Art. 76 RV.

4

Vgl. Dok. Nr. 34, P. 3, insbesondere Anm. 14.

5

Als in den Ausschußberatungen der NatVers. § 57 der Regierungsvorlage gestrichen wird, erklärt die PrReg., daß damit das LandessteuerGes. für sie unannehmbar werde, da „die finanziellen Verhältnisse der Länder und Gemeinden unter Umständen von einer Zufallsmehrheit im Reichstage abhängig werden“ (der PrMinPräs. an den RFM, Abschrift an die RReg., 11.2.20; R 43 I /2402 , Bl. 169 f.; vgl. NatVers.-Bd. 341 , Drucks. Nr. 2158 , Bericht des 10. Ausschusses über den Entw. eines Landessteuergesetzes). Für Bayern und Sachsen protestieren in der gleichen Angelegenheit die Gesandten von Preger und Koch zusammen mit UStS Göhre vom PrStMin. am 1.3.20 direkt beim RK, der zusagt, sich ggf. bei den Parteileitungen für die Wahrung der finanziellen Länderinteressen einsetzen zu wollen (Aufzeichnung Wevers vom 1.3.20; R 43 I /2402 , Bl. 205). Die NatVers. hält dennoch die Streichung aufrecht. Als Ersatz wird die im § 46 Reichsfinanzverwaltungsgesetz enthaltene Garantiebestimmung (vgl. Dok. Nr. 54, Anm. 6) in modifizierter Fassung als § 56 in das Landessteuergesetz aufgenommen. Damit erhalten die Länder zwar eine feste Mindestbeteiligung am Reichssteueraufkommen zugesichert; diese ist jedoch nur am gegenwärtigen Ertrag der ersetzten Länder- und Gemeindesteuern orientiert und damit vorerst nicht steigerungsfähig. Das Landessteuer-(Finanzausgleichs-)gesetz wird am 30.3.20 verkündet (RGBl. S. 402 ); es soll gemeinsam mit dem Reichseinkommensteuergesetz vom 29.3.20 (RGBl. S. 359 ) am 1.4.20 in Kraft treten.

c) Reichsminister Koch wünscht eine stärkere Berücksichtigung der Kinderzahl bei dem Einkommensteuergesetz. Reichsminister Erzberger legt dar, daß bei den niedrigeren Steuerstufen die Kinderzahl bereits eine starke Berücksichtigung erfährt. Die Anregung wird darauf vom Kabinett nicht weiter verfolgt.

d) Unterstaatssekretär von Haniel bittet für die Auslandsbeamten Vergünstigungen einzustellen. Reichsminister Erzberger stellt Bestimmungen in Aussicht, wonach bei den Auslandsbeamten der Teil der Steuer in Fortfall kommt, der dem Anteil der Länder und Gemeinden an dem Ergebnis der Steuer entsprechen würde.

e) Der Reichswehrminister wünscht, daß die Militärpersonen von der Steuerpflicht befreit bleiben. Reichsminister Erzberger hat hiergegen Bedenken, weil jede Durchbrechung der Steuerpflicht Berufungen anderer Stellen nach sich ziehen könne. Er würde es daher vorziehen, den Militärpersonen in den Bezügen noch weiter entgegenzukommen. Dem wird entgegengehalten, daß auch die Erhöhung der Bezüge Berufungen anderer Kategorien nach sich ziehen würde. Das Kabinett sieht von einer Beschlußfassung ab und überläßt die Entscheidung einer nochmaligen Prüfung des Reichsministers der Finanzen.

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